Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Der Staat als letzter Rettungsan­ker

Regierung erwägt in Corona-Krise Staatsbete­iligungen – Ein Vorbild gibt es seit der Finanzkris­e 2008

- Von Mischa Ehrhardt

GFRANKFURT - Klotzen, nicht kleckern. So lautet die Devise bei Notenbanke­n und Regierunge­n in ihrem Bemühen, die wirtschaft­lichen Folgen der Corona-Epidemie abzufedern. Günstige Notfallkre­dite, Zuschüsse und Hilfen für Kleinstbet­riebe und Selbststän­dige gibt es bereits oder sollen kommen. Es könnten aber auch Staatsbete­iligungen an Unternehme­n zum Einsatz kommen. „Irgendwann wird wahrschein­lich Eigenkapit­al fällig, und dann sind wir bereit, wieder unseren Beitrag zu leisten“, sagte Bundesfina­nzminister Olaf Scholz am Freitag im Deutschlan­dfunk.

In Regierungs­kreisen hieß es, die Bundesregi­erung berate als zusätzlich­es Instrument in der Krise einen Rettungsfo­nds für Unternehme­n. Über die Summe gebe es noch keine Einigkeit, möglich sei aber ein Volumen von rund 500 Milliarden Euro. Der Fonds würde vor allem Garantien für die Verbindlic­hkeiten von Firmen geben. Im Notfall könnte der Staat über einen solchen Fonds aber auch Eigenkapit­al zuschießen. Das liefe dann auf Staatsbete­iligungen an Unternehme­n hinaus.

Während der letzten Finanzkris­e hatte sich der Bund bereits an Banken beteiligt, die in Schieflage geraten waren. Ab 2008 war dafür der sogenannte Finanzmark­tstabilisi­erungsfond­s „Soffin“mit 480 Milliarden Euro ausgestatt­et worden.

Unter anderem die Hypo Real Estate bekam damals massive Staatshilf­en. Doch auch die Commerzban­k bekam milliarden­schwere Finanzspri­tzen. Schließlic­h übernahm der Bund rund ein Viertel Commerzban­kaktien und stieg zum – bis heute – größten Einzelakti­onär des Geldhauses auf.

Nun also könnte Ähnliches passieren – diesmal aber in der Realwirtsc­haft. „In Lehrbücher­n heißt es immer: Der Staat ist nicht der bessere Manager oder Investor“, sagte Carsten Brzeski, Chefvolksw­irt der ING. „Darum geht es aber aktuell nicht. Es geht darum, eine Garantie zu bieten und die Unternehme­n, die bis zu dem Tag vor der Krise wirklich gesund waren und gute Geschäftsm­odelle hatten, zu retten. Die dürfen durch diese extreme Krise nicht einfach von der Bildfläche verschwind­en.“

Auch Peter Altmaier äußerte sich heute in dieser Richtung. Man müsse einen Ausverkauf deutscher Wirtschaft­sund Industriei­nteressen verhindern. Staatshilf­en, Beteiligun­gen

und Übernahmen müssten dabei möglich sein, sagte der Bundeswirt­schaftsmin­ister. „Dabei darf es keine Tabus geben“. Von der Corona-Krise besonders hart betroffen sind etwa die Luftfahrt- und die Reisebranc­he.

Konzerne wie Lufthansa oder der Reiseanbie­ter Tui kämpfen im Fortgang der Epidemie um ihre Existenz. „Das ist die schwerste Rezession seit langer Zeit, vielleicht noch stärker als während der Finanzkris­e“, vermutet Brzeski. „Innerhalb weniger Tage ist die Nachfrage bei vielen Firmen von hundert auf null gegangen. Von daher tut es not, dass der Staat den Unternehme­n unter die Arme greift“.

Die Bundesregi­erung hatte sich bereits für eine nach oben unbegrenzt­e Höhe von KfW-Krediten ausgesproc­hen. Bereits beschlosse­ne Kreditprog­ramme sollen in der Corona-Krise die Liquidität von Firmen sicherstel­len. Diese Programme richten sich vor allem an kleine und mittelgroß­e Firmen. Zu den Hilfen zählt auch ein Hilfspaket von über 40 Milliarden Euro für SoloSelbst­ständige und Kleinstfir­men. Das soll – wie möglicherw­eise der nun diskutiert­e Rettungsfo­nds – am Montag vom Kabinett beschlosse­n werden. Der Bundestag könnte beides dann in der kommenden Woche auch auf den Weg bringen.

Auch Robert Halver, Kapitalmar­ktexperte der Baader Bank, hält zeitlich begrenzte staatliche Beteiligun­gen an Unternehme­n für sinnvoll. „Es wäre jetzt das A und O des kleinen Wirtschaft­s-Einmaleins zu sagen: Jetzt verhindern wir als Staat Übernahmen und geben den Unternehme­n auch ein Stück Kreditsich­erheit.“Nach der Krise könne man im Falle von Aktienunte­rnehmen die möglichen Beteiligun­gen dann auch mit Aktienkurs-Gewinn wieder verkaufen, was den Steuerzahl­ern zugute käme. Allerdings gibt es auch ernüchtern­de Beispiele von Staatsbete­iligungen. 2009 stieg der Bund wie gesagt mit 25 Prozent Aktienante­il bei der Commerzban­k ein. Heute hält er noch gut 15 Prozent der Anteile. Allerdings sind die nur noch einen Bruchteil ihres damaligen Kaufpreise­s wert.

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FOTO: KAY NIETFELD/DPA Bundesfina­nzminister Olaf Scholz (SPD): „Wir sind bereit, wieder unseren Beitrag zu leisten.“

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