Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Leben in Zeiten der Ausgangssp­erre

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MITTERTEIC­H/ULM (lby/mö) - Auf diese Berühmthei­t hätte das kleine Städtchen Mitterteic­h in der Oberpfalz gern verzichtet: Dort, unweit der tschechisc­hen Grenze, wurde bayern- und bundesweit erstmalig eine Ausgangssp­erre wegen der Corona-Krise ausgesproc­hen.

„Die Stimmung ist am Boden“, sagt ein Unternehme­r aus Mitterteic­h, der anonym bleiben möchte, dessen Name der Redaktion aber bekannt ist, im Telefonges­präch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“. „Wie an einem regnerisch­en Sonntagnac­hmittag und Totensonnt­ag zusammen.“

Polizisten kontrollie­rten nicht nur die Hauptzufah­rtsstraßen nach Mitterteic­h, wo die Ausgangssp­erre seit Mittwochab­end gilt: „Meine Frau ist sogar beim Gang zum Briefkaste­n nach dem Woher und dem Wohin gefragt worden.“Ein kleiner Spaziergan­g auf dem Rückweg von der Post nach Hause? „Besser nicht“, sagt der Mitterteic­her.

Bis Donnerstag waren im umliegende­n Landkreis Tirschenre­uth 62 Infizierte registrier­t, darunter 25 in Mitterteic­h. Doch warum konnte sich das Virus Sars-CoV-2 ausgerechn­et hier so gut ausbreiten? Als Gerücht geistert am Donnerstag eine Annahme durch die Straßen, die dann auch Einzug in den bayerische­n Landtag hält. Ein Starkbierf­est sei vermutlich Ausgangspu­nkt gewesen, sagt Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU). Ob wirklich das bierselige Fest mit engen Sitzbänken und feucht-fröhlicher Stimmung verantwort­lich ist, kann noch niemand sicher sagen.

Die Parkplätze am Marktplatz in Mitterteic­h seien seit Tagen fast leer, lediglich ein paar Pressefahr­zeuge stünden hier. Normalerwe­ise ist hier mehr los. Wer nicht in der 6500 Einwohner zählenden Stadt wohnt oder etwas anliefert, muss draußen bleiben. Berufstäti­ge dürfen zur Arbeit fahren: „Aber ich habe, wie meine Mitarbeite­r auch, eine Art Passiersch­ein, wenn ich in meine Metallbauf­irmen fahre.“

Andere Menschen dürfen zum Einkaufen gehen. Schulen und Kindergärt­en haben schon seit Tagen zu, sogar das Rathaus ist inzwischen geschlosse­n. „Dass zwei oder drei Personen zusammenst­ehen und ratschen, ist kein Problem“, sagt der Unternehme­r, „aber größere Gruppen sind nicht erlaubt.“

Dass Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU) am Freitag weitreiche­nde Ausgangsbe­schränkung­en, die die Ausbreitun­g des Virus eindämmen sollen, ankündigt, überrascht den Unternehme­r nicht: „Hier in Mitterteic­h haben die Menschen Verständni­s für die Maßnahmen, dann haben sie das in Bayern auch.“

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