„Die Entwicklung in unserer Region macht Mut“
Wolfgang Schneider, Geschäftsführer der ADK GmbH für Gesundheit und Soziales, spricht über die Corona-Krise
EHINGEN - Wolfgang Schneider ist Geschäftsführer der ADK GmbH für Gesundheit und Soziales. SZ-Redaktionsleiter Tobias Götz hat sich mit ihm über die Corona-Krise, die Krankenhäuser und Pflegeheime sowie die Stimmung der Ärzte und des Pflegepersonals unterhalten.
Herr Schneider, vorab die wichtigste Frage: Wie geht es Ihnen? Danke der Nachfrage – mir geht es gut. Diese Zeit ist natürlich für unser Unternehmen, aber auch für mich persönlich eine absolute Ausnahmesituation. Doch das gilt ja für das ganze Land und jeden Einzelnen. Die Verantwortung für mehr als 2300 Mitarbeiter in einer der derzeit wichtigsten Branchen und für Hunderte von Patienten und alten Menschen, die wir in unseren Einrichtungen versorgen und aufgrund ihres erhöhten Risikos besonders schützen müssen, spüren wir in dieser Zeit natürlich ganz besonders.
Die Veränderung in der Klinikstruktur des Kreises war durch die Corona-Krise enorm. Worin sehen Sie nun die Vorteile und hatten Sie die neue Struktur als PandemiePlan in der Schublade?
So eine Struktur kann man nicht in der Schublade haben. Selbst der Präsident des Robert-Koch-Instituts, Professor Lothar Wieler, sagte ja kürzlich, dass diese Krise ein Ausmaß angenommen hat, das für ihn vorher so nicht vorstellbar war. Wir haben hier bei uns den Vorteil, dass sich die Klinik auf drei Standorte verteilt und für uns lag es nahe, diese Tatsache als Vorteil für uns zu nutzen. Gemeinsam mit den verantwortlichen Chefund Oberärzten, unseren Pflegedirektoren und allen Bereichsleitungen haben wir uns entschlossen, diesen Weg zu gehen. Die ersten Erfahrungen zeigen bisher, dass die Trennung in ein Corona-Schwerpunkthaus und zwei weitere Kliniken, die die Patienten versorgen, die nicht an Covid-19 erkrankt sind, in der Praxis gut funktioniert. Wir bekommen in Ehingen Patienten, die in Blaubeuren und Langenau in der Vor-Triage aufgefallen sind und können sie hier in einer zentralen Einheit versorgen. Aus meiner Sicht gibt es da mehrere Vorteile: Zum einen ist die Infrastruktur in Ehingen gut für die Behandlung von Covid-19-Patienten geeignet. Zum anderen müssten wir ohnehin das Personal trennen, das geht so ressourcenschonender. Der Vollständigkeit halber weise ich aber darauf hin, dass es in Ehingen wie bisher Stationen und Abteilungen gibt, die Patienten versorgen, die nicht an Covid-19 erkrankt sind. Dazu gehört wie bisher die Unfallchirurgie, die Kardiologie, die Urologie und die Frauenklinik mit den Kreißsälen. In diesen Bereichen besteht auch für die Patienten keine Gefahr, da wir selbstverständlich die Bereiche durch Schleusensysteme strikt voneinander trennen.
Ehingen ist als Schwerpunkt-Corona-Klinik nun auf Covid-19-Patienten spezialisiert. Können Sie abschätzen, ob die Plätze, vor allem im Intensivbereich, den kommenden Herausforderungen Stand halten?
Wir haben unsere Kapazitäten stark ausgebaut. Vor dem Beginn der Corona-Epidemie hatten wir in Ehingen acht Intensivbetten, davon sechs Beatmungsplätze. Aktuell stehen 18 Intensivbetten mit Beatmungsplätzen zur Verfügung. Stand heute ist die Krankheit in der Region noch nicht so stark ausgebreitet und wir hoffen, dass die ersten Hinweise, dass die eingeleiteten Maßnahmen dazu beitragen, die Kurve zu verflachen, beständig bleiben. Aber nicht einmal epidemologische Modelle können sicher sagen, wie sich die Situation über einen Zeitraum von Wochen und Monaten entwickeln wird. Wir haben noch Kapazitäten, sollte es schlimmer kommen, als wir alle hoffen. Ob das aber ausreichen wird, hängt auch davon ab, welche
Maßnahmen die Politik nach Ostern trifft, und wie sich die Krankheit auch hinsichtlich der Altersstruktur in der Region in Zukunft entwickelt.
