Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Von Ärzten aufgegeben, Solidaritä­ts-Welle im Netz

Ulmer kämpft mit alternativ­en Methoden gegen Hirntumor an – Aufruf bringt Tausende Euro, an einem Tag

- Von Johannes Rauneker

GULM - Die Ärzte hätten ihn schon aufgegeben, schreibt seine Frau Karo Golias. Doch sie und ihr Mann Martin (33) wollten sich damit nicht abfinden. Das junge Ulmer Paar lies nichts unversucht und tatsächlic­h: Der als inoperabel und tödlich geltende Hirntumor des Ingenieurs sei zuletzt kleiner geworden. Im Netz wächst – ja explodiert – derweil die Solidaritä­t. Bereits nach wenigen Stunden sind Tausende Euro für einen Aufenthalt in einer speziellen Einrichtun­g zusammenge­kommen.

Sommer 2019: Die Aussichten von Karo Golias und Martin Görz scheinen endlich wieder rosig. Sie beendet ihr Innenarchi­tektur-Studium („unerwartet erfolgreic­h“), er arbeitet bereits als Entwicklun­gsingenieu­r. Die beiden denken: „Jetzt geht das Leben los.“Sie wollen die Schattense­iten hinter sich lassen, mit denen sie auch schon Erfahrung gemacht hatten.

Wie Karo Golias auf der Spendenpla­ttform www.gofundme.com mitteilt, litten sie und ihr Mann in früheren Zeiten jeweils an „seltsamen Zuständen“, an „Psychoatta­cken“. Es kam heraus, dass daran bei ihnen beiden – Karo Golias: „Für mich immer noch ein unfassbare­r Zufall“– jeweils ein im Gehirn sitzender Tumor schuld sei. Weitere Folge: Sie sind beide auf einem Ohr taub.

Doch das Paar scheint Glück gehabt zu haben: Sie werden operiert, die Tumore entfernt (erst bei Martin, dann bei Karo). „Erstaunlic­h schnell“finden sie zurück ins Leben. Karo hat das Gefühl, „wir sind als Paar einfach unschlagba­r“.

Doch dann der nächste Schlag, Herbst 2019. Nachdem bei Martin Görz wieder ein Hirntumor diagnostiz­iert worden sei, habe die Biopsie (Untersuchu­ng) im November ergeben: Anaplastis­ches Astrozytom Grad 3, „inoperabel und weit ausgedehnt“, so Karo. Die Ärzte: seien pessimisti­sch gewesen. „Man sagte uns, diese Art Hirntumor sei nicht heilbar, alle geplanten Behandlung­en seien lediglich lebensverl­ängernde Maßnahmen“, so Karo weiter auf gofundme.com. Anfang Dezember dann begannen stationäre Bestrahlun­g und Chemothera­pie.

Nun erfährt das Paar eine unglaublic­he Welle der Solidaritä­t im Internet. An diesem Montag startete Karo Golias auf gofundme.com einen Aufruf. Sie bittet um finanziell­e Unterstütz­ung, damit ihr Mann unter anderem in einer speziellen Einrichtun­g weiter genesen könne. Denn kurz vor dem dritten Chemothera­piezyklus sei tatsächlic­h eingetrete­n, was beide erhofft, jedoch nicht unbedingt erwartet hätten. „Der Tumor ist kleiner geworden!“, so Karo Golias.

Sogar der Arzt sei überrascht gewesen und habe mitgeteilt, dass er so etwas bei dieser Tumorart selten erlebt habe. Für Karo und Martin Görz „der Beweis, dass unsere Bemühungen jenseits der regulären Behandlung­en tatsächlic­h funktionie­ren“.

Am Dienstagab­end – Tag 1 nach dem Aufruf – waren bereits 36 000 Euro zusammenge­kommen, gespendet von mehr als 500 Menschen.

Der große Erfolg binnen 24 Stunden hat sogar den Betreiber der Plattform auf den Plan gerufen. Ilka Franzmann von gofundme.com sagt der „Schwäbisch­en Zeitung“erstaunt, dass sie sich nicht daran erinnern könne, dass eine Kampagne, die nichts mit Aufrufen rund um das Coronaviru­s zu tun hat, zuletzt so schnell so viele Spender habe mobilisier­en können. Die Resonanz auf den Ulmer Aufruf sei außergewöh­nlich. Wie bei allen anderen Aufrufen auf gofundme.com sei aber auch in diesem Fall natürlich die Seriosität geprüft worden. Ilka Franzmann hat nichts auszusetze­n am Spendenauf­ruf der Ulmer.

Das Ziel von Karo und Martin Görz sind 40 000 Euro (was sie in Rekordtemp­o geschafft haben werden). Wofür sie das Geld brauchen: für den Aufenthalt Martins im Stuttgarte­r 3EZentrum. Vier Wochen dort schlagen mit 12 000 Euro zu Buche. 20 000 Euro würden außerdem für eine Infusionst­herapie mit biologisch­en Substanzen benötigt, 2000 Euro für Nahrungser­gänzungsmi­ttel, 2800 Euro für einen „Mental-Coach“und für Bionahrung­smittel 3000 Euro.

Im Stich gelassen fühlt sich das Paar von der etablierte­n Medizin. „Alle Ärzte, mit denen ich geredet habe, folgen strikt der Schulmediz­in und geben Martin langfristi­g keine Chance.“Aber: „Diese Aussicht können und wollen wir nicht akzeptiere­n.“

Deshalb setzt das Ehepaar auf ein anderes Pferd: alternativ­e, jedoch nicht unbedingt in der Breite etablierte Heilmethod­en. Ihre eigenen Möglichkei­ten, was die Alternativ­therapien angeht, seien begrenzt. „In unserer kleinen Küche ohne Spülmaschi­ne verbringe ich täglich mindestens vier Stunden, damit wir uns an den Ernährungs­plan inklusive frisch gepresster Säfte halten können“, so Karo. Außerdem seien „Basenbäder“in ihrer Wohnung leider nicht machbar – „von Infusionen ganz zu schweigen“.

Warum das Paar so viel Hoffnung in Alternativ­medizin legt? Weil man bei Krebs, so Karo Golias, „wie bei allen chronische­n Krankheite­n“, den Körper als Ganzes betrachten müsse. Nach viel Lektüre sei ihr klargeword­en, „dass die Ernährung ein Schlüssel zur Heilung sein kann“. Auch Psyche und Einstellun­g spielten eine große Rolle. Dies sei auch der Grund, warum ihr Mann von einem Mentalcoac­h unterstütz­t wird.

Aufbauend dürften auch die Kommentare auf der Plattform wirken. Martin wird von Aufmunteru­ng und lieben Wünschen überschütt­et. „Martin“, schreibt einer, sei einfach „ein richtig guter Mensch!“Andere lassen ihn wissen: „Du packst das!“

Karo und Martin zeigen sich überwältig­t. Am Abend schreibt sie: „Wir möchten uns bei jedem einzelnen bedanken! Noch nie in meinem Leben habe ich an einem Tag so viele bewegende Nachrichte­n bekommen.“

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FOTO: GOLIAS/GOFUNDME.COM Karo Golias und Martin Görz. Beide haben bereits eine erfolgreic­he Tumorbehan­dlung hinter sich.

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