Fackelwurf auf Roma-Familie kommt vor Gericht
In Dellmensingen sollen junge Männer 2019 versucht haben, eine Familie zu töten
GDELLMENSINGEN/ULM - Der Vorwurf wiegt schwer: Aus fremdenfeindlichen Motiven sollen fünf junge Männer im Mai 2019 versucht haben, eine Roma-Familie bei Dellmensingen zu ermorden.
Von Mitte Mai an werden sich die 18, 19 und 20 Jahre alten Angeklagten wegen versuchten Mordes vor dem Landgericht Ulm verantworten müssen. Die Nebenklage wird von einem prominenten NSU-Anwalt vertreten.
Die französische Familie hatte sich bereits zwei Wochen vor der besagten Tat am 24. Mai 2019 mit ihrem Wohnwagen auf der Wiese an der Werdensteinstraße am Ortsrand von Dellmensingen niedergelassen. An jenem Freitagabend, kurz nach 23 Uhr, sei dann ein dunkler Kleinwagen vorgefahren, in dem – so hatten es die Ermittler anfangs mitgeteilt – vier oder fünf Insassen saßen.
Aus diesem Wagen sei dann aus einer Entfernung von etwa sieben Metern gezielt eine brennende Fackel in Richtung des Wohnwagens, in dem zu dem Zeitpunkt das Ehepaar mit seinem neun Monate alten Kind schlief, geworfen worden. Die Insassen sollen dabei auch etwas gerufen haben.
Verletzt wurde bei dem Anschlag niemand. Die brennende Wachsgartenfackel soll etwa zwei Meter vom Wohnwagen entfernt in der Wiese gelandet sein, wo sie zunächst weiterbrannte. Ein Mitglied der RomaFamilie soll die Fackel weggezogen haben. Mehrere Minuten später erlosch sie.
Die Familie reiste unmittelbar nach dem Vorfall ab und kehrte in ihre Heimat ins Elsass zurück. Die Polizei nahm derweil die Ermittlungen auf und zog recht schnell einen fremdenfeindlichen Hintergrund der Tat in Betracht.
Am 9. Juli kam es am frühen Morgen in mehreren Gemeinden rund um Erbach zu größeren Polizeieinsätzen, unter anderem in Blaustein, Dellmensingen und Bach. Dabei wurden insgesamt acht Wohnungen durchsucht und acht Tatverdächtige im damaligen Alter von 16 bis 20 Jahren vorläufig festgenommen.
Drei der Verdächtigen wurden wieder entlassen, fünf Männer im Alter zwischen 17 und 20 Jahren mussten hingegen in Untersuchungshaft. Der Jüngste von ihnen, ein 17-Jähriger, wurde zwischenzeitlich wieder entlassen, weil bei einem Jugendlichen eine längere Haft nicht mehr zu rechtfertigen sei, so damals die Staatsanwaltschaft Stuttgart, die bei möglichen politischen Motiven zuständig ist.
Am 11. Mai beginnt der Prozess gegen die fünf jungen Männer im Landgericht Ulm wegen versuchten Mordes verantworten. Sie sollen gemeinsam geplant haben, den Wohnwagen in Brand zu setzen und dabei laut Anklage auch in Kauf genommen haben, dass sich Menschen, die sich darin aufhalten, getötet werden könnten.
Den Angeklagten wird gemeinschaftlicher versuchter Mord in zwei Fällen in Tateinheit mit gemeinschaftlicher versuchter schwerer Brandstiftung vorgeworfen. Zwei der fünf Männer sollen sich zu den Vorwürfen bereits geäußert haben.
Unklar ist weiterhin, wie sich die fünf jungen Angeklagten zusammengefunden haben. Im Raum steht, dass sie sich über die Fan-Szene der Ulmer Ultras sozialisiert haben. Dass mindestens zwei der Angeklagten dem SSV Ulm 1846 Fußball bekannt sind, hatte der Vereinsvorsitzende nach SZ-Recherchen bestätigt.
„Sollte sich das bewahrheiten, distanzieren wir uns als Verein komplett von solchen Vorfällen. Da muss man nicht darüber diskutieren“, sagte damals Thomas Oelmayer, Vorstandsmitglied des SSV Ulm 1846 Fußball.
Aufschluss darüber wird vermutlich erst die Hauptverhandlung mit insgesamt 20 vorgesehenen Sitzungstagen bringen. Wo diese Verhandlungen allerdings stattfinden, ist derzeit noch unklar. Wegen des Coronavirus und der einzuhaltenden Mindestabständen ist der Prozess in den Räumen des Landgerichts Ulm nicht möglich.
Frau als Nebenklägerin
Ob die Roma-Familie, die sich derzeit im Elsass aufhält, anwesend sein wird, ist nicht bekannt. Die Ehefrau, die in dem Wohnwagen geschlafen hat, hat sich nach Angaben des Gerichts aber als Nebenklägerin angeschlossen. Sie wird vertreten von Mehmet Daimagüler. Daimagüler, Rechtsanwalt, einstiges Bundesvorstandsmitglied der FDP sowie Ehrenvorsitzender der Liberalen TürkischDeutschen Vereinigung, hat schon mehrere Prozesse mit fremdenfeindlichen Motiven begleitet, darunter die Taten der rechtsextremen Terrorgruppe Nationalsozialistischer Untergrund (NSU).