Wie ist die aktuelle Situation im Krankenhaus in der Isolier- und Intensivstation?
Aktuell ist sie relativ ruhig mit langsam steigenden Fallzahlen. Von den genannten Betten auf der Intensivstation waren – Stand Donnerstag, 11 Uhr – zwei mit Covid-19 positiven Patienten belegt. Inzwischen haben wir eine große Isolierstation in Betrieb. Hier versorgen wir aktuell sieben Patienten mit Covid-19 und zehn weitere mit der dringenden Verdachtsdiagnose. Weitere Stationen sind laut unserem internen Eskalationsund Stufenplan vorbereitet und können kurzfristig in Betrieb genommen werden.
Sie sprachen von einer Ausweitung der Beatmungsplätze. Wann stößt das Alb-Donau-Klinikum hier an seine Grenzen?
In Ehingen haben wir die möglichen Beatmungsplätze auf 18 Plätze verdreifacht. Dazu gibt es dann noch die theoretische Möglichkeit, den Aufwachbereich und im Extremfall auch Operationssäle zu nutzen. Das sind aber keine Szenarien, die wir für die nächsten Tage erwarten. Die Grenze liegt im Grunde in den personellen und medizin-technischen Ressourcen. Wir benötigen zum einen ausreichend geschultes Fachpersonal und auch geeignete Dauerbeatmungsgeräte für die Schaffung weiterer Intensivplätze mit Beatmungsmöglichkeiten. Auch hier nutzen wir die Zeit, indem wir Personal für einen möglichen Intensiveinsatz fit machen.
Was passiert, wenn Sie in Ehingen weder weitere Covid-19-Patienten beatmen noch aufnehmen können? Droht das und, wenn ja, gibt es dafür eine Ausweichmöglichkeit? Ich glaube, niemand kann derzeit seriös sagen, ob ein solches Szenario eintreten könnte. Allerdings haben wir in Deutschland deutlich mehr Intensivbetten als viele andere Länder. Zudem konnten die Kliniken hierzulande den Zeitvorteil nutzen, den sie gegenüber anderen europäischen Ländern hatten. Mit dem Ziel, Kapazitäten aufzubauen und Kräfte zu bündeln. Es gibt bundesweite und landesweite Register an Intensivbetten, die dafür sorgen sollen, dass bei Engpässen in einer Region Kliniken in anderen Regionen helfen könnten. Auf regionaler Ebene haben wir unsere Kliniken mit den Kliniken aus Ulm und dem Kreis Neu-Ulm zusammengeschlossen. In einem gemeinsamen Dashboard melden wir alle freien Kapazitäten und jede Klinik, aber auch der Rettungsdienst, sieht jederzeit, wo wie viele Intensiv-, aber auch Isolierbetten belegt und frei sind. Dieses Vorgehen koordiniert die Uniklinik. Eine solche landkreisübergreifende Zusammenarbeit ist aus meiner Sicht das beste Mittel, um sicherzustellen, dass die Menschen hier in der Region eine gute medizinische Behandlung erhalten und bestmöglich durch diese Krise kommen können.
Werden nun alle Ärzte verstärkt in die Corona-Krise eingebunden oder bleibt beispielsweise ein Chirurg ein Chirurg?
Wie in allen Bereichen bündeln wir natürlich auch im Ärztlichen Dienst die Kräfte. Wir haben einen Ärztepool an Assistenz- und Fachärzten aller Fachrichtungen und aller Standorte des Alb-Donau Klinikums aufgebaut. Es ist in einer solchen Zeit wichtig, dass alle mitanpacken, denn eine so große Herausforderung kann nur gemeinsam gemeistert werden.
Geeignete Schutzausrüstung ist in vielen Kliniken des Landes ein Problem. Wie ist das Ehinger Krankenhaus damit ausgerüstet?
Das ist eine Frage, deren Antwort stark davon abhängt, wie sich die Versorgungssituation in den nächsten Tagen entwickelt. Aktuell haben wir noch ausreichend Schutzkleidung, aber die kann sehr schnell zu Ende gehen, wenn nichts Neues nachkommt. Wir investieren seit Monaten unglaublich viel Zeit und Aufwand in die Beschaffung von Schutzkleidung, aber dieser Markt ist völlig verrückt geworden. Da gibt es angekündigte und bereits bezahlte Lieferungen, die nie ankommen, Angebote, die sich als Betrug herausstellen, und noch viel mehr. Wir haben viel bestellt, wissen aber schlicht nicht, was und wann es ankommt. Deshalb bitten wir auch um Unterstützung von Firmen und Privatpersonen, die noch über größere Bestände an Masken und ähnlichem verfügen. Und selbstverständlich benötigen wir auch an unseren anderen Klinikstandorten und auch in allen Seniorenzentren und den ambulanten Pflegediensten täglich große Mengen an Schutzausrüstung für unsere Patienten und Mitarbeiter.
