Corona krempelt CDU-Kandidatenkür um
Die Suche nach der Merkel-Nachfolge ruht – doch ein Nicht-Kandidat bringt sich ins Spiel
GBERLIN - CDU-interner Wahlkampf ist dieser Tage unangebracht, mahnt Manuel Hagel. „Im Moment stehen in der Corona-Krise ganz andere und auch wichtigere Dinge klar im Vordergrund. Für alle sollte das Credo sein: Zuerst das Land, dann die Parteien“, sagt der Generalsekretär der baden-württembergischen CDU. Tatsächlich ist die kurz zuvor noch hektische Suche nach einem Nachfolger von Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer regelrecht eingefroren. Die Wahl auf einem Sonderparteitag am 25. April ist auf unbestimmte Zeit verschoben, entsprechend ruhe auch der „Vorstellungsprozess der Kandidaten“, sagt ein Sprecher der Bundespartei.
Zarte Versuche, sich doch im Gespräch zu halten, kamen nicht gut an. Nachdem sich zuerst der Kandidat Norbert Röttgen angesichts des Coronavirus für einen Mitgliederentscheid aussprach und kurz danach Friedrich Merz die Chefin seiner Medienkampagne öffentlich vorstellte, gab es scharfe Kritik von der Noch-Chefin: „In einer Lage, in der das gesamte Land gezwungen ist, seine Schulen zu schließen, als Allererstes daran zu denken, wie die CDU jetzt schnellstmöglich die Kandidatenfrage löst, oder Kampagnen-Managerinnen vorzustellen, mag eine Priorität sein. Meine wäre es nicht“, schimpfte Kramp-Karrenbauer in der „Welt am Sonntag“und sprach damit den beiden Bewerbern indirekt die Krisenfähigkeit ab.
Ein vernichtendes Urteil: Denn CDU-Chef ist eigentlich die Vorstufe zur Kanzlerkandidatur. Und Kanzler müssen Krisen managen können. Manchmal werden sie auch in Krisen gemacht: Der damalige Polizeisenator Helmut Schmidt empfahl sich 1962 in der Hamburger Sturmflut für Höheres, die Oderflut 2002 hielt Gerhard Schröder im Amt. Merz und Röttgen haben nun ein Problem: In Zeiten der CoronaKrise will die Bevölkerung kein Chefgeschacher. Sie schaut auf die Krise – und jene Politiker, die diese managen. Tun diese das entschlossen und gut, entsteht ein kaum mehr aufzuholender Vertrauensvorsprung. Röttgen ist als Außenpolitiker aber weitgehend machtlos. Und
Merz ist nicht nur selbst am Virus erkrankt. Er hat keinen Posten, auf dem er gestalten kann. Im Dreikampf der Favoriten kann das nur Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet vorweisen.
Doch zwei andere, die offiziell gar nicht im Rennen sind, machen ebenfalls eine gute Figur. Da ist Gesundheitsminister Jens Spahn, der zugunsten Laschets zurückgezogen hatte und sich nach Meinung vieler beweist. Als Spahn vor zwei Wochen in der Unions-Fraktionssitzung sprach, gab es zumindest breiten Applaus der Abgeordneten. Sollte Laschet in der Krise keine gute Figur machen, könnte er mit dem Verweis auf die Lage in seinem Bundesland den Weg für Spahn freimachen.
Und noch einer profiliert sich mit klaren Ansagen: Bayerns Ministerpräsident Markus Söder treibt beim Corona-Krisenmanagement die anderen Bundesländer vor sich her. Schulschließungen, Notfallfonds,
Aufgabe der schwarzen Null, Ausgangsbeschränkungen – derzeit macht der Freistaat im Alleingang vor, was wenige Tage später alle tun. Zwar hatte Söder vor der Krise deutlich betont, dass er nicht nach Berlin wolle. Doch stellte er auch klar, dass die CSU einen CDU-Kanzlerkandidaten nicht einfach abnicken werde. Damit war klar: Hätte sich die CDU im April auf einen Parteichef geeinigt, hätte dieser noch Monate auf Söders Segen warten müssen. Die Kandidatenkür soll nämlich erst im Dezember bei einem Parteitag in Stuttgart erfolgen. Der Bayer war also trotz Absage weiter indirekt im Spiel. Und nun zeigt er in schweren Zeiten jene Führungsstärke, auf die es vielen ankommt.
Der April-Parteitag ist zwar inzwischen abgesagt, gleichwohl drängt der Südwesten auf eine schnelle Entscheidung: „Bei der Frage nach dem Parteivorsitz bleibe ich bei meiner ursprünglichen Einschätzung. Wir sollten den neuen
Vorsitzenden zeitnah, sobald eben die Umstände es gut und ohne Bedenken zulassen, wählen“, sagte Hagel der „Schwäbischen Zeitung“. Die Baden-Württemberg-CDU, die mehrheitlich hinter Merz verortet wird, will mit einer gut sortierten Bundespartei im Rücken in die Landtagswahl im März 2021 gehen.
Doch die Hoffnung Hagels, schnell zum neuen Chef zu kommen, könnte sich zerschlagen. Sollte die Corona-Krise länger anhalten, könnte die CDU gezwungen sein, auf einen teuren Sonderparteitag zu verzichten. Dann könnte das geplante Stuttgarter Dezembertreffen sowohl einen neuen CDU-Chef als auch einen Kanzlerkandidaten der Union hervorbringen. Und das könnte dann durchaus der CSUMann Söder sein.
Für die Bayern wäre das auch eine späte Genugtuung. Der letzte Bayer in dieser Funktion war Edmund Stoiber. Und der verlor 2002 gegen Schröder. Wegen einer Krise.