Das Virus ist in Spanien ein Todesurteil für viele Senioren
Dutzende sterben in spanischen Pflegeheimen an den Folgen des Coronavirus – Doch die Lage könnte in Wahrheit noch dramatischer sein
GMADRID - „Die Altersheime werden zu Leichenhallen“, titelt Spaniens größte Tageszeitung „El País“. 20 Tote innerhalb weniger Tage in einem Seniorenheim in Madrid. 15 Tote in einer Residenz in der zentralspanischen Stadt Ciudad Real. Aus anderen Altenheimen kommen ähnliche Horrormeldungen. „In den Seniorenhäusern spielt sich ein Drama ab“, klagt das Blatt „La Razón“.
Die Bewohner der Pflegeheime sind wegen ihres Alters und ihrer Vorerkrankungen durch das Coronavirus besonders gefährdet. Doch trotz ihres delikaten Gesundheitszustandes herrschen in vielen Heimen katastrophale hygienische Zustände. Das Pflegepersonal verfügt oftmals nicht über einfachste Schutzkleidung wie Mund-Nase-Masken oder Einweghandschuhe – das Virus breitet sich deswegen schnell aus.
„Wir fühlen uns von den Gesundheitsbehörden verlassen“, berichtet der Mitarbeiter einer Senioreneinrichtung in Madrid. Es gebe keine Tests, um festzustellen, welche Mitarbeiter und Bewohner infiziert sind. Die Notrufleitstelle schicke wiederum keine Krankenwagen, um ältere Patienten in kritischem Zustand ins
Krankenhaus zu bringen. Offensichtlicher Grund: Viele Hospitäler stehen vor dem Kollaps und wissen nicht mehr, wohin mit den Patienten.
Inzwischen ermittelt die spanische Staatsanwaltschaft, um herauszufinden, wer für diesen Missstand in den Heimen verantwortlich ist. Spaniens Vizeregierungschef Pablo
Iglesias sagte den mehreren Tausend Altersresidenzen im Land mittlerweile zu, für Schutzkleidung und bessere medizinische Ausrüstung zu sorgen. Das spanische Militär bekam den Auftrag, jene Seniorenheime, die besonders schlimm vom Virus betroffen sind, zu desinfizieren.
Derweil meldete Spaniens Regierung am Freitag einen massiven Anstieg der Corona-Fälle in Spanien. Demzufolge gibt es bisher 19 980 bestätigte Infektionen, allein in der Hauptstadtregion Madrid sind es 7200. Die Zahl der Toten, bei denen das Virus Sars-CoV-2 diagnostiziert wurde, stieg auf 1002. Bei den Todesopfern handelt es sich meist um ältere Menschen mit Vorerkrankungen.
Der Sprecher der spanischen Gesundheitsbehörden, Fernando Simón, bestätigte jedoch am Freitag, dass diese Zahlen nicht das wahre Ausmaß der Virus-Epidemie widerspiegeln. Bisher wurden in Spanien – entgegen dem Rat der Weltgesundheitsorganisation – Tausende Verdachtsfälle mit leichten Symptomen nicht getestet und somit auch nicht mitgezählt. Man wisse daher nicht, räumte Simón ein, wie weit das Virus wirklich in Spanien verbreitet ist.
In einem neuen Notstandsdekret ordnete die Regierung an, dass innerhalb einer Woche alle Hotels, Touristenappartements und Campingplätze geschlossen werden müssen. Doch Urlauber gibt es ohnehin nicht viele in Spanien. Hunderttausende sind in den letzten Tagen und Wochen bereits heimgereist. Mallorca wie auch die Kanarischen Inseln hatten die Touristen aufgefordert, die Inseln zu verlassen. Die Inseln kündigten zudem an, dass die meisten Flug- und Fährverbindungen gekappt werden, um die Ausbreitung der Epidemie zu bremsen. In ganz Spanien gilt seit 15. März eine Ausgangssperre – auch für Touristen.