Können Sie die Stimmung- und Gemütslage Ihrer Ärzte und Pflegekräfte beschreiben?
Wir sehen sehr viel Engagement und einen tollen Geist des Miteinanders. Für die meisten ist es selbstverständlich, jetzt ganz besonders mit anzupacken, auch in Bereichen, in denen sie sonst nicht arbeiten. Und diese Flexibilität bezieht sich nicht nur auf die Ärzte und Pflegekräfte. Wir haben ja noch zahlreiche andere Berufsgruppen wie Reinigungsdienste, Küchenmitarbeiter, Technische Dienste und die Verwaltung. Auch in diesen Bereichen sehen wir durchgängig eine große Bereitschaft, diese für alle ungewohnte Situation mitzutragen. Aber natürlich sind auch unsere Mitarbeiter nicht nur Arzt oder Pflegekraft, auch sie haben mit Problemen wie Kinderbetreuung, Engpässen durch Hamsterkäufe und einer sich ständig verändernden Nachrichtenlage zu tun. Das verunsichert natürlich auch unsere Teams. Da es aber im Moment noch relativ ruhig ist, empfinden wir die Stimmung in unseren Einrichtungen im Großen und Ganzen als gut.
Fehlt es Ihnen, wie vielen anderen Kliniken, auch an qualifiziertem Pflegepersonal?
Im Alltag – also vor der Corona-Krise – haben wir unseren Bedarf noch ganz gut decken können. Wenn Stellen frei wurden, spüren wir wie alle anderen, dass es schwieriger ist, diese Stellen zu besetzen, aber das war über die meisten Bereiche hinweg gesehen noch relativ gut zu meistern. Wir tragen aber natürlich durch unsere starke Ausbildungstätigkeit auch selbst dazu bei, einen Teil des Bedarfs zu decken. Jetzt brauchen wir unter Umständen noch mehr Personal und das ist auf herkömmlichem Weg nur schwer zu bekommen. Deshalb auch der öffentliche Aufruf oder die Kontaktaufnahme zu ehemaligen Mitarbeitern.
Geplante Operationen sollen ja nicht mehr stattfinden. Viele Kliniken sprechen bereits von Millionenverlusten. Wie ist die Lage bei den Kliniken im Kreis? Gibt es hier staatliche Hilfen, die Ihnen finanziell auch tatsächlich weiterhelfen können?
Im Moment liegt der Fokus zunächst auf der medizinischen Bewältigung der Epidemie. Selbstverständlich geht es uns in wirtschaftlicher Hinsicht nicht besser als den anderen Kliniken. Wir gehen im Moment von sehr hohen Einnahmeverlusten bei mindestens Kosten in bisheriger Höhe in allen Bereichen aus. Im Moment können wir die Auswirkungen auf das Ergebnis noch nicht beziffern – vor allem auch deshalb, weil ja noch gar nicht absehbar ist, wie lange die Politik die Kliniken in diesem Notfallbetrieb lassen möchte. Der Bundesgesundheitsminister hat in seinem Brief an die Kliniken, in dem er um die Einstellung aller elektiven Operationen und Eingriffe bat, sein Wort gegeben, dass keine Klinik dadurch ins Defizit kommt. Daran muss er sich messen lassen. In wieweit die jetzt beschlossenen Maßnahmen zu Zahlungen für zusätzliche Intensivbetten oder Ausgleichszahlungen für leerstehende Betten reichen werden, um die Verluste auszugleichen, können wir noch nicht genau sagen. Die ersten Berechnungen dazu zeigen, dass diese Maßnahmen für den stationären Krankenhausbereich nicht ausreichend sind. Zudem gibt es viele Bereiche, in denen uns durch die Schließung beziehungsweise Reduzierung der Leistungen massive Einnahmeverluste entstehen. So zum Beispiel die Fitnessstudios, die Physiotherapie, die Restaurantbetriebe und unsere Ambulanzen. Für diese Bereiche prüfen wir natürlich, ob und welche Unterstützungen es geben kann.
Gehen Sie davon aus, dass uns diese Krise über längere Zeit begleiten wird und was heißt das im Zweifel auch für das Alb-Donau Klinikum?
