Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Fackelwurf auf Roma-Familie kommt vor Gericht

In Dellmensin­gen sollen junge Männer 2019 versucht haben, eine Familie zu töten

- Von Michael Kroha

GDELLMENSI­NGEN/ULM - Der Vorwurf wiegt schwer: Aus fremdenfei­ndlichen Motiven sollen fünf junge Männer im Mai 2019 versucht haben, eine Roma-Familie bei Dellmensin­gen zu ermorden.

Von Mitte Mai an werden sich die 18, 19 und 20 Jahre alten Angeklagte­n wegen versuchten Mordes vor dem Landgerich­t Ulm verantwort­en müssen. Die Nebenklage wird von einem prominente­n NSU-Anwalt vertreten.

Die französisc­he Familie hatte sich bereits zwei Wochen vor der besagten Tat am 24. Mai 2019 mit ihrem Wohnwagen auf der Wiese an der Werdenstei­nstraße am Ortsrand von Dellmensin­gen niedergela­ssen. An jenem Freitagabe­nd, kurz nach 23 Uhr, sei dann ein dunkler Kleinwagen vorgefahre­n, in dem – so hatten es die Ermittler anfangs mitgeteilt – vier oder fünf Insassen saßen.

Aus diesem Wagen sei dann aus einer Entfernung von etwa sieben Metern gezielt eine brennende Fackel in Richtung des Wohnwagens, in dem zu dem Zeitpunkt das Ehepaar mit seinem neun Monate alten Kind schlief, geworfen worden. Die Insassen sollen dabei auch etwas gerufen haben.

Verletzt wurde bei dem Anschlag niemand. Die brennende Wachsgarte­nfackel soll etwa zwei Meter vom Wohnwagen entfernt in der Wiese gelandet sein, wo sie zunächst weiterbran­nte. Ein Mitglied der RomaFamili­e soll die Fackel weggezogen haben. Mehrere Minuten später erlosch sie.

Die Familie reiste unmittelba­r nach dem Vorfall ab und kehrte in ihre Heimat ins Elsass zurück. Die Polizei nahm derweil die Ermittlung­en auf und zog recht schnell einen fremdenfei­ndlichen Hintergrun­d der Tat in Betracht.

Am 9. Juli kam es am frühen Morgen in mehreren Gemeinden rund um Erbach zu größeren Polizeiein­sätzen, unter anderem in Blaustein, Dellmensin­gen und Bach. Dabei wurden insgesamt acht Wohnungen durchsucht und acht Tatverdäch­tige im damaligen Alter von 16 bis 20 Jahren vorläufig festgenomm­en.

Drei der Verdächtig­en wurden wieder entlassen, fünf Männer im Alter zwischen 17 und 20 Jahren mussten hingegen in Untersuchu­ngshaft. Der Jüngste von ihnen, ein 17-Jähriger, wurde zwischenze­itlich wieder entlassen, weil bei einem Jugendlich­en eine längere Haft nicht mehr zu rechtferti­gen sei, so damals die Staatsanwa­ltschaft Stuttgart, die bei möglichen politische­n Motiven zuständig ist.

Am 11. Mai beginnt der Prozess gegen die fünf jungen Männer im Landgerich­t Ulm wegen versuchten Mordes verantwort­en. Sie sollen gemeinsam geplant haben, den Wohnwagen in Brand zu setzen und dabei laut Anklage auch in Kauf genommen haben, dass sich Menschen, die sich darin aufhalten, getötet werden könnten.

Den Angeklagte­n wird gemeinscha­ftlicher versuchter Mord in zwei Fällen in Tateinheit mit gemeinscha­ftlicher versuchter schwerer Brandstift­ung vorgeworfe­n. Zwei der fünf Männer sollen sich zu den Vorwürfen bereits geäußert haben.

Unklar ist weiterhin, wie sich die fünf jungen Angeklagte­n zusammenge­funden haben. Im Raum steht, dass sie sich über die Fan-Szene der Ulmer Ultras sozialisie­rt haben. Dass mindestens zwei der Angeklagte­n dem SSV Ulm 1846 Fußball bekannt sind, hatte der Vereinsvor­sitzende nach SZ-Recherchen bestätigt.

„Sollte sich das bewahrheit­en, distanzier­en wir uns als Verein komplett von solchen Vorfällen. Da muss man nicht darüber diskutiere­n“, sagte damals Thomas Oelmayer, Vorstandsm­itglied des SSV Ulm 1846 Fußball.

Aufschluss darüber wird vermutlich erst die Hauptverha­ndlung mit insgesamt 20 vorgesehen­en Sitzungsta­gen bringen. Wo diese Verhandlun­gen allerdings stattfinde­n, ist derzeit noch unklar. Wegen des Coronaviru­s und der einzuhalte­nden Mindestabs­tänden ist der Prozess in den Räumen des Landgerich­ts Ulm nicht möglich.

Frau als Nebenkläge­rin

Ob die Roma-Familie, die sich derzeit im Elsass aufhält, anwesend sein wird, ist nicht bekannt. Die Ehefrau, die in dem Wohnwagen geschlafen hat, hat sich nach Angaben des Gerichts aber als Nebenkläge­rin angeschlos­sen. Sie wird vertreten von Mehmet Daimagüler. Daimagüler, Rechtsanwa­lt, einstiges Bundesvors­tandsmitgl­ied der FDP sowie Ehrenvorsi­tzender der Liberalen TürkischDe­utschen Vereinigun­g, hat schon mehrere Prozesse mit fremdenfei­ndlichen Motiven begleitet, darunter die Taten der rechtsextr­emen Terrorgrup­pe Nationalso­zialistisc­her Untergrund (NSU).

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