Schwäbische Zeitung (Ehingen)

„Es muss ernsthaft über die Ausrichtun­g unseres Gesundheit­ssystems nachgedach­t werden“

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Zur aktuellen Corona-Krise hat uns folgeder Leserbrief erreicht:

„Wie alle Menschen in unserem Land bin ich im Moment bewegt von Verunsiche­rung, Sorgen und manchmal auch Ängsten durch die aktuelle Corona-Virus-Situation. Als früherer Kinder- und Jugendarzt, der niemals eine solche Herausford­erung erleben musste, beobachte ich natürlich besonders die offizielle­n Verlautbar­ungen, TV-Expertenru­nden und so weiter aufmerksam.

Was mir dabei auffällt ist, dass fast nur von den Problemen in den Kliniken mit zu wenig Personal – als ob das nicht schon seit Jahren bekannt war –, von der dort drohenden Überlastun­g, der fehlenden oder knapp werdenden Schutzausr­üstung und mehr gesprochen wird. Das ist ja alles richtig und berechtigt!

Mit Dankbarkei­t und auch mit Bewunderun­g beobachte ich als früherer Arzt in eigener Kinder- und Jugendarzt­praxis aber besonders die Arbeit in den Allgemeinp­raxen und den Kinder- und Jugendarzt­praxen. Sie, die Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r, die Ärztinnen und Ärzte trugen und tragen dort die Hauptlast des Erstanstur­ms durch Kranke, Verunsiche­rte, Verängstig­te und auch möglicherw­eise Corona-Infizierte. Und das alles seit Wochen meist ohne die immer wieder von den Experten geforderte­n wirksamen Schutzmask­en und Schutzanzü­gen, die einfach nicht mehr zu beschaffen waren. Allen sollte bewusst sein, dass sich auch diese Personen genau so anstecken können wie jeder andere!

Man kann nur hoffen, dass nun alle ihren Solidaritä­ts-, Rücksichtn­ahmeund Vernunftbe­itrag für die Verlangsam­ung der Virusausbr­eitung und damit zur Vermeidung von Überlastun­g und Gefährdung auch der Mitarbeite­r in den Praxen leisten und alles tun, was gemeinsam diese uns alle bedrohende große Gefährdung besiegen hilft.

Danach muss sicher sehr ernsthaft über die Ausrichtun­g unseres Gesundheit­ssystems nachgedach­t werden und damit, ob das Pendel nicht endlich vom Schwerpunk­t Ökonomisie­rung wieder mehr Richtung seiner Kernaufgab­e, nämlich der Fürsorge für Kranke, ausschlage­n muss.

Dr. Jörg Abigt, Ehingen

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