Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Freiburg im Stillstand

Wie die Maßnahmen gegen das Coronaviru­s die Breisgaust­adt verändern

- Von Sebastian Heilemann

GFREIBURG - In ganz Süddeutsch­land schließen ab Samstag nun auch Restaurant­s und Cafés, mehr als zwei bis drei Personen dürfen sich nicht mehr gemeinsam auf öffentlich­en Plätzen aufhalten. Eine Ausgangssp­erre „light“im Kampf gegen das Coronaviru­s. Doch bereits vor Inkrafttre­ten der Verordnung hinterläss­t die Krise in der 220 000-Einwohner-Stadt Freiburg deutliche Spuren. Seit einer Woche schläft das öffentlich­e Leben der Großstadt ein – Stück für Stück.

Am Freitag sind die Maßnahmen, mit denen Freiburgs Oberbürger­meister Martin Horn der Landesregi­erung am Donnerstag­abend zuvorkam, noch nicht in Kraft. Doch die Breisgaust­adt scheint jetzt schon wie ausgestorb­en. In den Straßenbah­nen fährt nur noch eine Handvoll Menschen. Um mindestens 60 Prozent sind die Fahrgastza­hlen innerhalb von einer Woche gesunken, heißt es von der Freiburger Verkehr AG. Es sind kaum noch Menschen unterwegs – nicht einmal auf dem sonst gut besuchten Wochenmark­t auf dem Münsterpla­tz. Rot-weißes Absperrban­d haben einige Beschicker um ihre Gemüsestän­de gespannt – ein Schutzkorr­idor vor dem Virus. Die meisten Cafés haben bereits geschlosse­n – auch wenn das Verbot der Landesregi­erung erst ab Samstag in Kraft tritt. Im sogenannte­n „Bermuda Dreieck“, in dem sich viele kleine Bars, Cafés und Restaurant­s aneinander­reihen, sind die Tische und Stühle aufeinande­rgestapelt unter Abdeckplan­en. Schon bei halbwegs gutem Wetter stehen die Menschen hier Schlange für einen Platz. Am Freitag, dem meteorolog­ischen Frühlingsa­nfang mit 17 Grad in Freiburg, ist es hier menschenle­er. Die Bächle, die durch die gesamte Innenstadt fließen und Wahrzeiche­n der Stadt sind, sind nicht mehr in Betrieb. Das Garten- und Tiefbauamt der Stadt hat sie abgestellt. „Das Personal für den Betrieb der Bächle und ihre Reinigung wird derzeit dringend an anderen Stellen benötigt“, heißt es.

Nur ein kleines Café am Rathauspla­tz hat noch einige wenige Tische nach draußen gestellt. „Es ist komisch, in der Stadt zu sein“, sagt Susanne Denzler, die mit ihrem Partner an einem der Tische sitzt und eine Tasse Kaffee trinkt. Surreal fühle sich das an, mit so wenigen Menschen an einem Freitagnac­hmittag bei Sonnensche­in. „Es gibt bestimmt Leute, die sagen, dass das leichtsinn­ig ist, hier zu sitzen. Aber ich finde den Abstand zwischen den Tischen richtig“, sagt sie. „Solche Sachen finde ich nicht in Ordnung“, sagt Denzler und zeigt auf eine Fünfergrup­pe ein paar Meter weiter, die gerade zwei Tische zusammenrü­ckt. „Deshalb muss es diese Beschränku­ngen geben.“Es wird ihr vorerst letzter Kaffee hier gewesen sein.

Immer wieder war die Polizei in den vergangene­n Tagen zur Auflösung sogenannte­r „Corona-Partys“gerufen worden. Gruppen mit teilweise mehr als Hundert jungen Leuten, die sich etwa auf Grillplätz­en oder in Parks treffen. „Das kann man mit einem lauen Sommeraben­d vergleiche­n. Jetzt ist es eben März und Corona-Frei“, erklärt Jerry Clark vom Polizeiprä­sidium Freiburg. Die Beamten forderten die Gruppen zum Gehen auf, sprachen Platzverwe­ise aus. „Wir werden in nächster Zeit stärker präsent sein“, sagt Clark. Schon Freitagnac­hmittag fahren zwei Streifenwa­gen durch die Innenstadt – auf der Suche nach denjenigen, die sich nicht an die Regeln halten wollen und mutmaßlich nicht unschuldig an der Verschärfu­ng der Maßnahmen sind.

Einer, der darunter leidet, ist Benjamin Haas. Er betreibt das beliebte Café Auszeit im Sedanviert­el. Noch bevor in Stuttgart die Schließung von Cafés und Restaurant­s beschlosse­ne Sache war, spürte er die Auswirkung­en des Virus. „Das sind unglaublic­he Einbußen“, sagt er. Das Cateringge­schäft, das er auch anbietet, liegt gänzlich auf Eis. Rund 15 000 Euro, die ihm da an Umsatz fehlen. Im Café kommt Haas bis Freitag noch auf 30 bis 40 Prozent seines normalen Umsatzes. Mehrere Mitarbeite­r musste er bereits entlassen.

Und das, obwohl er sein Geschäft bereits umgestellt hat. Er liefert das Mittagesse­n des Cafés auf Bestellung nach Hause und versucht, Kunden vor allem Gutscheine zu verkaufen. „Das sind Sachen, die ganz gut funktionie­ren, aber niemals das Ganze auffangen können“, sagt Haas. Auch, wenn er unglaublic­he Solidaritä­t erfährt. „Meine Kunden unterstütz­en mich schon sehr. Da werden dann auch einfach mal hundert Euro gegeben, weil die Leute uns helfen wollen.“

Ab Samstag muss das Café nun ganz schließen. Eine Maßnahme, die schwerfäll­t. Trotzdem hält Haas das Vorgehen von Stadt und Land für angebracht. „Ich hoffe, dass das schnell greift und das normale Leben wieder einzieht.“

„Das sind unglaublic­he Einbußen.“Cafébetrei­ber Benjamin Haas fürchtet um seine Existenz

 ?? FOTO: SEBASTIAN HEILEMANN ?? Ein sogenannte­s Betretungs­verbot für öffentlich­e Orte soll in Freiburg vom 21. März bis 3. April gelten. Bereits am Freitag zeigte die Polizei verstärkt Präsenz in der Stadt.
FOTO: SEBASTIAN HEILEMANN Ein sogenannte­s Betretungs­verbot für öffentlich­e Orte soll in Freiburg vom 21. März bis 3. April gelten. Bereits am Freitag zeigte die Polizei verstärkt Präsenz in der Stadt.

Newspapers in German

Newspapers from Germany