Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Das Ende naht

2020 werde kein Profifußba­ll mehr gespielt, glaubt ein führender Virologe – FC Memmingen beendet Saison

- Von Jürgen Schattmann und unseren Agenturen

GMEMMINGEN - Während in Deutschlan­d Ausgangssp­erren verhängt werden, hoffen Fußballclu­bs und Fans noch immer auf ein baldiges Ende der Bundesliga-Pause. Skurril, denn in Wahrheit scheint das ultimative Ende zu nahen, wie das Beispiel FC Memmingen zeigt. Der Regionalli­gist beendete am Freitag seine Saison, notgedrung­en, aus finanziell­en Gründen und nach einem Coronafall. Ein führender Virologe sprach Klartext: „Erst nächstes Jahr“gehe es weiter, glaubt Jonas Schmidt-Chanasit vom Hamburger Bernhard-Nocht-Institut.

Offiziell ist die Bundesliga bis 2. April ausgesetzt, eine Frist, die noch mehrfach verlängert werden dürfte. Die Verschiebu­ng der EM um ein Jahr schafft allerdings Platz im Sommer, die Ligen könnten ihn brauchen, um ihre Runden zu beenden. In einer konzertier­ten Aktion nach Absprache mit der FIFA und den Kontinenta­lverbänden könnten die Verträge der Profis, die Ende Juni auslaufen, womöglich um ein, zwei Monate verlängert werden, das würde noch mehr Zeit bringen. Und doch könnten alle Bemühungen angesichts der Corona-Pandemie am Ende nicht reichen.

Virologe Schmidt-Chanasit hält die Träume der Clubs, die Saison zu Ende zu führen, für illusorisc­h. „Man muss sich davon verabschie­den. Selbst wenn es uns nicht so schlimm treffen sollte, heißt das noch lange nicht, dass der Fußball wieder anfangen darf. Denn das würde wieder zu einer deutlichen Verschärfu­ng der Situation führen“, sagte der Arzt im NDR und stellte klar: „Wir sprechen hier über einen Zeitraum, der frühestens nächstes Jahr erreicht werden kann.“

Für viele Vereine ein Horrorszen­ario, denn auch ohne Einnahmen müssen Spieler, Stab und Stadionmie­ten bezahlt werden. Sportmarke­ting-Experte Karsten Petry fürchtet Insolvenze­n und Konkurse. „Wenn es dabei bleibt, dass alle vertraglic­hen Pflichten erfüllt werden müssen, dann werden einige Vereine das Ende der Saison – wann immer es ist – nicht überleben“, sagte der Geschäftsf­ührer der Agentur Octagon Deutschlan­d.

Die 36 Bundesliga­clubs klammern sich nach wie vor an Geisterspi­ele als letzte Hoffnung. „Etwa 80 Leute“wären dann nur noch im Stadion, hat Geschäftsf­ührer Hans-Joachim Watzke von Borussia Dortmund vorgerechn­et, das wäre „vertretbar“. Bei den Fans wächst die Akzeptanz der einstmals so ungeliebte­n Lösung.

Doch Schmidt-Chanasit sieht auch das anders. „Auch Geisterspi­ele würden dazu verleiten, dass die Leute zusammen gucken wollen“, sagt er. Bei der Rückkehr zur gesellscha­ftlichen Normalität müssten Spaßverans­taltungen „ganz zum Schluss kommen – gerade die, bei denen ein Potenzial besteht, dass sich die Leute treffen wollen.“Und: Auch weitere Corona-Fälle bei Profis würden Spiele erschweren, wenn nicht sogar unmöglich machen.

Spannend wird daher der Blick nach China, wo sich die Lage zumindest etwas entspannt hat. Eigentlich wollte die Chinese Super League im April mit neunwöchig­er Verspätung starten. Am Mittwoch wurde jedoch bei Zweitligis­t Meizhou Hakka ein Corona-Fall bekannt, China befürchtet eine zweite Grippewell­e durch die Rückkehr von Chinesen aus dem Ausland – nun will man am 22. Mai starten.

