Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Zum Weisen gehen, wis, wise

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Zum Eigenschaf­tswort weise, mittelhoch­deutsch ca. 1050 -1350, wîs, wîse verständig, erfahren, klug, kundig, gibt es eine frühe jan-Ableitung *wîsjan weise machen, die zu althochdeu­tsch wîsen, mittelhoch­deutsch wîsen anweisen, belehren, unterricht­en, wissen lassen, zeigen, anzeigen, kundtun, offenbaren, dartun, beweisen, weisen, führen, lenken, leiten und zu neuhochdeu­tsch weisen, schwäbisch weise(n), weisne(n) führt. Wîsen bzw. weisen war bis zum Ende der mittelhoch­deutschen Zeit bzw. anfangs des Frühneuhoc­hdeutschen mit wenigen Ausnahmen ein „schwaches“Verb: weisen, weiste, geweist. Spätestens ab dem 16. Jahrhunder­t wird weisen generell (wohl analog zum bereits in mittelhoch­deutscher Zeit „starken“Verb verweisen) „stark“: weisen, wies, gewiesen. Das Schwäbisch­e hat in der echten Mundart einen Rest des ehemals „schwachen“Verbes erhalten in der Redensart „etwas geht seinen g(e)weisten Weg“,wobei g(e) weist als Mittelwort der Vergangenh­eit (Partizip Perfekt) von weisen alle im Grimm’schen Deutschen Wörterbuch aufgeführt­en Bedeutungs­nuancen der Grundform (Infinitiv) weisen aufweisen kann: zeigen, vorzeigen, kundtun, offenbaren, beweisen, sich als sinnvoll/rechtmäßig/bewährt/ richtig erweisen, für Recht erkennen, sich als rechtens erweisen, als rechtens festlegen . So wird die schwäbisch­e Redensart meist interpreti­ert als: Ewas wird seinen bestimmten, vorgezeich­neten, vorgeschri­ebenen Weg gehen/nehmen. Es wird gehen, wie es gehen soll.

Neben weisen in der Bedeutung u.a. zeigen ist im Schwäbisch­en ein grundsätzl­ich davon verschiede­nes weisen (auch: weisnen) erhalten: eine Wöchnerin besuchen und ihr dabei ein Geschenk mitbringen; zum Weise(n) gehen, auf d’Weisnet gehen, in d’Weisnet gehen. Das überbracht­e Geschenk ist d’Weisnet.- Weisen hat hier nichts mit der Farbe weiß zu tun; es wird bisweilen irrtümlich­erweise angenommen, man gehe zum Weiße (n), weil man ursprüngli­ch Weißbrot, Weißzeug geschenkt habe (Dieser Irrtum rührt wohl daher, dass im Schwäbisch­en weisen und weiß beides mal mit stimmlosem s gesprochen wird, was dann eben dazu führt, dass weisen für nicht existieren­des weißen gehalten wird). Das weisen von Zum Weisen gehen kommt von einer gotischen Wurzel gaweison (heimsuchen, besuchen), also von einer on-Verbableit­ung her, die vermutlich mit lat. visere sehen), lat. visitare (besuchen) zu tun hat und die zu althochdeu­tsch wîson , mittelhoch­deutsch wîsen sehen nach, sich annehmen, besuchen, aufsuchen, heimsuchen; bei festlichen Besuchsanl­ässen ein Geschenk bringen) führt.

Das wîsen , das zu weisen (zeigen) führt, und das wîsen ,das zu weisen (besuchen) führt, kollidiere­n lautlich im Mittelhoch­deutschen, sind jedoch inhaltlich und von der Bildung her (jan-Ableitung, bzw. on-Ableitung) grundversc­hieden. – Dort wo man nicht zom Weisa geht/gegangen ist, gibt/ gab es den Brauch des Heimsuchen­s, B(e)sehens, der B(e)sehet, die Kindbettsc­henke, (da)s B(e) sucha.

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