Handwerksbetrieben geht es an die Substanz
Tobias Mehlich, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Ulm, informiert
GREGION - Die Corona-Krise geht an den Handwerksbetrieben in der Region nicht spurlos vorbei. Die wirtschaftliche Lage im Handwerk spitzt sich weiter zu, ist von der Handwerkskammer Ulm zu erfahren. Die Aufträge gehen zurück, bestimmte Hygieneregeln müssen eingehalten werden. Manche Betriebe mussten ganz schließen, darunter Friseure, für einige geht es um die Existenz. Die Handwerkskammer Ulm informiert auf ihrer Homepage stets über den neusten Stand und hat auch eine Hotline für die Betriebe eingerichtet. „Viele Handwerksbetriebe sorgen sich um die Fortführung und Zukunft ihres Betriebes“, sagt Tobias Mehlich, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Ulm.
Besonders betroffen seien derzeit Gewerke, die in der Lieferkette mit Produkten aus China arbeiten, wie beispielsweise Betriebe der Feinwerkmechanik im Metallhandwerk, heißt es vonseiten der Handwerkskammer Ulm. Zudem seien Gewerke beeinträchtigt, die über Veranstaltungen, Messen oder Hotels zu ihren Aufträgen kommen wie Gebäudereiniger, Tischler, Schreiner, Bäcker und Metzger.
So hätten viele handwerklichen Messebauer für die nächsten Monate 70 bis 90 Prozent ihres Auftragsvolumens verloren. Textilreiniger mit Hotellerieoder Gastronomie-Kunden gehen von bis zu 80 Prozent Umsatzrückgang aus. Das zeige eine Umfrage aller Handwerkskammern im Land unter den Mitgliedern. Bei Fleischereien und Bäckereien, die Catering anbieten oder Gastronomie und Kantinen beliefern, könne der Umsatzrückgang bei 30 Prozent und mehr liegen. Dementsprechend groß sei die Verunsicherung. Durch die kleinen Betriebsgrößen im Handwerk mit durchschnittlich sechs Beschäftigten könne schon der Ausfall von ein bis zwei Mitarbeitern dazu führen, dass der Betrieb praktisch stillsteht.
Im Gebiet der Handwerkskammer Ulm seien die Auftragsbücher zuletzt noch durchweg voll gewesen und die Betriebe hätten über ihre Kapazitätsgrenzen gearbeitet. „Jetzt brechen Umsätze ein und Aufträge werden in einem bislang noch nie dagewesenen Ausmaß storniert“, so Tobias Mehlich. „Oder Aufträge können nicht erfüllt werden, weil Lieferketten wegbrechen“oder weil Mitarbeiter fehlten, weil sie erkrankt sind. Das gehe massiv an die Substanz der
Betriebe im Handwerk, von denen viele nur begrenzte Rücklagen hätten. „Wenn die Einnahmen weiter ausbleiben und die Kosten weiterlaufen, droht Liquiditätsengpass und Insolvenz.“Deshalb sei es so wichtig, dass Handwerksbetriebe rasch und unbürokratisch Liquiditätshilfen erhalten, damit sie zahlungsfähig und der Wirtschafts- und Geldverkehr aktiv bleiben, erklärt Mehlich. „Und es ist wichtig, ihnen Instrumente wie etwa das Kurzarbeitergeld an die Hand zu geben, damit sie ihre Beschäftigten halten können.“
Schließlich müssten Handwerker in diesen Tagen auch maßgeblich dazu beitragen, die Grundversorgung in der Region aufrecht zu erhalten. „Das Handwerk sieht sich hier in besonderer Weise in der Pflicht und Verantwortung. Nach wie vor versorgen Bäcker, Metzger und Konditoren die Bevölkerung mit frischen Produkten, sind Sanitär-, Heizungsund Klimahandwerk sowie Elektriker weiter tätig, kümmern sich Textilund Gebäudereiniger um die jetzt erst recht notwendige Hygiene.“Umso entscheidender sei es, dass die Betriebe auch weitermachen können. Und umso wichtiger sei es auch, dass Kunden jetzt ihren Handwerker beauftragen. „Alles, was jetzt gekürzt wird, kommt bei uns nicht an. Abwärtsspiralen bricht man aber nicht durch Sparen und Kürzen, sondern durch Ausgeben und aktiv Bleiben im Wirtschaftsverkehr – selbstverständlich unter Beachtung aller hygienischen Maßnahmen“, betont Mehlich.
Schutzmaßnahmen gelte es in den Betrieben selbstverständlich zu beachten. „Wie in jeder Branche ist der Arbeitgeber nach dem Arbeitsschutzgesetz verpflichtet, die erforderlichen Maßnahmen des Arbeitsschutzes zu treffen, die die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten gewährleisten und ihm möglich und zumutbar sind. Hierzu zählen zum Beispiel regelmäßiges Desinfizieren und Waschen der Hände, Abstand halten, Gruppen meiden, Kleidungswechsel, die Anordnung von Heim-, Schicht-, oder Kurzarbeit.“Gleichzeitig, gibt Mehlich zu bedenken, würden die Kontaktbeschränkungen jedoch durchgängig die wirtschaftliche Situation der Unternehmen, auch im mittelständisch geprägten Handwerk, erschweren.
Die mittlerweile vom Bundestag und von der Landesregierung auf den Weg gebrachten Unterstützungsmaßnahmen für Betriebe und damit auch deren Arbeitsplätze seien notwendig, sachgerecht und angemessen, sagt Mehlich. „Die vorgesehenen Maßnahmen knüpfen durchgängig an die drängenden Problembereiche unserer Betriebe an – von der Liquiditätssicherung besonders auch für kleine Unternehmen bis hin zu notwendigen Erleichterungen, zum Beispiel im Zivil- und Insolvenzrecht und im Kurzarbeitergeld. Die massive Ausweitung der Nettoneuverschuldung ist eine alternativlose Vorauszahlung auf ein dann wieder gesundetes Land.“Gut sei auch, dass Betriebe jetzt in der Notlage während der Corona-Krise die Sozialversicherungsbeiträge zunächst für zwei Monate stunden lassen können, so Mehlich, der aber einschränkt: „Erwartet hätten wir gleichwohl weitere steuerliche Entlastungsschritte wie die Möglichkeit, auf Antrag die Umsatzsteuervoranmeldungen nur noch vierteljährlich erstellen zu müssen. Drängenden Handlungsbedarf sehen wir zudem für die wirtschaftliche Stabilisierung von beruflichen Bildungseinrichtungen, die für eine qualifizierte Ausbildung unverzichtbar bleiben. Auch die Frage der Anwendbarkeit von Kurzarbeitergeld für Azubis muss rasch geklärt werden.“