Schmäh im Eden
ULM (flx) - In Deutschland sorgt man sich um die Zukunft jeglichen Dialekts, staatliche Förderprogramme sollen die Freude am Zungenschlag schmackhaft machen. In Wien hat man diesen Zungenschlag einfach – er ist ein Exportschlager ins „Piefkeland“, wo diese charmante Kantigkeit viele Fans hat. Mit „Vodoo Jürgens“ist ein Wiener unterwegs, der seine Anhänger zum Mitsingen seiner schrägen Songs mobilisiert – auch an der schwäbischen Donau.
Im rappelvollen Club Eden (ausverkauft seit Wochen) konnte man sich an Songs aus dem neuen Album „’s klane Glücksspiel“live satthören. Mitunter hätte man Dolmetscher brauchen können für den „broaden“Dialekt: Jürgens hatte seine Fan-Favoriten alle dabei, „Rode Sporttoschn“, „Scheidungsleichn“, „Heut grob ma Tote aus“.
Die Welt, die uns Voodoo – eigentlich David Öllerer – mit seiner Musik serviert, ist ein Antipode zur von Verkaufszahlen gesteuerten Hitparadenwelt. Das ist keine glatt geschliffene saubere Sache, die da ins Ohr dringt, sondern eine merkwürdig verzaubernde, herrlich schwarzhumorige, sattsam ironische Weltsicht – und manchmal tatsächlich nicht so weit weg von jenen Humorliedern des Udo Jürgens („Dieses ehrenwerte Haus“), auf dessen Namen sich der Wiener mit seinem Pseudonym sarkastisch bezieht.
Es ist nicht das Wien der feinen Klänge, der feudal verrottenden Adelsstrukturen, der schicken Fassaden; das Vodoo-Jürgens-Österreich ist rau, schmutzig, auf pikante Weise entspannter und mögenswerter „Wiener Schmäh“. „Angst haums“ist schon fast die Hymne auf unsere Zeit: „Stehns alle nur bled do, kennt sich keiner vorn und hinten mehr aus, schauns alle nur noch zu.“In Deutschland würde daraus eine düster-depressive Sache, zu der keiner tanzen mag. Vodoo Jürgens holt das Augenzwinkern und Lachen in den Abgrund, aus dem er Balladen und pointierte Zustandsskizzen kreiert. Sein Mitsinghit „Heut grob ma Tote aus“wird von seiner Band mit unwiderstehlichem Groove kredenzt: „Heut tanz ma mit de größtn Feind, und schenken eana reinen Wein!“
Öllerer hat als Friedhofsgärtner Gräber gepflegt, als die Musik noch nichts abwarf. Was seinen Stil so eigen und erfolgreich macht: Da kollidiert auf geistreiche Weise die bürgerliche Musikkultur mit folkloristischen Nuancen, näselt eine gestopfte Trompete 20er-Jahre-Jazzkeller-Atmosphäre, brummelt die E-Orgel wie in den schwülen 70ern und das Tieftraurige des alten „Wienerlieds“wird ins 21. Jahrhundert katapultiert. Das Gegensätzliche amalgamiert zur ganz eigenen, charmanten, ohrwurmmäßig perfekten Melange – ein Rezept, das wie Wien selbst ein Schmelztiegel ist für unterschiedliche Einflüsse. Und das: großartig getextet und gespielt.