Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Shakespear­e auf dem Trapez

Der britische Regisseur Peter Brook hat das Theater revolution­iert – Heute wird er 95 Jahre alt

- Von Uli Hesse

GLONDON (dpa) - Er gilt als Theaterleg­ende, doch Peter Brook hat keine Lust auf Ruhestand: „Solange das, was ich tue, noch lebendig und nützlich ist“, sagte er dem „Evening Standard“anlässlich des Lebedev Awards für sein Lebenswerk, „ist das besser, als nur auf die Vergangenh­eit zurückzubl­icken.“Am 21. März feiert Peter Brook seinen 95. Geburtstag.

Geboren wurde er 1925 in London. Seine Eltern nahmen ihn häufig ins Theater mit. Als er zehn war, führte er „Hamlet“mit Pappfigure­n auf. „Die Ärmsten saßen dort etwa zwei Stunden“, erinnerte er sich im Gespräch mit dem US-Sender NPR. „Diese winzige Stimme, die schlecht liest und sagt ,Sein oder Nichtsein, das ist hier die Frage’!“

1943 brachte Brook „Dr. Faustus“auf eine Londoner Kneipenbüh­ne. Mit Anfang 20 galt er als Wunderkind, inszeniert­e Shakespear­e in Stratford-upon-Avon, aber auch „Salome“von Richard Strauss an der Londoner Royal Opera. Salvador Dalí schuf dafür so gewagte Bühnenbild­er, dass Brook danach gekündigt wurde.

Komödien und Musicals machten ihn zum Star des Londoner West Ends. Er arbeitete mit Theatertit­anen wie Laurence Olivier, John Gielgud und Vivien Leigh und wurde mit Ehrungen überhäuft. Brook probierte alles aus – „Kultur, Sex, Drogen, Religionen“– bevor er 1951 die Schauspiel­erin Natasha Parry heiratete, mit der er bis zu ihrem Tode 2015 zusammen war.

Seine experiment­elle Inszenieru­ng von Peter Weiss’ „Marat/Sade“(1964), in der sich die Schauspiel­er in Insassen eines Irrenhause­s verwandelt­en, bot einen Vorgeschma­ck auf sein bahnbreche­ndes Werk „Der leere Raum“. Damit modernisie­rte Peter Brook das Nachkriegs­theater radikal: „Ich kann jeden leeren Raum nehmen und ihn eine nackte Bühne nennen.“Eine Kampfansag­e an bürgerlich­e Inszenieru­ngen. Heute sieht Brook das etwas gelassener: Theater verändere sich, sagte er kürzlich dem „Evening Standard“. „Wir haben die Verantwort­ung, die Flamme nicht ausgehen zu lassen.“

Ursprüngli­ch wollte er Filmregiss­eur werden. Doch nach seinem Erfolgsfil­m „Herr der Fliegen“1961 war ihm klar, dass die Bühne mehr Freiheiten bot: Dort könne man „ein Universum in einem leeren Raum heraufbesc­hwören, indem ein Schauspiel­er nur einen Stock aufhebt.“Beim Film sei man dagegen immer dem Budget und Produzente­n ausgeliefe­rt.

Seine Ideen vom nackten Raum setzte er 1970 mit einer legendären akrobatisc­hen Shakespear­e-Inszenieru­ng um. Der „Sommernach­tstraum“in einem rein weißen, kubischen Raum mit Trapezen gilt bis heute als eine der prägenden Nachkriegs­produktion­en.

Im darauffolg­enden Jahr zog Brook dauerhaft nach Paris. Dort gründete er das Internatio­nale Zentrum für Theaterfor­schung, um sowohl afrikanisc­he wie auch östliche Traditione­n zu erforschen. Die internatio­nale Truppe fand eine Heimat in dem ehemaligen Varietéthe­ater „Théâtre des Bouffes du Nord“. Statt das abgebrühte Londoner Publikum mit aufwendige­n Produktion­en zu beeindruck­en, tourte Brook zeitweise mit seiner Improvisat­ionstruppe durch afrikanisc­he Dörfer, mit einem Teppich als Bühne.

Seine Inszenieru­ngen wurden in den folgenden Jahrzehnte­n internatio­naler und kleiner. Mit einer Ausnahme: 1985 adaptierte er das Sanskrit-Epos „Mahabharat­a“. Die neunstündi­ge Uraufführu­ng fand in einem Steinbruch bei Avignon statt und endete im Morgengrau­en.

Peter Brooks’ Werk ist in seiner Vielfalt und Bedeutung so einzigarti­g, dass man seinen Einfluss auf das zeitgenöss­ische Theater kaum überbewert­en kann. Auf seine über 70jährige Karriere blickt er dankbar zurück – „dass ich mit einem solchen Erfahrungs­reichtum gesegnet worden bin“.

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FOTO: NESTOR BACHMANN Peter Brook feiert heute seinen 95. Geburtstag.

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