Henne(n)/Henna
Jede Sprache, die vom gemeinen Volk, also nicht von sogenannten universitären Eliten, gesprochen wird, bedient sich Bilder aus der naheliegenden Tierwelt. Besonders reich an solchen Bildern ist der Dialekt, so auch der schwäbische Dialekt. Eines der am meisten beobachteten Haustiere war traditionell das Haushuhn, die Henne; im sprachlichen Bild der Henne soll der Mensch sich wiedererkennen. Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass der Sprecher das gleiche Bild der Henne vor Augen hat wie der Angesprochene. Wenn dies nicht der Fall ist – wer kann heutzutage noch Hennen/Henna im freien Auslauf beobachten – wird aneinander vorbeigeredet; d.h. es bedarf bisweilen der Erklärung.
Der/dia wird erst gscheid, wenn d Henne fiesche/firsche scherret (Er/sie wird nie und nimmer gescheit, weil bei der Suche nach Nahrung im Boden Hühner ausnahmslos von vorn nach hinten scherren, nie firsche/fiesche).
Oim d Henna nei doa (Einem gehörig die Meinung sagen, gehörig zurecht weisen.- Normalerweise gingen Hühner spätnachmittags von sich aus durch das Henna-loch/Hennafälle in ihren Hühnerstall. Taten sie das aber bisweilen nicht, so war es ein zähes Zureden und Wehren, bis die letzte Henne protestierend im Stall war).
Wenn der hoi-kommt, isch koi Henn mai uf dr Miste (Er kommt spät nachts heim, wenn älle Henna denna send). Au gscheide Henna leged amol nebes Nest. Oder: A gscheide Henn verlegt au amol a Oi (Auch gescheite, kluge Menschen machen mal einen Fehler, so wie das Huhn mal ihr Ei nicht in ihr gewohntes Nest legt).
Eben diese Henne, die nicht in ihr Nest gelegt hat, sucht dann aber ihr Nest hilflos gackernd , voller Unruhe, hilflos umher irrend: Wia a verlegede/vrlegiga Henn.
A Henna-Fiedla (Ein geschwätziger Mensch, eine Schwätzerin; jemand, der viel und deswegen dumm daher schwätzt; zugrunde liegt die Beobachtung,
dass Henna laufend am Kacken/Scheißen sind).
Nix vrheba kenna wia Henna-Fiedla
(Immer alles ausplaudern müssen, so wie die Henne laufend am Kacken ist).
Äll Henna-Schiss; äll Henna-Pfitz
(übermässig oft; sehr oft wie das Kacken der Henne).
Der/dui lauft rom wia kranka/dauba Henn (leblos, lustlos).
Wir alle kennen den Zeitgenossen, der nichts leistet, aber viel von sich gibt, lauthals viel redet: Der/dui isch wia Henn, wo viel gackeret, aber nix legt.
Ein Mensch mag sich noch so klug und raffiniert anstellen, seinem endgültigen Schicksal entgeht auch er nicht: De gscheide Henna frißt dr Fuchs au.