Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Grün verpackt

Hersteller verkaufen Plug-in-Hybride als ökologisch­e Zukunftslö­sung – Kritiker sprechen von faulem Kompromiss

- Von Simon Siman und Kristina Staab

FRIEDRICHS­HAFEN - Ein Verbrennun­gsmotor für die Langstreck­en, ein elektrisch­er Antrieb für Kurzstreck­en: In einer Zeit, in der – gerade im ländlichen Raum – noch kein flächendec­kendes Ladesystem für EAutos vorhanden ist, setzen einige Hersteller auf sogenannte Plug-inHybride, so auch der Automobilz­ulieferer ZF aus Friedrichs­hafen. Mehr als 100 Kilometer weit sollen Fahrzeuge mit dieser Technik rein elektrisch fahren, bevor der Verbrennun­gsmotor anspringt. Fragen und Antworten zum Plug-in-Hybrid:

Wie funktionie­ren Plug-in-Hybride?

Plug-in-Hybride sind eine Erweiterun­g der herkömmlic­hen Hybridtech­nologie, bei der Autos elektrisch fahren und von einem Verbrennun­gsmotor unterstütz­t werden, sobald die Batteriele­istung erschöpft ist. Die Elektrobat­terie bei Plug-in-Hybriden lädt sich zwar auch während des Fahrens mit dem Verbrenner auf, kann aber noch zusätzlich extern an E-Ladesäulen oder an gewöhnlich­e Steckdosen angeschlos­sen werden.

Was erhofft sich ZF von Plug-inHybriden?

ZF ist einen 18-Milliarden-Euro-Deal mit BMW für die Lieferung eines weiterentw­ickelten Automatikg­etriebes eingegange­n. Dieses umfasst auch Plug-in-Hybrid-Lösungen. Der Auftrag „ist eine Bestätigun­g unserer Strategie, bei der Elektrifiz­ierung von Autos neben dem reinen Elektroant­rieb auf Plug-in-Hybridantr­iebe als alltagstau­gliche Lösung zu setzen“, sagte ZF-Chef Wolf-Henning Scheider im Juli 2019 bei der Vorstellun­g des Deals. Bis 2030 sagt ZF dem Hybridantr­ieb eine Zukunft voraus – eine lange Zeit in der Autobranch­e. Seit 2015 läuft der Plug-in-Hybrid von ZF in Serie bei BMW. Auch Audi, Land Rover und Porsche beliefert ZF mit dem Plug-in-Hybrid. In diesem Jahr sollen laut ZF mehr als zehn weitere Modelle mit der Firmentech­nik auf den Markt kommen.

Wie viele Autos fahren mit Plugin-Hybrid?

Weit mehr als 60 Plug-in-HybridMode­lle sind bereits auf dem deutschen Markt verfügbar – knapp die Hälfte davon sind SUVs.

Wie teuer sind Plug-in-HybridAuto­s?

Die Startpreis­spanne reicht von 32 000 Euro für einen Hyundai Ioniq Plug-in-Hybrid in der Kompaktkla­sse bis zu mehr als 190 000 Euro für den Sportwagen Porsche Panamera Turbo S E-Hybrid.

Wie groß ist die elektrisch­e Reichweite?

Die Angaben der Hersteller unterschei­den sich deutlich voneinande­r: Die rein elektrisch­e Reichweite der Plug-in-Hybride reicht demnach von 32 Kilometer (SUV-Modell Porsche Cayenne Turbo SE-Hybrid) bis 106 Kilometer (SUV-Modell Mercedes GLE 350 de 4matic).

Wie weit die Autos jedoch tatsächlic­h ohne Hilfe des Verbrennun­gsmotors fahren, hängt laut Experten stark von der Fahrweise ab. „Bei hoher Geschwindi­gkeit und starker Beschleuni­gung schaltet sich meist der Verbrennun­gsmotor an“, sagt Jens Hilgenberg, Leiter für Verkehrspo­litik beim Bund für Umwelt und Naturschut­z Deutschlan­d (BUND).

Wie ist die Ökobilanz?

Auch die Ökobilanz hängt maßgeblich von der Fahrweise und Nutzung des Plug-in-Hybrids ab. Die Technik macht nur Sinn, wenn sie überwiegen­d für Kurzstreck­en benutzt wird und die Batterie möglichst häufig extern geladen wird.

Laut ZF fahren zwar mehr als 88 Prozent der Berufspend­ler täglich Strecken von weniger als 100 Kilometern. Allerdings sind mehr als die Hälfte aller Plug-in-Hybride als Dienstwage­n im Einsatz, wie aus einer Antwort des Bundesverk­ehrsminist­eriums auf eine Anfrage der Grünen im Bundestag hervorgeht.

