Warum Teva Desinfektionsmittel herstellt – aber nicht verkauft
Pharmakonzern hat in Ulm dafür eine eigene Produktionslinie eingerichtet
GULM - Hersteller von Desinfektionsmittel können sich derzeit vor Anfragen kaum retten. Auch bei der Ulmer Pharmafirma Teva melden sich in der Corona-Krise immer wieder interessierte Abnehmer. Doch sie kassieren einen Korb. Weil die Firma, der auch die Marke Ratiopharm gehört, das Mittel selbst benötigt.
Dies sagte auf Anfrage der „Schwäbischen Zeitung“Markus Braun, der Ulmer Sprecher von Teva. Zwar stimme es: Die Firma hat in Folge der Corona-Krise vorübergehend eine eigene Produktionslinie für Desinfektionsmittel eingerichtet. Jedoch werde das hergestellte Mittel, mit dem sich die Menschen gegen eine Ansteckung mit dem Coronavirus schützen möchten, nur für den „Eigengebrauch“verwendet.
Teva benötige das Desinfektionsmittel selbst, so Braun; für die eigenen Mitarbeiter. Hergestellt würde es nur in recht überschaubarem Umfang. Abgefüllt wurden lediglich 1000 Liter in 100-Milliliter-Glasfläschchen. Damit könne die Ulmer Pharmafirma bei Weitem nicht mithalten mit anderen Branchengrößen mit einer Kragenweite zum Beispiel der Firma BASF. Ein Zwerg ist Teva aber natürlich trotzdem nicht, im Gegenteil.
In Ulm und in Blaubeuren/Weiler wurden nach eigener Auskunft im Jahr 2018 stolze 344 Millionen Packungen Arzneimittel produziert. In Blaubeuren befinde sich zudem die größte Produktionsanlage zur Herstellung konservierungsmittelfreier Nasensprays in Europa, in Ulm sei man auf die Herstellung „hochkomplexer biotechnologischer Arzneimittel“für die Behandlung schwerwiegender Krankheiten wie Migräne spezialisiert. Zwei Millionen Medikamentenpackungen verlassen pro Tag das Logistikzentrum in Ulm. 70 Lastwagen sind für Teva im Einsatz.
Außerdem gilt Teva als einer der führenden Hersteller im GenerikaMarkt
weltweit. Das sind Medikamente, die einem bereits im Markt etablierten Medikament in ihrer Wirkstoffzusammensetzung ähneln, quasi dieselbe Wirkung haben. Sogenannte Nachahmerpräperate.
Mehr als 40 000 Mitarbeiter zählt Teva weltweit, 2500 davon in Deutschland (in Ulm und Blaubeuren). Und für die werde, so Markus Braun, das eigens hergestellte Desinfektionsmittel benötigt. Ziel: Die Produktion soll durch die CoronaKrise nicht eingeschränkt werden. Und das geht nur, wenn die Mitarbeiter sich nicht anstecken. Trotzdem: Auswirkungen der Pandemie haben sich auch in Ulm bereits gezeigt.
So musste das Unternehmen in Deutschland in den letzten Wochen die zum Teil dreifache Bestellmenge im Vergleich zum Durchschnitt bewältigen. „Wir haben die Produktionskapazitäten erhöht. Schichten müssen erhöht werden, dürfen sich aber nicht überlappen. Bei allen Bemühungen gilt es immer, vor allem die eigenen Mitarbeiter zu schützen und für Arbeitsabläufe zu sorgen, bei denen eine Ansteckungsgefahr so gering wie möglich ist“, so TevaSprecher Braun.
Aber warum fährt Teva die Produktion von Desinfektionsmittel angesichts der immensen Nachfrage nicht einfach hoch und verkauft auch an Krankenhäuser oder den Handel? Ganz „einfach“. Laut Markus Braun würden sich die vorhandenen Maschinen hierfür nur bedingt eignen, außerdem müsste seine Firma den für das Desinfektionsmittel benötigten Rohstoff auch erst auf dem Markt beziehen. Und Drittens: Der Rohstoff werde bereits für die Herstellung einiger Produkte benötigt. Er würde dann schlicht an anderer Stelle für die Produktion wichtiger Arzneimittel in den Werken in Ulm und Weiler fehlen. Und das sei das Letzte, was man wolle: Dass Medikamente knapp werden. Bei allem, was man derzeit tut, sei es oberstes Ziel: lieferfähig bleiben.