Freiburg im Stillstand
Wie die Maßnahmen gegen das Coronavirus die Breisgaustadt verändern
GFREIBURG - In ganz Süddeutschland schließen ab Samstag nun auch Restaurants und Cafés, mehr als zwei bis drei Personen dürfen sich nicht mehr gemeinsam auf öffentlichen Plätzen aufhalten. Eine Ausgangssperre „light“im Kampf gegen das Coronavirus. Doch bereits vor Inkrafttreten der Verordnung hinterlässt die Krise in der 220 000-Einwohner-Stadt Freiburg deutliche Spuren. Seit einer Woche schläft das öffentliche Leben der Großstadt ein – Stück für Stück.
Am Freitag sind die Maßnahmen, mit denen Freiburgs Oberbürgermeister Martin Horn der Landesregierung am Donnerstagabend zuvorkam, noch nicht in Kraft. Doch die Breisgaustadt scheint jetzt schon wie ausgestorben. In den Straßenbahnen fährt nur noch eine Handvoll Menschen. Um mindestens 60 Prozent sind die Fahrgastzahlen innerhalb von einer Woche gesunken, heißt es von der Freiburger Verkehr AG. Es sind kaum noch Menschen unterwegs – nicht einmal auf dem sonst gut besuchten Wochenmarkt auf dem Münsterplatz. Rot-weißes Absperrband haben einige Beschicker um ihre Gemüsestände gespannt – ein Schutzkorridor vor dem Virus. Die meisten Cafés haben bereits geschlossen – auch wenn das Verbot der Landesregierung erst ab Samstag in Kraft tritt. Im sogenannten „Bermuda Dreieck“, in dem sich viele kleine Bars, Cafés und Restaurants aneinanderreihen, sind die Tische und Stühle aufeinandergestapelt unter Abdeckplanen. Schon bei halbwegs gutem Wetter stehen die Menschen hier Schlange für einen Platz. Am Freitag, dem meteorologischen Frühlingsanfang mit 17 Grad in Freiburg, ist es hier menschenleer. Die Bächle, die durch die gesamte Innenstadt fließen und Wahrzeichen der Stadt sind, sind nicht mehr in Betrieb. Das Garten- und Tiefbauamt der Stadt hat sie abgestellt. „Das Personal für den Betrieb der Bächle und ihre Reinigung wird derzeit dringend an anderen Stellen benötigt“, heißt es.
Nur ein kleines Café am Rathausplatz hat noch einige wenige Tische nach draußen gestellt. „Es ist komisch, in der Stadt zu sein“, sagt Susanne Denzler, die mit ihrem Partner an einem der Tische sitzt und eine Tasse Kaffee trinkt. Surreal fühle sich das an, mit so wenigen Menschen an einem Freitagnachmittag bei Sonnenschein. „Es gibt bestimmt Leute, die sagen, dass das leichtsinnig ist, hier zu sitzen. Aber ich finde den Abstand zwischen den Tischen richtig“, sagt sie. „Solche Sachen finde ich nicht in Ordnung“, sagt Denzler und zeigt auf eine Fünfergruppe ein paar Meter weiter, die gerade zwei Tische zusammenrückt. „Deshalb muss es diese Beschränkungen geben.“Es wird ihr vorerst letzter Kaffee hier gewesen sein.
Immer wieder war die Polizei in den vergangenen Tagen zur Auflösung sogenannter „Corona-Partys“gerufen worden. Gruppen mit teilweise mehr als Hundert jungen Leuten, die sich etwa auf Grillplätzen oder in Parks treffen. „Das kann man mit einem lauen Sommerabend vergleichen. Jetzt ist es eben März und Corona-Frei“, erklärt Jerry Clark vom Polizeipräsidium Freiburg. Die Beamten forderten die Gruppen zum Gehen auf, sprachen Platzverweise aus. „Wir werden in nächster Zeit stärker präsent sein“, sagt Clark. Schon Freitagnachmittag fahren zwei Streifenwagen durch die Innenstadt – auf der Suche nach denjenigen, die sich nicht an die Regeln halten wollen und mutmaßlich nicht unschuldig an der Verschärfung der Maßnahmen sind.
Einer, der darunter leidet, ist Benjamin Haas. Er betreibt das beliebte Café Auszeit im Sedanviertel. Noch bevor in Stuttgart die Schließung von Cafés und Restaurants beschlossene Sache war, spürte er die Auswirkungen des Virus. „Das sind unglaubliche Einbußen“, sagt er. Das Cateringgeschäft, das er auch anbietet, liegt gänzlich auf Eis. Rund 15 000 Euro, die ihm da an Umsatz fehlen. Im Café kommt Haas bis Freitag noch auf 30 bis 40 Prozent seines normalen Umsatzes. Mehrere Mitarbeiter musste er bereits entlassen.
Und das, obwohl er sein Geschäft bereits umgestellt hat. Er liefert das Mittagessen des Cafés auf Bestellung nach Hause und versucht, Kunden vor allem Gutscheine zu verkaufen. „Das sind Sachen, die ganz gut funktionieren, aber niemals das Ganze auffangen können“, sagt Haas. Auch, wenn er unglaubliche Solidarität erfährt. „Meine Kunden unterstützen mich schon sehr. Da werden dann auch einfach mal hundert Euro gegeben, weil die Leute uns helfen wollen.“
Ab Samstag muss das Café nun ganz schließen. Eine Maßnahme, die schwerfällt. Trotzdem hält Haas das Vorgehen von Stadt und Land für angebracht. „Ich hoffe, dass das schnell greift und das normale Leben wieder einzieht.“
„Das sind unglaubliche Einbußen.“Cafébetreiber Benjamin Haas fürchtet um seine Existenz