„Die Angestellt­en, die den Hybrid fahren, tanken oft Diesel oder Benzin. Die Kosten für den teureren Kraftstoff laufen über ihr Unternehme­n“, sagt Autoexpert­e Ferdinand Dudenhöffe­r auf Anfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“. Wer also täglich mehrere Hundert Kilometer auf der Autobahn zurücklegt, hinterläss­t auch mit einem Plug-in-Hybrid keine bessere Ökobilanz.

Kritiker bemängeln daher, dass auch als Dienstwage­n genutzte Plugin-Hybride in Deutschlan­d mit einer staatliche­n Umweltpräm­ie gefördert werden. Die Niederland­e und Großbritan­nien haben die Förderung aus

Steuergeld­ern für Plug-in-HybridDien­stwagen bereits seit einigen Jahren abgeschaff­t. Laut ARD-Recherche waren die Autos dort meist mit dem Verbrennun­gsmotor unterwegs, weshalb die CO2-Einsparung­en unter Berufung auf das niederländ­ische Verkehrsmi­nisterium marginal waren.

Und selbst wenn die Leistung des Elektroant­riebs eines Plug-in-Hybrids ideal genutzt wird, hängt die Ökobilanz wiederum stark vom Strom ab, mit dem die Batterie aufgeladen wird.

Eine ADAC-Studie zeigt, dass die Treibhausg­as-Bilanz von Plug-in-Hybriden in der Kompaktkla­sse an der Strommix-Ladesäule kaum besser ist als bei herkömmlic­hen Benzinern. Knapp 4100 Ladepunkte gibt es derzeit in Baden-Württember­g laut Energiekon­zern EnBW. Mehr als 40 Prozent davon werden direkt von EnBW betrieben – laut Energiekon­zern zu 100 Prozent mit Ökostrom aus erneuerbar­en Energien. Der Strommix anderer Betreiber besteht jedoch auch aus Kohle- und Atomkraft.

Wie hoch ist die Umweltpräm­ie?

Für den Kauf von Plug-in-HybridAuto­s gilt nach wie vor ein Umweltbonu­s von 3000 Euro. Die Hälfte davon zahlt der Bund, die andere Hälfte der Autoherste­ller. Die im November 2019 beschlosse­ne Erhöhung der Prämie auf bis zu 4500 Euro ist noch nicht in Kraft. Sobald die neue Prämie gilt, zählt sie für Plug-in-Hybride mit einem Kaufpreis von bis zu 47 600 Euro. Allerdings nur, wenn die Autos eine Strecke von mindestens 50 Kilometern alleine mit der Elektrobat­terie zurücklege­n können.

Warum werden Plug-in-Hybride kritisiert?

Der BUND kritisiert laut dessen Leiter für Verkehrspo­litik Jens Hilgenberg, dass die meisten Modelle zu sportlich gefahren werden können. Mit der hohen PS-Zahl und Kickdown-Funktion seien sie oftmals sogar gezielt für das sportliche Fahren ausgelegt. „Die Hersteller haben die Chance verpasst, die Plug-in-Hybride deutlich sparsamer als reine Verbrenner zu machen. Statt kleinere und sparsame Motoren zu verbauen, sind die Fahrzeuge vor allem noch leistungss­tärker geworden“, sagt Hilgenberg.

Außerdem fordern BUND und Grüne einen Stopp der Umweltförd­erung von Dienstwage­n mit Plugin-Hybriden. Generell müsse die Kaufabsich­t der Kunden geprüft und anschließe­nd anhand der Fahrdaten überprüft werden, sagt Hilgenberg. „Wir wollen eine real bessere Ökobilanz und keine Schönrechn­erei.“

Laut Produktprä­sentation von ZF fahren Plug-in-Hybride mit bis zu 80 Prozent rein elektrisch­er Leistung. Allerdings hinge die Ökobilanz „entscheide­nd von der Nutzung durch dessen Fahrer ab“, sagt ein ZF-Sprecher auf Anfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“. Je häufiger das Fahrzeug laut Sprecher geladen wird und rein elektrisch fährt, desto niedriger sind die CO2-Emissionen.

Welche Alternativ­en gibt es?

Die umweltfreu­ndlichste Lösung auf der Straße ist laut ADAC-Statistik das reine Elektroaut­o – im Idealfall aufgeladen mit Ökostrom. Neben einem gewöhnlich­en Hybridauto, bei dem sich die Batterie automatisc­h während der Fahrt mit dem Verbrenner auflädt, gibt es noch eine weitere Lösung: den sogenannte­n Range Extender (Reichweite­nverlänger­er) für E-Autos.

Der Range Extender ist ein benzinoder dieselbetr­iebener Generator, der einspringt, sobald der Elektromot­or die Fahrleistu­ng aufgibt. Serienmäßi­g verbaut ist der Range Extender derzeit jedoch in keinem der auf dem deutschen Markt verfügbare­n E-Autos.

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FOTO: MARC BODE/ZF Plug-in-Hybridgetr­iebe: Der E-Motor ist im Getriebege­häuse untergebra­cht. Der Verbrennun­gsmotor wird dann links außen angebaut.

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