„Resignation hilft gar nicht“
Sozialstation-Geschäftsführer Neher spricht über Herausforderungen in Krisenzeiten und ein tolles Team
GMUNDERKINGEN - Die Krise verändert alles. Besonders auch für die Sozialstationen im Land. Viele Dienste sind nur noch eingeschränkt möglich, da der Kontakt auch zu den Pflegekunden sehr eingeschränkt werden müsse. Die Tagespflege ist ausgesetzt, die ehrenamtlichen Pfleger fehlen, da diese aus Selbstschutzgründen zu Hause bleiben müssten. Im Gespräch mit der Schwäbischen Zeitung erklärt der Geschäftsführer der Sozialstation, Anton Neher, warum er die Krise dennoch mit Optimismus angeht.
„Wir versuchen, auch in dieser Situation die Pflege eben unter Beachtung sämtlicher Schutzmaßnahmen durchzuziehen“, erklärt Neher. „Für uns alle ist das nun eine Tätigkeit unter erschwerten Bedingungen.“Bei der Umstellung stoße man als Sozialstation und auch als Mensch langsam an die Grenzen. Was ihm in diesen Tagen allerdings Mut mache, das sei das Team der Sozialstation selbst: „Ich freue mich, dass ich alle Mann an Bord hab und sie ausnahmslos mit großer Zuverlässigkeit auch in dieser schwierigen Situation ihre Arbeit machen.“Durch die Umstellung haben nun alle von der Sozialstation mehr zu tun. Da auch die stationären Mittagstische weggefallen seien, musste der Service für „Essen auf Rädern“ausgeweitet werden. Um die Kontaktsperre einzuhalten, werde das Essen dann oft in die Wohnung gebracht und dann erst können sich die Bewohner an den Tisch setzen. Natürlich sei es bei so einem erhöhten Bedarf nicht leicht, die Zeiten einzuhalten. Manche erhalten ihr Essen erst nach eins, statt um zwölf. Aber die Leute haben Verständnis für die Situation. „Wichtig ist, dass jeder versorgt wird und dafür versuchen wir, alles Menschenmögliche zu tun“, berichtet Neher.
Die Pfleger leben in einem Spannungsfeld aus einerseits der Verpflichtung, den Sicherheitsvorschriften gerecht zu werden und andererseits der Verantwortung den betreuten Menschen gegenüber. Sich in die Menschen hineinzuversetzen sei nicht schwer, meint Neher, schließlich gehe es uns allen zur Zeit genauso. Besonders die kommenden Ostertage sieht er da mit Sorge, denn oft wäre da eine Zeit, in der die Familien zusammen kämen. So aber seien die Pfleger oft der einzige soziale Kontakt, den vor allem alleinstehende Menschen in diesen Tagen haben. Natürlich werde da auch der persönliche Kontakt vermieden, aber manchmal falle es schon schwer, die Vorschriften einzuhalten – aus Menschlichkeit. Denn durch die Aussetzung der Nachbarschaftshilfe fehle natürlich auch das gemeinsame Spielen und Sprechen der Menschen untereinander „unsere Gesellschaft lebt ja vom sozialen Kontakt“. Alle in der Station würden täglich die Situation verfolgen, alle hoffen, dass sich die Ausbreitung abflacht und die Lage sich entspannt. Aber noch sei jeder Einzelne gefordert, mit seinem Verhalten die Maßnahmen einzuhalten.
Das bekommt „die Mannschaft“der Sozialstation Munderkingen auch untereinander mit. Auch hier werde der Kontakt und der Austausch unter Kollegen zum persönlichen Schutz begrenzt, das fehle natürlich. Trotzdem sei die Stimmung auch angesichts voller Dienstpläne gut. „Das schweißt uns auch alle zusammen“, meint der Geschäftsführer. Überhaupt sei er in diesen Tagen unheimlich stolz auf sein Team. „Ohne deren Zuverlässigkeit wäre vieles nicht möglich, da habe ich den größten Respekt vor.“Falls Menschen dieser Tage die Hilfe der Sozialstation als Neukunden
brauchen, können sich diese jederzeit melden. „Abweisen ist kein Thema“, so Neher. Aber es werde natürlich genau geklärt, ob eventuell Symptome vorhanden seien und es werde erst einmal vorsichtig mit der Situation umgegangen. „Wir können ja niemanden der Hoffnungslosigkeit überlassen“, fährt er entschieden fort, „aber deshalb werde bei Neukunden in den ersten Wochen auch die nötige Vorsicht angewendet.“
Akute Sorgen um die Versorgung mit den nötigen Schutzmitteln mache sich Neher aktuell nicht, auch wenn Schutzmasken langsam ein Problem werden. In seinem Haus habe das Team frühzeitig reagiert, sich umgestellt und auch versucht, einen Vorrat an den benötigten Schutzmitteln aufzubauen. „Erstmal sind wir vernünftig aufgestellt“, erklärt der Geschäftsführer. Dennoch müsse man langsam auch in Munderkingen ein wenig kreativer bei der Beschaffung von Schutzkleidung und den nötigen Desinfektionsmitteln sein. Die Versorgung über Bund und Land funktioniere zwar, sei aber meist nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Die Lieferungen, die da kämen, reichen oft nur für einen Tagesbedarf. Der Markt selber sei schwierig, auch weil natürlich nicht nur in Baden-Württemberg, sondern weltweit die Menschen diese Produkte dringend benötigen. Zumal auch Kriminelle nun versuchen, aus der Situation Geschäfte zu schlagen. Es kämen viele unseriöse E-Mails, die – gegen Vorkasse – anbieten würden, Schutzmittel zu liefern. Daher müsse auch mehr Zeit in die Sicherung der Versorgungskette über das Internet investiert werden. Bei den Lieferanten fahre man daher nun zwei oder gar Dreispurig. Viele Hersteller haben auch bei der Rohstoffbeschaffung inzwischen Probleme.
Langsam träfen aber die ersten Lieferungen an Desinfektionsmitteln ein, nur der Mundschutz bleibt ein Problem. Für den Notfall werden halt Stoffmasken genäht und damit weitergemacht, meint der Geschäftsführer, aber aktuell sei das noch nicht nötig. Mittelfristig sei der höhere Bedarf über einen längeren Zeitrum jedoch nicht abzudecken. Da müsse auch Neher auf Bund und Land setzten und hofft, dass verlässliche Lieferketten etabliert werden. Die Sozialstationen vernetzen sich in dieser Notlage auch untereinander, unterstützen sich oder tauschen auch mal aus, wenn eine Station von einem Schutzmittel mehr habe und dafür ein anderes brauche. „Wir sitzen ja alle im selben Boot“, meint Neher, „da braucht man Hoffnung und vielleicht auch ein Stück weit Gottvertrauen. Aber das wichtigste ist, den Leuten zu zeigen, dass wir für sie da sind. Das ist unserer Aufgabe, und der stellen wir uns.“