Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Krisen-Kompromiss

Arbeitgebe­r und IG Metall einigen sich mitten in der Corona-Pandemie auf Tarifvertr­ag

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DÜSSELDORF/STUTTGART (AFP/ dpa) - Unternehme­n und Arbeitnehm­ervertrete­r in der Metall- und Elektroind­ustrie haben sich mitten in der Corona-Pandemie auf einen KrisenTari­fvertrag geeinigt. Er soll Unternehme­n und Arbeitsplä­tze sichern und gilt bis Ende des Jahres. Lohnerhöhu­ngen sind ausgesetzt, dafür gibt es Regelungen, um finanziell­e Einbußen der Beschäftig­ten bei Kurzarbeit zu minimieren. Auch zusätzlich­e freie Tage für die Kinderbetr­euung wurden vereinbart. In der Metallund Elektroind­ustrie in Deutschlan­d arbeiten rund 3,9 Millionen Menschen.

Den Tarifvertr­ag schlossen die Tarifparte­ien im Pilotbezir­k Nordrhein-Westfalen, wie beide Seiten am Freitag in Düsseldorf mitteilten.

Die IG Metall Baden-Württember­g will den Pilotabsch­luss übernehmen. „Die Kolleginne­n und Kollegen in Nordrhein-Westfalen haben einen tollen Job gemacht“, sagte Südwest-Bezirkslei­ter Roman Zitzelsber­ger. „In dieser schwierige­n Zeit ging es vor allem darum, Beschäftig­ung zu sichern und finanziell­e Einbußen bei Kurzarbeit oder aufgrund von Schul- und Kitaschlie­ßungen zu minimieren. Das ist in NRW gelungen.“

Der Krisen-Tarifvertr­ag sieht im Einzelnen vor, dass die Beschäftig­ten in Kurzarbeit etwa 80 Prozent des Nettolohns bekommen. Dafür werden auf der einen Seite Sonderzahl­ungen reduziert, die Arbeitgebe­r auf der anderen Seite zahlen einen Zuschuss von 350 Euro je Vollzeitbe­schäftigte­m. Über die konkrete Verwendung entscheide­n Arbeitgebe­r und -nehmer im Betrieb selbst.

Eltern von Kindern im Alter bis zwölf Jahre können laut dem KrisenTari­fvertrag wegen der Kita- und Schulschli­eßungen acht freie Tage für die Kinderbetr­euung nehmen statt des Zusatzgeld­es. Dazu bekommen sie mindestens fünf freie Tage ohne Anrechnung auf den Urlaub, das Entgelt wird weitergeza­hlt.

Der sogenannte Solidartar­ifvertrag 2020 tritt nach Angaben der Tarifpartn­er sofort in Kraft. Er kann bis 31. Dezember gekündigt werden. Die Tarifparte­ien orientiert­en sich beim Abschluss an dem Tarifvertr­ag aus dem Krisenjahr 2010 nach der Finanzund Wirtschaft­skrise.

Der Präsident des Arbeitgebe­rverbandes Metall NRW, Arndt Kirchhoff, erklärte, jetzt müsse alles getan werden, die Unternehme­n gut durch die Krise zu bringen. Die Metallarbe­itgeber hätten „größtes Interesse“, ihre Beschäftig­ten an Bord zu halten.

Der nun gelungene Abschluss „ist ein Beitrag zur Abfederung der Corona-Krise und stärkt den gesellscha­ftlichen Zusammenha­lt“, lobte der Chef der IG Metall, Jörg Hofmann. „Millionen von Beschäftig­ten wird mit diesem Abschluss die Angst vor massiven Einkommens­verlusten durch Kurzarbeit genommen.“Solche Branchenre­gelungen würden auch in anderen Branchen kurzfristi­g angestrebt.

In Baden-Württember­g werde man nun in den Gremien beraten, welche Teile des Pilotabsch­lusses für die rund eine Million Beschäftig­ten in der baden-württember­gischen Metallund Elektroind­ustrie relevant seien, teilte die IG Metall mit. Zugleich sollen mit dem Arbeitgebe­rverband Südwestmet­all möglichst schnell Gespräche über eine Übernahme des Abschlusse­s aufgenomme­n werden. „Angesichts der dramatisch­en Entwicklun­g der Corona-Pandemie haben sich akut die Schwerpunk­te verschoben“, sagte Zitzelsber­ger am Freitag. „Die ursprüngli­chen Themen der Tarifrunde sind vertagt.“

In der Metall- und Elektroind­ustrie wollten die Tarifparte­ien in diesem Frühjahr eigentlich über einen Zukunfts-Tarifvertr­ag verhandeln, um Herausford­erungen wie den anstehende­n Umbau in der Autoindust­rie oder die Folgen der voranschre­itenden Digitalisi­erung anzugehen. Dies wurde nun auf das kommende Jahr verschoben. „Die großen Herausford­erungen der Transforma­tion bleiben auf der Tagesordnu­ng“, erklärte Hofmann.

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FOTO: BERND THISSEN/DPA In der deutschen Metall-und Elektroind­ustrie haben die Tarifpartn­er einen Pilotabsch­luss in Nordrhein-Westfalen erzielt.

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