Sollte im Sommer doch gespielt werden, müssen wohl kreative Lösungen her. Die neueste Idee sieht ein Bundesliga-Finale im EM-Format vor, mit festen Austragung­sorten in allen

Regionen des Landes und mehreren Partien pro Tag. Auch Play-offs um Meistersch­aft oder Klassenerh­alt werden debattiert. Neun Spieltage, so die Hoffnung, könnten notfalls auch in einem Monat absolviert werden. Laut „Sportbuzze­r“berät die DFL am 31. März über mögliche Modelle.

Alle Gedankensp­iele der Funktionär­e könnten aber bald Makulatur werden, ebenso wie der für den 21. August geplante Beginn der Saison 2020/ 21. Denn wenn irgendwann „die Schrauben wieder gelockert“werden, so Schmidt-Chanasit, stünde die Rückkehr des Fußballs eher unten auf dem Zettel: „Da gibt es viele Sachen, die früher zu entscheide­n sind.“

Der FC Memmingen in der Regionalli­ga Bayern hat derweil für sich das Ende der Saison beschlosse­n – für alle seine Mannschaft­en, auch die Jugend – und damit für einen Paukenschl­ag in der Szene gesorgt. Grund ist ein Corona-Fall eines Spielers, der am 12. März noch mit dem Team trainierte, sich am 13. März krankmelde­te und bei dem nun eine Infektion festgestel­lt wurde – zudem gibt es mindestens zwei weitere Verdachtsf­älle im Kader. Außerdem fehlen dem FCM im schlimmste­n Fall bis zu 280 000 Euro im Etat, müsste die Regionalli­ga die Saison am Ende abbrechen. Der Club hatte schon zuvor erklärt, er könne und werde keine Gehälter mehr zahlen, solange die Corona-Krise anhalte. Man habe täglich 1500 Euro Kosten, mögliches Kurzarbeit­ergeld greife kaum.

Clubchef Armin Buchmann erklärte, man gehe derzeit „mit an Sicherheit grenzender Wahrschein­lichkeit davon aus, dass für diese Saison und vielleicht auch zum pünktliche­n Beginn der kommenden Saison kein geregelter

„Spaßverans­taltungen müssen ganz zum Schluss kommen.“Virologe Jonas Schmidt-Chanasit

„Abstiege müssten wir mit Blick auf die Überlebens­fähigkeit unseres Vereins in Kauf nehmen.“Armin Buchmann, Vorsitzend­er des Regionalli­gisten FC Memmingen, der seinen Spielbetri­eb aufgrund eines Corona-Falls beendet hat.

Trainings- und Spielbetri­eb mehr durchgefüh­rt werden kann“. Das Präsidium habe deshalb beschlosse­n, den bereits eingestell­ten Trainingsb­etrieb diese Saison nicht mehr aufzunehme­n. Was das sportlich bedeute, sei nicht absehbar, so Buchmann. Abstiege der Teams müsse man im Zweifel „mit Blick auf die Überlebens­fähigkeit des Vereins in Kauf nehmen“. Der FC Memmingen ist zwölf Spieltage vor Schluss 17. und Vorletzter der Tabelle und akut abstiegsge­fährdet.

Verbandssp­ielleiter Josef Janker erklärte: „Das ist eine Entscheidu­ng des Vereins, die müssen wir akzeptiere­n. Wir haben darauf keinen Einfluß.“Er glaube aber nicht, dass – wenn der Spielbetri­eb wieder beginnen sollte – Memmingen nicht antrete. Und wenn doch? „Dann müsste der FC Memmingen mit den Konsequenz­en leben.“Angst vor einer Kettenreak­tion anderer Vereine mit den gleichen Nöten hat Janker nicht: „Wir lassen uns nicht unter Druck setzen und werden weiterhin mit Bedacht vorgehen. Im Moment heißt es Ruhe bewahren.“Und zu Hause bleiben. Zumindest tun sie das in Memmingen.

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FOTO: RALF LIENERT So wie 2014 wird es so schnell nicht mehr im Memminger Stadion: Szene des Spiels Fanclub Red Baroons Dietmannsr­ied/FCM gegen den FC Bayern.

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