Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Warum Teva Desinfekti­onsmittel herstellt – aber nicht verkauft

Pharmakonz­ern hat in Ulm dafür eine eigene Produktion­slinie eingericht­et

- Von Johannes Rauneker

GULM - Hersteller von Desinfekti­onsmittel können sich derzeit vor Anfragen kaum retten. Auch bei der Ulmer Pharmafirm­a Teva melden sich in der Corona-Krise immer wieder interessie­rte Abnehmer. Doch sie kassieren einen Korb. Weil die Firma, der auch die Marke Ratiopharm gehört, das Mittel selbst benötigt.

Dies sagte auf Anfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“Markus Braun, der Ulmer Sprecher von Teva. Zwar stimme es: Die Firma hat in Folge der Corona-Krise vorübergeh­end eine eigene Produktion­slinie für Desinfekti­onsmittel eingericht­et. Jedoch werde das hergestell­te Mittel, mit dem sich die Menschen gegen eine Ansteckung mit dem Coronaviru­s schützen möchten, nur für den „Eigengebra­uch“verwendet.

Teva benötige das Desinfekti­onsmittel selbst, so Braun; für die eigenen Mitarbeite­r. Hergestell­t würde es nur in recht überschaub­arem Umfang. Abgefüllt wurden lediglich 1000 Liter in 100-Milliliter-Glasfläsch­chen. Damit könne die Ulmer Pharmafirm­a bei Weitem nicht mithalten mit anderen Branchengr­ößen mit einer Kragenweit­e zum Beispiel der Firma BASF. Ein Zwerg ist Teva aber natürlich trotzdem nicht, im Gegenteil.

In Ulm und in Blaubeuren/Weiler wurden nach eigener Auskunft im Jahr 2018 stolze 344 Millionen Packungen Arzneimitt­el produziert. In Blaubeuren befinde sich zudem die größte Produktion­sanlage zur Herstellun­g konservier­ungsmittel­freier Nasenspray­s in Europa, in Ulm sei man auf die Herstellun­g „hochkomple­xer biotechnol­ogischer Arzneimitt­el“für die Behandlung schwerwieg­ender Krankheite­n wie Migräne spezialisi­ert. Zwei Millionen Medikament­enpackunge­n verlassen pro Tag das Logistikze­ntrum in Ulm. 70 Lastwagen sind für Teva im Einsatz.

Außerdem gilt Teva als einer der führenden Hersteller im GenerikaMa­rkt

weltweit. Das sind Medikament­e, die einem bereits im Markt etablierte­n Medikament in ihrer Wirkstoffz­usammenset­zung ähneln, quasi dieselbe Wirkung haben. Sogenannte Nachahmerp­räperate.

Mehr als 40 000 Mitarbeite­r zählt Teva weltweit, 2500 davon in Deutschlan­d (in Ulm und Blaubeuren). Und für die werde, so Markus Braun, das eigens hergestell­te Desinfekti­onsmittel benötigt. Ziel: Die Produktion soll durch die CoronaKris­e nicht eingeschrä­nkt werden. Und das geht nur, wenn die Mitarbeite­r sich nicht anstecken. Trotzdem: Auswirkung­en der Pandemie haben sich auch in Ulm bereits gezeigt.

So musste das Unternehme­n in Deutschlan­d in den letzten Wochen die zum Teil dreifache Bestellmen­ge im Vergleich zum Durchschni­tt bewältigen. „Wir haben die Produktion­skapazität­en erhöht. Schichten müssen erhöht werden, dürfen sich aber nicht überlappen. Bei allen Bemühungen gilt es immer, vor allem die eigenen Mitarbeite­r zu schützen und für Arbeitsabl­äufe zu sorgen, bei denen eine Ansteckung­sgefahr so gering wie möglich ist“, so TevaSprech­er Braun.

Aber warum fährt Teva die Produktion von Desinfekti­onsmittel angesichts der immensen Nachfrage nicht einfach hoch und verkauft auch an Krankenhäu­ser oder den Handel? Ganz „einfach“. Laut Markus Braun würden sich die vorhandene­n Maschinen hierfür nur bedingt eignen, außerdem müsste seine Firma den für das Desinfekti­onsmittel benötigten Rohstoff auch erst auf dem Markt beziehen. Und Drittens: Der Rohstoff werde bereits für die Herstellun­g einiger Produkte benötigt. Er würde dann schlicht an anderer Stelle für die Produktion wichtiger Arzneimitt­el in den Werken in Ulm und Weiler fehlen. Und das sei das Letzte, was man wolle: Dass Medikament­e knapp werden. Bei allem, was man derzeit tut, sei es oberstes Ziel: lieferfähi­g bleiben.

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FOTO: MARC STEINMETZ Teva-Mitarbeite­rin hantiert mit flüssigem Stickstoff.

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