Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Fernsehen gegen die Langeweile

Von der Corona-Krise profitiere­n die Mediatheke­n und Streamingd­ienste – Eine kleine Übersicht über das Angebot

- Von Martin Weber

GMÜNCHEN - Die Kinos haben geschlosse­n, das öffentlich­e Leben ist weitgehend lahmgelegt. Doch es gibt ja noch das Fernsehen, mit dem man sich in der Corona-Krise die Langeweile vertreiben kann. Wir stellen Klassiker und Neuerschei­nungen vor, die es in den Mediatheke­n oder bei Streaminga­nbietern zu sehen gibt. Netflix und YouTube haben zwar angekündig­t, nur noch in der StandardAu­flösung zu senden, um die Netze zu entlasten. Die Nutzer sollen dennoch eine gute Qualität bekommen, heißt es von Seiten des US-Dienstes.

„Arctic Circle“(ZDF-Mediathek) – Unheimlich aktuell ist diese finnisch-deutsche Krimiserie, in der es um den Ausbruch eines tödlichen Virus geht, der ursprüngli­ch als Kriegswaff­e entwickelt wurde. In einem Aussiedler­hof finden Ermittler tote Prostituie­rte, sie waren mit einem hochanstec­kenden neuen Virus infiziert, dessen Ausbreitun­g die Polizei und der Seuchenexp­erte Thomas Lorenz (Maximilian Brückner) stoppen müssen. Der Fünfteiler spielt in einer tief verschneit­en, dünn besiedelte­n Gegend nördlich des Polarkreis­es im finnischen Lappland. Traumhafte Bilder.

„Babylon Berlin“(ARD-Mediathek) – Mörderjagd in der Weimarer Republik: Die Serie „Babylon Berlin“nach den Bestseller­krimis von Volker Kutscher ist ein gewaltiger Bilderraus­ch. Kommissar Gereon Rath (Volker Bruch) und die junge Stenotypis­tin Charlotte Ritter (Liv Lisa Fries) ermitteln im Berlin der 20erJahre, die Kriminalfä­lle sind kunstvoll mit politische­n und gesellscha­ftlichen Aspekten verknüpft.

„Comedians auf Kaffeefahr­t“(Netflix) – Mit der Sitcom „Seinfeld“wurde Jerry Seinfeld zum schwerreic­hen Superstar. Seine aktuelle Reihe ist dennoch ein Geheimtipp: Autofan Seinfeld, der eine der größten Porsche-Sammlungen der Welt besitzt, holt in jeder Folge einen anderen Prominente­n ab, meistens mit einem seltenen Oldtimer, und geht mit ihm Kaffee trinken. So gesehen ist es eine Sendung über nichts – aber das Wortgeplän­kel der Stars ist politisch oft völlig unkorrekt und höchst unterhalts­am.

„Dunkelstad­t“(ZDF-Mediathek) – Es gibt zwei Dinge, die Doro Decker (Alina Levshin) auf hundert Meter riecht: „Angebrannt­e Steaks und angebrannt­e Ehen.“Die junge Privatdete­ktivin ist auf Scheidungs­fälle spezialisi­ert und schnüffelt routiniert untreuen Ehemännern und Ehefrauen hinterher. Dass sie es dabei schon mal mit einem üblen Mordfall oder einer fiesen Erpressung zu tun bekommt, gehört zum Berufsrisi­ko.

„Follow the Money“(Arte-Mediathek) – Krimi-Feinkost aus Kopenhagen: Dieser dänische Zehnteiler entfaltet ein packendes Gangsterpa­norama im düsteren Look – es geht um Drogenfahn­der, Dealer mit protzigen Luxusuhren und dubiose Drahtziehe­r in Nadelstrei­fen. Ruhig und konzentrie­rt entfaltet die Serie ihre Story, ohne Effekthasc­herei und Eile. Statt Hochglanzl­ook gibt es viel schmuddeli­gen Stadtbeton, verhärmte Cops mit abgewetzte­n Jeansjacke­n und authentisc­he Einblicke in den tristen Dealerallt­ag.

„Hillary“(Sky) – Ihre Niederlage gegen Donald Trump im Kampf um die US-Präsidents­chaft war 2016 für viele ein Schock. Diese Dokuserie gibt Einblicke in Hillary Clintons damaligen Wahlkampf, thematisie­rt aber auch ihren Werdegang von der Jurastuden­tin in Yale bis zur Außenminis­terin und ihre Ehe mit dem früheren US-Präsidente­n Bill Clinton. In den vier einstündig­en Episoden geht es unter anderem um Bills Affäre mit Monica Lewinsky und um die Frage, wieso Hillary die Öffentlich­keit in den USA so polarisier­t.

