In Bergamo wird der Platz auf den Friedhöfen knapp
Verängstigte Menschen, infizierte Ärzte – Bürgermeister Gori fühlt sich an die Hölle erinnert
GROM - Bergamo ist eigentlich eine malerische norditalienische Stadt. Doch in der Corona-Krise leben die etwa 120 000 Einwohner hier im wahrsten Sinn des Wortes in Angst und Schrecken. „Ein Ort, der an die Beschreibung der Hölle in Dantes ‚Göttlicher Komödie‘ erinnert“, sagt Bürgermeister Giorgio Gori über seine Stadt. Fast jeden Tag sterben hier zwischen 40 und 60 Menschen. Die gleichnamige Provinz Bergamo hat bis jetzt etwa 600 Todesopfer zu verzeichnen. Infiziert sind in der Provinz mehr als 4300 Menschen.
Die Friedhöfe haben keinen Platz mehr für die vielen Verstorbenen. Am Donnerstag begann der „Exodus der Särge“, so die Tageszeitung „la Repubblica“. Eine Kolonne von Militärfahrzeugen brachte neue Särge nach Bergamo und transportierte Särge mit Leichen in andere Ortschaften, wo noch Platz auf Friedhöfen ist.
„Unsere Krematorien arbeiten auf Hochtouren“, berichtet Carla Vanci, die ein Bestattungsunternehmen in Bergamo besitzt, im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“. „Wir haben inzwischen rund um die Uhr geöffnet, und wir haben enorme Schwierigkeiten, in so kurzer Zeit so viele Beerdigungen zu organisieren.“In den städtischen Krematorien stapeln sich die Särge, so Carla Vanci. „Und uns steht immer weniger Personal zur Verfügung, weil immer mehr unserer Angestellten krank werden.“
Schon bald soll ein Feldlazarett mit die Arbeit aufnehmen. Errichtet wird es vom italienischen Heer. Allerdings gibt es in Bergamo und Umgebung zu wenige Mediziner und Pflegekräfte. Rund 120 von 600 Ärzten in Bergamo sind mit dem Coronavirus infiziert. In ganz Italien werden dringend freiwillige Helfer für das Lazarett und die überfüllten Krankenhäuser Bergamos gesucht. Auch fiebersenkende Medikamente gehen zur Neige.
„Die Situation in unseren Krankenhäusern ist verheerend, die meisten von uns arbeiten bis zur vollständigen Erschöpfung“, erklärt Mario Ricci. Der Krankenpfleger ist dem Lazarett des Heeres zugeteilt worden. Bisher war er im städtischen Krankenhaus im Einsatz. „Das neue Feldlazarett“, so Ricci, „wird mit rund 250 Betten das größte seiner Art in ganz Europa.“
Bürgermeister Gori ist den ganzen Tag unterwegs. „Ich habe keine Zeit, um Angst vor Ansteckung zu haben“, sagte Gori am Freitag im Staatsfernsehen RAI. „Wir befinden uns hier in einem Kriegszustand, und ich habe keine Ahnung, wie wir das hier in den Griff bekommen sollen.“
Nur noch sehr wenige Menschen sind in Bergamo unterwegs. Im Unterschied zu anderen italienischen Städten finden sich hier auch nur noch wenige Bürger, die jeden Tag um 18 Uhr von den Fenstern ihrer Wohnungen aus Lieder singen oder auf Töpfe schlagen, um die Angst zu vertreiben. „Man hat zu viel Angst vor der Situation hier und man ist zu traurig, um zu singen“, meint Mario Ricci, der Krankenpfleger. Immer mehr Menschen verlieren hier die Hoffnung.“