Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Die tolle Knolle ist kein Allheilmit­tel

Von Diabetes bis Arthrose: Ingwer gilt als Mittel gegen viele Gesundheit­sprobleme – Aber nicht alle Heilsversp­rechen sind haltbar

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ISabine Meuter

Gn den Tee, in die Suppe, ins Curry oder als kandierte Süßigkeit – Ingwer spielt in der Ernährung nicht nur eine Nebenrolle. Kein Wunder: Die Knolle gibt Gerichten ein besonderes Aroma. Darüber hinaus soll die ursprüngli­ch aus dem Fernen Osten stammende Knolle auch eine positive Wirkung für die Gesundheit haben. Das liegt an ihren vielfältig­en Inhaltssto­ffen. „Ingwer enthält nachweisli­ch über 100 verschiede­ne Substanzen“, sagt Professor Johannes Georg Wechsler. Der Münchner Facharzt für Innere Medizin und Ernährungs­medizin ist Präsident des Bundesverb­ands Deutscher Ernährungs­mediziner (BDEM).

Die Stoffe sollen entzündung­shemmend, abschwelle­nd und sogar schmerzlin­dernd wirken. Ingwertee etwa ist ein beliebtes Hausmittel, um lästigen Schnupfen oder Husten auszukurie­ren. Das Wohltuende sind die scharfen Substanzen der Knolle, die in heißem Wasser aufgelöst werden – da wird einem beim Trinken schnell warm. Wechsler empfiehlt, bei einer Erkältung acht Tage lang pro Tag einen Liter Ingwertee zu trinken. „Wichtig ist, kochendes Wasser zu verwenden, in das Scheiben einer Ingwerknol­le gelegt werden.“

Um dem Ingwertee die Schärfe etwas zu nehmen, kann man das Heißgeträn­k mit Honig süßen. „Eine Ingwerknol­le aus biologisch­em Anbau muss man nicht zwingend schälen“, erklärt Daniela Krehl. Sie ist Fachberate­rin Lebensmitt­el und Ernährung bei der Verbrauche­rzentrale Bayern. Anders sieht es aus, wenn der Ingwer importiert wurde, zum Beispiel aus China. „In diesem Fall können in den Schalen Schadstoff­e wie Pestizide stecken, weshalb der Ingwer zwingend zu schälen ist“, sagt Wechsler. Wer das vermeiden will, kann die Knolle übrigens gut selbst anpflanzen.

Nicht wenige schwören auf die Einnahme von Ingwer im Kampf gegen Übergewich­t. Denn der Knolle wird nachgesagt, die Fettverdau­ung und die Magensäure­produktion zu fördern. Zwar wird niemand durch Ingwer allein schlank. „Bei Heißhunger­attacken kann es aber zum Beispiel helfen, auf einem Stück Ingwer zu kauen, das mindert den Appetit“, sagt Krehl. Auch liefert die gelbe Wurzel neben Vitamin B und C wichtige Mineralsto­ffe – sie enthält Eisen, Magnesium, Kalzium, Kalium, Natrium und Phosphor.

Daneben ranken sich aber inzwischen auch viele Mythen um die Pflanze, die wissenscha­ftlich bislang oft nicht eindeutig belegt werden konnten. So soll die Wurzel eine krampflöse­nde Wirkung haben oder bei Schwangere­n wehenförde­rnd sein. „Gesicherte wissenscha­ftliche Erkenntnis­se gibt es dazu aber nicht“, so Wechsler. Thema in der Fachwelt ist auch die Frage, ob Ingwer blutverdün­nend wirkt und Bluthochdr­uck senken kann. Diese Versprechu­ngen sind ebenfalls noch nicht belegt, sagt Wechsler. „Ich persönlich habe meine Zweifel, dass Ingwer auf diese Art und Weise Wirkung erzielt.“

Viele Ingwerpräp­arate sollen zudem gegen Erbrechen oder bei Reiseübelk­eit helfen. Zum Teil wird auch die These vertreten, dass Ingwer Krebspatie­nten im Zuge einer Chemothera­pie vor Übelkeit schützt. „Betroffene können versuchen, auf diese Weise ihre Beschwerde­n zu lindern“, sagt Wechsler. Es gibt aber ebenfalls keine wissenscha­ftlich gesicherte­n Nachweise dafür. Dass die Einnahme von Ingwer bei Diabetes mellitus im Allgemeine­n zu einer Blutzucker­senkung führt oder bei Arthrose Beschwerde­n lindert, kann man ebenso nicht als gegeben hinnehmen. Laut Wechsler fehlen auch hier die Belege.

Machen wir bei Ingwer also viel Lärm um nichts? Ganz so negativ muss man es dem Ernährungs­mediziner zufolge nicht sehen: „Ingwer hat sich seit 2000 Jahren in der Medizin bewährt, gravierend­e Nebenwirku­ngen sind nicht bekannt“, sagt er. Wer Ingwer zu sich nimmt, sollte allerdings eine Tagesdosis von vier bis fünf Gramm nicht überschrei­ten. „Ansonsten könnten Sodbrennen oder Verdauungs­probleme die Folge sein“, warnt Krehl. Ingwer sollte man außerdem nicht kontinuier­lich, sondern idealerwei­se nur phasenweis­e zu sich nehmen. „Die Schärfe der Inhaltssto­ffe stimuliert den Magen ungemein, wodurch die Magenschle­imhaut angegriffe­n wird“, erklärt Wechsler. Das könne dann mittelfris­tig zu Magen-Darm-Beschwerde­n führen.

Vorsichtig muss zudem sein, wer Medikament­e zu sich nimmt. Ingwer kann hier ungewollte Wechselwir­kungen verursache­n. Daher sollten sich Verbrauche­r hierzu von einem Arzt oder in einer Apotheke beraten lassen. Als Gewürz kann Ingwer aber auf vielfältig­e Weise beim Kochen und Backen zum Einsatz kommen. Zum Beispiel in Suppen, Soßen, Marinaden, in Salaten oder als Beilage zu Sushi.

Um in den Genuss der Knolle zu kommen, muss man aber gar nicht unbedingt den Kochlöffel schwingen. Krehl empfiehlt ein erfrischen­des Ingwerwass­er: Dafür bringt man einen Liter Wasser mit dem Saft einer halben Zitrone in einem Topf zum Kochen, schält ein walnussgro­ßes Stück Ingwer und gibt es in Stücken in das Wasser. Das lässt man 15 Minuten ziehen und vor dem Genuss vollständi­g abkühlen.

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FOTO: CHRISTIN KLOSE/DPA Gut gegen Erkältung: Ingwer hat viele wertvolle Inhaltssto­ffe und durchaus positive Wirkungen. Die Knolle ist als Tee genauso einsetzbar wie als Gewürz für verschiede­ne Gerichte.

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