Von Ärzten aufgegeben, Solidaritäts-Welle im Netz
Ulmer kämpft mit alternativen Methoden gegen Hirntumor an – Aufruf bringt Tausende Euro, an einem Tag
GULM - Die Ärzte hätten ihn schon aufgegeben, schreibt seine Frau Karo Golias. Doch sie und ihr Mann Martin (33) wollten sich damit nicht abfinden. Das junge Ulmer Paar lies nichts unversucht und tatsächlich: Der als inoperabel und tödlich geltende Hirntumor des Ingenieurs sei zuletzt kleiner geworden. Im Netz wächst – ja explodiert – derweil die Solidarität. Bereits nach wenigen Stunden sind Tausende Euro für einen Aufenthalt in einer speziellen Einrichtung zusammengekommen.
Sommer 2019: Die Aussichten von Karo Golias und Martin Görz scheinen endlich wieder rosig. Sie beendet ihr Innenarchitektur-Studium („unerwartet erfolgreich“), er arbeitet bereits als Entwicklungsingenieur. Die beiden denken: „Jetzt geht das Leben los.“Sie wollen die Schattenseiten hinter sich lassen, mit denen sie auch schon Erfahrung gemacht hatten.
Wie Karo Golias auf der Spendenplattform www.gofundme.com mitteilt, litten sie und ihr Mann in früheren Zeiten jeweils an „seltsamen Zuständen“, an „Psychoattacken“. Es kam heraus, dass daran bei ihnen beiden – Karo Golias: „Für mich immer noch ein unfassbarer Zufall“– jeweils ein im Gehirn sitzender Tumor schuld sei. Weitere Folge: Sie sind beide auf einem Ohr taub.
Doch das Paar scheint Glück gehabt zu haben: Sie werden operiert, die Tumore entfernt (erst bei Martin, dann bei Karo). „Erstaunlich schnell“finden sie zurück ins Leben. Karo hat das Gefühl, „wir sind als Paar einfach unschlagbar“.
Doch dann der nächste Schlag, Herbst 2019. Nachdem bei Martin Görz wieder ein Hirntumor diagnostiziert worden sei, habe die Biopsie (Untersuchung) im November ergeben: Anaplastisches Astrozytom Grad 3, „inoperabel und weit ausgedehnt“, so Karo. Die Ärzte: seien pessimistisch gewesen. „Man sagte uns, diese Art Hirntumor sei nicht heilbar, alle geplanten Behandlungen seien lediglich lebensverlängernde Maßnahmen“, so Karo weiter auf gofundme.com. Anfang Dezember dann begannen stationäre Bestrahlung und Chemotherapie.
Nun erfährt das Paar eine unglaubliche Welle der Solidarität im Internet. An diesem Montag startete Karo Golias auf gofundme.com einen Aufruf. Sie bittet um finanzielle Unterstützung, damit ihr Mann unter anderem in einer speziellen Einrichtung weiter genesen könne. Denn kurz vor dem dritten Chemotherapiezyklus sei tatsächlich eingetreten, was beide erhofft, jedoch nicht unbedingt erwartet hätten. „Der Tumor ist kleiner geworden!“, so Karo Golias.
Sogar der Arzt sei überrascht gewesen und habe mitgeteilt, dass er so etwas bei dieser Tumorart selten erlebt habe. Für Karo und Martin Görz „der Beweis, dass unsere Bemühungen jenseits der regulären Behandlungen tatsächlich funktionieren“.
Am Dienstagabend – Tag 1 nach dem Aufruf – waren bereits 36 000 Euro zusammengekommen, gespendet von mehr als 500 Menschen.
Der große Erfolg binnen 24 Stunden hat sogar den Betreiber der Plattform auf den Plan gerufen. Ilka Franzmann von gofundme.com sagt der „Schwäbischen Zeitung“erstaunt, dass sie sich nicht daran erinnern könne, dass eine Kampagne, die nichts mit Aufrufen rund um das Coronavirus zu tun hat, zuletzt so schnell so viele Spender habe mobilisieren können. Die Resonanz auf den Ulmer Aufruf sei außergewöhnlich. Wie bei allen anderen Aufrufen auf gofundme.com sei aber auch in diesem Fall natürlich die Seriosität geprüft worden. Ilka Franzmann hat nichts auszusetzen am Spendenaufruf der Ulmer.
Das Ziel von Karo und Martin Görz sind 40 000 Euro (was sie in Rekordtempo geschafft haben werden). Wofür sie das Geld brauchen: für den Aufenthalt Martins im Stuttgarter 3EZentrum. Vier Wochen dort schlagen mit 12 000 Euro zu Buche. 20 000 Euro würden außerdem für eine Infusionstherapie mit biologischen Substanzen benötigt, 2000 Euro für Nahrungsergänzungsmittel, 2800 Euro für einen „Mental-Coach“und für Bionahrungsmittel 3000 Euro.
Im Stich gelassen fühlt sich das Paar von der etablierten Medizin. „Alle Ärzte, mit denen ich geredet habe, folgen strikt der Schulmedizin und geben Martin langfristig keine Chance.“Aber: „Diese Aussicht können und wollen wir nicht akzeptieren.“
Deshalb setzt das Ehepaar auf ein anderes Pferd: alternative, jedoch nicht unbedingt in der Breite etablierte Heilmethoden. Ihre eigenen Möglichkeiten, was die Alternativtherapien angeht, seien begrenzt. „In unserer kleinen Küche ohne Spülmaschine verbringe ich täglich mindestens vier Stunden, damit wir uns an den Ernährungsplan inklusive frisch gepresster Säfte halten können“, so Karo. Außerdem seien „Basenbäder“in ihrer Wohnung leider nicht machbar – „von Infusionen ganz zu schweigen“.
Warum das Paar so viel Hoffnung in Alternativmedizin legt? Weil man bei Krebs, so Karo Golias, „wie bei allen chronischen Krankheiten“, den Körper als Ganzes betrachten müsse. Nach viel Lektüre sei ihr klargeworden, „dass die Ernährung ein Schlüssel zur Heilung sein kann“. Auch Psyche und Einstellung spielten eine große Rolle. Dies sei auch der Grund, warum ihr Mann von einem Mentalcoach unterstützt wird.
Aufbauend dürften auch die Kommentare auf der Plattform wirken. Martin wird von Aufmunterung und lieben Wünschen überschüttet. „Martin“, schreibt einer, sei einfach „ein richtig guter Mensch!“Andere lassen ihn wissen: „Du packst das!“
Karo und Martin zeigen sich überwältigt. Am Abend schreibt sie: „Wir möchten uns bei jedem einzelnen bedanken! Noch nie in meinem Leben habe ich an einem Tag so viele bewegende Nachrichten bekommen.“