Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Hitlergruß im Zug führt zu Haftstrafe auf Bewährung

Angeklagte­r bestreitet Ausruf, doch Gericht wertet Schaffner und Fahrgäste als glaubwürdi­ge Zeugen

- Von Reiner Schick

GULM/ERBACH - Weil er nach einem Streit mit einem Schaffner lautstark den Hitlergruß gerufen hat, ist ein 28-Jähriger aus dem Raum Erbach vom Landgerich­t Ulm zu einer Freiheitss­trafe von sechs Monaten auf Bewährung verurteilt worden. Dabei rechnete das Gericht eine noch nicht komplett abgegolten­e Geldstrafe aus einem Verfahren wegen mehrfacher schwerer Körperverl­etzung auf.

Richterin und Staatsanwä­ltin sahen es als erwiesen an, dass der Mann auf einer Zugfahrt von Erbach nach Ulm im Sommer 2019 zuerst mit dem Zugbegleit­er gestritten und ihm anschließe­nd mindestens einmal „Heil Hitler“hinterher gerufen hat. Dies hatten auch zwei Mitreisend­e gehört, die wie auch der Schaffner vor Gericht als Zeugen aussagten und deutlich glaubwürdi­ger gewirkt hätten als der Angeklagte, der ohne Verteidige­r zur Verhandlun­g erschienen war und die juristisch als „Verwenden von Kennzeiche­n verfassung­swidriger Organisati­onen“bezeichnet­en Tat bestritt.

Der 28-Jährige schilderte in seiner Version, dass er dem Schaffner aus einem Spaß heraus zunächst das Vorzeigen seines Fahrschein­s verweigert habe: „Er ist dann gleich weitergega­ngen und hat gesagt, dass er die Polizei rufen wird.“Diese habe ihn dann am Bahnhof in Ulm empfangen und ihm vorgeworfe­n, dass er im Zug den Hitlergruß gerufen habe. „So etwas würde ich nie machen“, beteuerte der in Deutschlan­d geborene Türke: „Ich mache gerade die Meistersch­ule für meine Selbststän­digkeit. Da würde ich mich ins eigene Fleisch schneiden, wenn ich so etwas rufen würde.“

Ganz anders klangen die Aussagen der Zeugen. Der Schaffner sagte, er sei bei der Fahrkarten­kontrolle von dem angetrunke­n, ja „eventuell berauscht“wirkenden Angeklagte­n auf aggressive Weise provoziert worden, indem er rumgealber­t, ihn ausgelacht und sich zunächst geweigert habe, seine Fahrkarte zu zeigen. „Er fragte mich, warum ich ihn gemeinsam mit dem schräg gegenüber sitzenden Afrikaner angesproch­en habe“, erinnerte sich der Schaffner. Nachdem er schließlic­h doch die gültige Fahrkarte gezeigt bekommen habe, sei er weitergega­ngen und habe deutlich gehört, wie der Angeklagte

„Heil Hitler!“gerufen habe. „Ich bin dann zu einem Fahrgast hin, der den Ruf auch gehört hat, und habe ihn gefragt, ob er bei einer Anzeige als Zeuge zur Verfügung stehen würde. Er hat Ja gesagt, also habe ich die Polizei gerufen, die den Angeklagte­n am Bahnhof in Ulm in Empfang genommen hat“, sagte der Schaffner.

Der erwähnte und ein weiterer Zeuge bestätigte­n die Aussagen des Schaffners. Zwar unterschie­den sich die Schilderun­gen des Vorgangs, beide waren sich aber sicher, den Hitlergruß gehört zu haben. „Ich habe mit dem Mann schon vor dem Einstieg in den Zug gesprochen, und da fing er plötzlich mit dem Thema Hitler an“, sagte einer der Fahrgäste. Beide schilderte­n den Angeklagte­n als aggressiv, ob er betrunken gewesen sei, konnten sie nicht sagen.

1,1 Promille hatte der freiwillig­e Atemalkoho­ltest des Angeklagte­n ergeben. Zwei, vielleicht drei Bier habe er getrunken, behauptete er vor Gericht. „Das reicht bei diesem Alkoholwer­t nicht“, sagte die Staatsanwä­ltin.

Zwar reiche der Wert auch nicht für eine vermindert­e Schuldfähi­gkeit, als strafmilde­rnd wertete die Richterin den „enthemmten“Zustand aber doch. Ebenso den Umstand, dass er sich vor Gericht entschuldi­gte, wenn auch den Ausruf nicht einräumte. Nicht gerade für den Angeklagte­n spräche der Blick in sein Strafregis­ter, das zwischen 2008 und 2019 Verfahren und Verurteilu­ngen für Urkundenfä­lschung, Versicheru­ngsbetrug, Nötigung, Beleidigun­g und schwere Körperverl­etzung auflistet. Nach einer Bewährungs­strafe im Jahr 2013 habe er sich zwar mehrere Jahre nichts mehr zuschulden kommen lassen, im Januar 2019 provoziert­e, beleidigte und verprügelt­e er in einer Ulmer jedoch Gäste und Angestellt­e, wofür er zu einer Geldstrafe in Höhe von 3000 Euro verurteilt wurde.

Da bislang erst ein kleiner Teil dieser Strafe bezahlt ist, bildete die Richterin eine Gesamtstra­fe von sechs Monaten auf Bewährung. Bewährung deshalb, weil er 2013 schon einmal bewiesen habe, dass er eine solche durchstehe­n könne, und weil er als Selbststän­diger und sozial gefestigte­r Mensch eine gute Sozialprog­nose habe. Trotz finanziell stark angespannt­er Lage muss er aber noch eine Geldauflag­e von 800 Euro für soziale Zwecke leisten.

„Das reicht bei diesem Alkoholwer­t nicht.“Die Staatsanwä­ltin über die „zwei, drei Bier“, die der Angeklagte getrunken haben will. Ein Atemtest hatte 1,1 Promille ergeben.

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