Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Sich-selbst-Erkunder, Glücklichm­acher

Ayrton Senna, dreimalige­r Formel-1-Weltmeiste­r aus São Paulo, wäre jetzt 60 Jahre alt

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SÃO PAULO (dpa) - Er wäre an diesem Samstag 60 Jahre alt geworden. Erst. In São Paulo, in ganz Brasilien würden sie sich mit ihm freuen. Erst recht in diesen Zeiten der CoronaPand­emie. Ayrton Senna konnte Menschen glücklich machen, ihnen ein Lächeln ins Gesicht zaubern. Ein Charismati­ker, der im Formel-1-Auto aber auch kompromiss­los sein konnte – und es vor allem war. Es werden aber keine Geburtstag­sfeiern, es wird ein Tag des Gedenkens. Senna ist seit fast 26 Jahren tot. Er starb am 1. Mai 1994 mit nur 34 Jahren.

„Wenn er nicht umgekommen wäre, wäre er heute vielleicht Präsident Brasiliens“, sagte Adrian Newey einmal. Der Brite ist fast Sennas Jahrgang. Newey ist mittlerwei­le 61 Jahre alt, er ist der Design-Guru der Motorsport-Königsklas­se, der damals auch den Wagen entworfen hatte, in dem Senna in Imola am schwarzen Wochenende der Formel 1 verunglück­t war. Nicht nur die Rennserie stand unter Schock, ein ganzes Land war bestürzt vom Tod des Piloten, der 1988, 1990 und 1991 im McLaren den WM-Titel geholt hatte.

Senna konnte 41 Rennen bei 161 Starts gewinnen. 65-mal stand der Südamerika­ner auf der Pole Position. Auch, als für ihn das letzte Mal die Roten Ampeln ausgingen und er am liebsten gar nicht angetreten wäre. Seine damalige Freundin Adriane Galisteu erzählte, er habe ein „ganz schlechtes Gefühl“für das Rennen gehabt. Der Unfalltod Roland Ratzenberg­ers am Tag zuvor und der schwere Crash von Landsmann Rubens Barrichell­o beim Trainingsa­uftakt des Grand Prix in Imola hatten die Lichtgesta­lt der Szene schwer getroffen. Der damalige Rennarzt Sid Watkins hatte Senna nach eigener Schilderun­g sogar überreden wollen, sofort zurückzutr­eten. „Was willst du noch beweisen?“, habe er Senna gefragt. Senna startete, verunglück­te in der Tamburello-Kurve und starb.

„Er hat das Rennfahren als Metapher für das Leben gesehen und er hat es genutzt, um sich selbst zu entdecken“, schreibt die Formel 1 auf ihrer Homepage über Senna. „Fasziniere­nd“sei diese Suche für ihn, sagte Senna einmal. „Jedes Mal, wenn ich pushe, entdecke ich mehr – jedes Mal.“Des gefährlich­en Widerspruc­hs

war sich Senna bewusst: „In dem Moment, in dem du der Schnellste geworden bist, bist du auch enorm zerbrechli­ch. Im Bruchteil einer Sekunde kannst du weg sein.“Extreme zwischen Leben und Tod, die für Ayrton Senna ein Weg zur Selbstfind­ung und Selbsterku­ndung waren.

Sennas Titel- und Siegbilanz sähen sicher anders aus, hätte sich dieses grauenvoll­e Wochenende in Imola nicht ereignet. Senna war einer, der die Grenzen verschob. Seinen lang ersehnten ersten Sieg beim Heimrennen schaffte er 1991 in São Paulo trotz schwerster Krämpfe. Senna konnte die letzten Runden nur noch im sechsten Gang fahren, das Getriebe im McLaren war hinüber. „Wenn man von 300 auf 70 Stundenkil­ometer herunterbr­emst, ohne heruntersc­halten zu können, dann schiebt der Motor mit voller Leistung weiter. Ich wollte schon aufgeben und wäre mehrmals beinahe abgeflogen“, berichtete er damals. Bei der Siegerehru­ng konnte der völlig erschöpfte Senna die Trophäe nur mit letzter Kraft nach oben stemmen.

Lewis Hamilton, der womöglich am Ende dieses Jahres sieben WMTitel – wie Michael Schumacher – erreicht haben wird, verehrt Ayrton Senna. Schumacher brach in Tränen aus, als er 2000 die 41 Rennsiege des einstigen Widersache­rs egalisiert­e. Senna sei aus vielerlei Gründen einer der Größten, meint auch Vierfach-Champion Sebastian Vettel: „Was er in so kurzer Zeit erreicht hat und wie präzise er hinter dem Lenkrad war, war einzigarti­g.“

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FOTO: AFP Ayrton Senna an jenem unseligen 1. Mai 1994 kurz vor dem Start zum Großen Preis von San Marino.

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