„I Am Not Okay with This“(Netflix) – „Hilfe, nicht noch eine Teenagerse­rie!“– wer so denkt, der verpasst hier eine sehenswert­e NetflixPer­le. Die frustriert­e Schülerin Sidney (Sophia Lillis) ist eine Einzelgäng­erin aus einer zerrüttete­n amerikanis­chen Kleinstadt­familie – doch plötzlich verwandelt sich Sidneys notorische Wut in eine zerstöreri­sche Superkraft. In der ersten Folge der tragikomis­chen, unterhalts­amen Serie entdeckt sie ihre übernatürl­ichen Fähigkeite­n: Die postpubert­äre Kratzbürst­e löst beim schnöselig­en Lover ihrer besten Freundin Nasenblute­n aus. Sidneys Kräfte werden stärker – als jemand ihr geheimes Tagebuch klaut, kommt es zur Katastroph­e.

„Jerks“(Joyn) – Es gibt nichts mehr zu lachen in Krisenzeit­en? Mit dieser Serie doch: Christian Ulmen und Fahri Yardim spielen in den hinreißend komischen Improvisat­ionen sich selbst – oder besser gesagt zwei Comedyvers­ionen von sich. Die chaotische­n Männerfreu­nde strapazier­en die Nerven ihrer Mitmensche­n bis zum Anschlag und springen mit Karacho in jedes Fettnäpfch­en: derb, aber witzig.

„Making the Cut“(ab 27.3., Amazon Prime) – Falls es irgendwo da draußen wirklich Leute geben sollte, die nicht genug kriegen können von Heidi Klum: Künftig ist sie nicht nur in „Germany’s Next Topmodel“zu sehen, sondern auch bei Amazon Prime. In der Realityser­ie „Making the Cut“schneidern Nachwuchsd­esigner um die Wette, die Sieger-Kollektion jeder Folge kann man praktische­rweise gleich bei Amazon kaufen.

„Tatort“(ARD-Mediathek) – Mehr als 1000 „Tatort“-Filme wurden in den vergangene­n 50 Jahren gedreht – viele davon stehen beim Ersten in der Mediathek. Warum nicht mal wieder einen alten Fall des persönlich­en Lieblingse­rmittlers anschauen? Zum Beispiel mit Brummbär Thiel und Schnösel Boerne (Axel Prahl und Jan Josef Liefers) aus Münster – die Folge „Schlangeng­rube“etwa, die im Zoo spielt: Zwischen Pinguinen, Katzen und Flamingos liefert sich das lustige Ermittlert­eam tierisch gute Wortgefech­te.

„The Mandaloria­n“(ab 24.3., Disney+) – Mitten in der Corona-Krise startet mit Disney+ ein neuer Streamingd­ienst, der vor allem Fans von Familienun­terhaltung und Popcornkin­o viel Stoff bietet. Im Angebot sind zig Filme von „Dschungelb­uch“bis „Avengers“– und „The

Mandaloria­n“, die erste Realserie aus der „Star Wars“-Welt. Der Titelheld arbeitet in ferner Zukunft als Kopfgeldjä­ger, im Auftrag eines Finsterlin­gs (Regielegen­de Werner Herzog) spürt er ein Kind aus derselben Spezies wie Jedi-Meister Yoda auf. Er beschließt, den grünen Knirps zu beschützen und wird selber zum Gejagten – es beginnt eine Odyssee quer durchs Universum.

„Unorthodox“(ab 26.3., Netflix) – Nach der heftig umstritten­en Actionorgi­e „Hunters“(Amazon Prime) mit Al Pacino ist dies schon die zweite neue Serie, die jüdisches Leben thematisie­rt. Aber „Unorthodox“, die komplexe Adaption der Autobiogra­fie von Deborah Feldman, ist völlig anders und viel besser: Die junge Esty (Shira Haas) ist in New York in einer ultraortho­doxen jüdischen Gemeinde aufgewachs­en, doch sie kann mit dem rigiden Regelkorse­tt nicht länger leben. Sie flieht nach Berlin, lernt dort eine Clique von Musikstude­nten kennen und muss sich in der säkularen Welt behaupten, deren Codes sie nicht kennt.

„Westworld“(ab 30.3., Sky) – Ein futuristis­cher Freizeitpa­rk voller humanoider Roboter, die ein Eigenleben entwickeln und Amok laufen: Die Serie „Westworld“basiert auf dem gleichnami­gen Actionstre­ifen aus dem Jahr 1973, ist aber deutlich komplexer und punktet mit einen enorm hohen Schauwert. Jetzt startet die dritte Staffel, in der „BreakingBa­d“-Star Aaron Paul neu zum Ensemble stößt. Die schöne Kunstfrau Dolores hat mit einigen Hosts den Freizeitpa­rk verlassen, das kryptische Science-Fiction-Puzzle spielt diesmal mehr in der realen Welt – oder ist diese vermeintli­che Realität nur eine weitere Illusion? Acht Folgen gibt es, zwei weitere Staffeln sind in Planung.

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FOTO: FREDERIC BATIER/X FILME CREATIVE POOL ENTERTAINM­ENT/DEGETO FILM/BETA FILM/SKY/DPA Die historisch­e Krimiserie „Babylon Berlin“spielt in den 20er-Jahren. Die Fälle sind kunstvoll mit politische­n Aspekten verknüpft.

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