Ja, davon gehe ich sicher aus. Die Meinung von Fachleuten ist, dass sich das Infektionsgeschehen in mehreren Wellen fortsetzen wird. Demzufolge müssen wir als Klinik für die nächsten Monate weiterhin auf viele Covid-19-Patienten vorbereitet sein. Trotzdem kann diese jetzige, stark auf die Behandlung von Covid-19-Patienten fokussierte Vorgehensweise nicht auf Dauer so bleiben. Deshalb müssen wir uns fragen, ob und wie es zu schaffen sein ist, neben der Behandlung von Covid-19Patienten in Isolierstationen und im Intensivbereich wieder so etwas wie einen (eingeschränkten) Normalbetrieb
zu bekommen. Verschiedene Szenarien dazu diskutieren wir gerade mit den verantwortlichen Mitarbeitern aus dem Ärztlichen Dienst, dem Pflegedienst und der Verwaltung.
Die ADK GmbH hat dazu aufgerufen, dass sich medizinisches Personal, seien es Pensionäre, Studenten oder Ehemalige, melden. Wie ist hier die Resonanz?
Die Resonanz ist erfreulich hoch und es macht uns wirklich Mut, wie groß die Hilfsbereitschaft ist. Auch bei unseren ehemaligen Mitarbeitern, von denen ganz viele sagen: „Natürlich sind wir da, wenn es drauf ankommt“. Zum Glück brauchen wir diese Personalreserven aber aktuell noch nicht und wir hoffen sehr, dass das so bleiben wird.
In Ihren Pflegeheimen ist das Virus bisher nicht ausgebrochen. Wie werden die Bewohner, die ja allesamt zur Risikogruppe gehören, geschützt?
Ja genau, auch wenn der Fokus der Öffentlichkeit gerade stark auf den Kliniken liegt – in den Seniorenzentren und bei den Kunden unseres ambulanten Dienstes haben wir in der Regel Hochbetagte und mehrfach Erkrankte. Das sind die Risikogruppen und gerade da ist der Schutz ganz besonders wichtig. Unser Personal trägt Schutzkleidung, um die Bewohner zu schützen. Auch das Besuchsverbot trägt natürlich dazu bei, Kontakte zu reduzieren. Es kommen keine Ehrenamtlichen mehr in die Einrichtungen, es gibt keine Gottesdienste mehr. All das trägt zur Sicherheit bei. Dennoch wäre es jetzt, da im Grunde jeder jeden anstecken kann, vermessen zu sagen, bei uns kann nichts passieren.
Was passiert, wenn sich Corona in einem Pflegeheim verbreitet? Dann wird es vor allem darum gehen, die hochbetagten Bewohner möglichst schnell zu isolieren und die Ausbreitung so gut wie möglich einzudämmen. Was passieren kann, war bisher in Ländern wie Italien und Spanien zu sehen und ist nun auch in Deutschland an verschiedenen Städten zu sehen.
Herr Schneider, als Geschäftsführer haben Sie die Lage im Alb-Donau-Kreis im Blick. Wie können Sie den Menschen Mut machen? Wenn ich mir die bisherige Entwicklung in unserer Region anschaue, macht mir das Mut. Die Menschen verhalten sich aktuell wohl weitgehend vernünftig und es gibt ja auch erste Anzeichen, dass es gelingt, den Anstieg abzubremsen. Das sind gute Nachrichten für den Moment. Die Kliniken in der Region sind gut aufgestellt und können auch noch deutlich mehr Patienten verkraften. Für die nächsten ein bis zwei Wochen sind wir daher verhalten zuversichtlich, Aussagen über einen längeren Zeitraum lassen sich aber gerade auf Grund der Dynamik der Lage nicht treffen. Mitentscheidend wird sicher sein, wie verantwortlich sich die Menschen in den kommenden Wochen und sogar Monaten verhalten. Wir werden sicher für eine lange Zeit unser Verhalten hinsichtlich Vorsichtsmaßnahmen und Sozialkontakten anpassen müssen. Mut machen mir und unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die vielen Aktionen von Einzelpersonen und Unternehmen aus der Region. Ich bin positiv überrascht, wer alles an unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter denkt und dem Denken dann Taten in Form von Gutscheinen, Geschenken und mehr folgen lässt. Und großen Mut macht mir, mit welchem Engagement und Flexibilität unsere Mitarbeiter aller Bereiche, ob Ärzte, Pflege, Versorgung, Verwaltung und mehr, in diesen völlig neuen und sonderbaren Zeiten zusammenarbeiten und zusammenhalten. Das beeindruckt mich sehr. Herzlichen Dank dafür im Namen des Aufsichtsrates und der Geschäftsführung.