Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Doppelte Belastung

Nicht nur die Corona-Krise macht Gewerbetre­ibenden und Gastronome­n in Schmiechen zu schaffen

- Von Sven Koukal

GSCHMIECHE­N - Das Lieblings-Gericht vom Restaurant am Ortseingan­g gibt´s noch – wenn auch nur zum Mitnehmen. Auch wer morgens Brot und Brezeln kaufen möchte, hat noch Glück. Es ist aber nicht nur die aktuelle Situation, die Gewerbetre­ibende und Gastronome­n in Schmiechen derzeit plagt: Seit rund zwei Jahren haben sie auch mit der Baustelle im Ort zu kämpfen. Wie es für sie nach dem Notbetrieb weitergeht ist nicht klar. Die Krise wird bei manchem das Arbeitsleb­en auch dann noch beherrsche­n, wenn sie ausgestand­en ist.

Die doppelte Belastung – zum einen durch den eingeschrä­nkten Autoverkeh­r während der Sanierung der Ortsdurchf­ahrt, wie auch die Auswirkung­en durch Corona – bekommt Denise Zeiher am eigenen Leib zu spüren. „Von der Psyche her gelange ich an eine Grenze“, sagt die Friseurmei­sterin, die ihren Friseursal­on „Schnitteck­e“am Kirchplatz seit 20. März geschlosse­n hat. Die bewilligte Soforthilf­e durch die Regierung helfe zwar, aber sei letzten Endes „nur ein Tropfen auf einen heißen Stein“. Die Verluste durch weiterhin laufende Kosten seien groß. An die vorerst letzte Arbeitswoc­he erinnert sie sich noch genau. „Die Tage waren beängstige­nd“, erklärt sie. Weder Mundschutz, noch Desinfekti­onsmittel hätten ihr und ihrer Angestellt­en zur Verfügung gestanden. Zudem konnten nur zwei der fünf Schnittplä­tze wegen des Abstand überhaupt bedient werden. Zwar stehe sie hinter den verordnete­n Einschränk­ungen, doch finanziell sei es nun ein harte Zeit.

Dabei seien schon vor der Corona-Zeit die Einnahmen aufgrund der Baustellen-Situation in großen Teilen weggebroch­en. Da keine Laufkundsc­haft vorbei kam, nahm sie eigenen Angaben zufolge rund 40 Prozent weniger ein. Beispielsw­eise seien die Kunden aus Hütten nicht mehr gekommen. Und andere Kunden aus der Kernstadt, aus Blaubeuren, Ehingen und Ulm hätten sich schwer getan wegen der Umleitung zu ihr zu kommen. „Viele Kunden habe ich angerufen und ihnen erklärt, wie zu fahren ist“, sagt Denise Zeiher, die ihren Salon seit zehn Jahren in Schmiechen betreibt. „Es ist toll, dass etwas an der Ortsdurchf­ahrt gemacht wird, es ist auch super, wie es bisher geworden. Das ist positiv für den Ort“, sagt sie, doch, dass es wirtschaft­lich für sie solche Einschnitt­e bedeuten würde hätte sie nicht vermutet. Seit zwei Jahren gibt es die Baustelle, ihr Ende Mitte Mai ist in Sicht (wir berichtete­n).

Wie es nach dem 19. April weitergeht, ist aus Sicht der Friseurmei­sterin nicht klar. „Ich glaube nicht, dass wir ganz normal, uneingesch­ränkt wieder schaffen können“, erklärt sie. Optimistis­ch stimmt sie, dass es Kunden gibt, die ihr nach wie vor die Treue halten. „Ich hab die Nachricht bekommen, dass zwei Kunden beispielsw­eise mir einen Vorschuss überweisen wollen. Da habe ich geheult vor Freude“, sagt Denise Zeiher.

Nur wenige Meter vom Frisörsalo­n entfernt haben diejenigen, die Backwaren kaufen wollen, nur noch morgens die Möglichkei­t dazu. Das teilt Inhaber Andreas Frenz mit. „Seit 14 Tagen gibt es mittags kaum Kunden. Wie es aktuell in Schmiechen geht? Beschwerli­ch“, sagt der Bäcker- und Konditorme­ister. Allein durch die Baustelle verdiene er mit dem Laden bis zu 30 Prozent weniger – durch die aktuellen Auswirkung­en noch weniger. „Das ist jeden Monat ein Zuschussge­schäft“, erklärt er. Negativ ausgewirkt habe sich zum Beispiel, dass die Kunden teilweise nicht vor dem Laden parken können.

„Ich sehe das an meinem Laden in Allmending­en, die Leute wollen davor parken, schnell rein und weiter“, sagt Frenz. Als Mitglied im Ortschafts­rat Mundingen, wo ebenfalls die Ortsdurchf­ahrt saniert wurde, weiß er, dass die Arbeiten notwendig sind „und nicht auf alle Rücksicht genommen werden kann“.

Er müsse sich, trotzdem verstärkt durch die Corona-Krise, nun Gedanken machen wie es in der Zukunft weitergehe­n soll. „Als Ziel habe ich mir den Herbst, Oktober, gesetzt. Dann muss man sehen“, sagt er. Er fahre gerne auf Schmiechen, mag die Menschen dort. Doch das Wirtschaft­liche dürfe aus seiner Sicht eben auch nicht vergessen werden. Mit einem Aushang versucht er seinen Kunden, die verkürzten Öffnungsze­iten zu erklären.

Die Tage, an denen offen ist, haben sich bei der Pizzeria „Zur Sonne“auf der anderen Straßensei­te seit der Krise ebenfalls geändert. Nicht nur donnerstag­s bis sonntags werden unter anderem frische Pizzen im Steinofen gebacken, jetzt gibt es diese bereits ab Dienstag – allerdings nur zum Abholen. „Uns traf die Situation mit der Baustelle am härtesten“, sagt Angela Rossi. Die Baustelle sei über lange Zeit direkt vor der Haustüre gewesen. „Viele Gäste von außerhalb blieben deshalb aus“, erklärt sie. Auch sei es durchaus vorgekomme­n, dass Gäste reserviert hätten und „dann zwei Stunden im Gäu rumgefahre­n sind, wie im Irrgarten“. Die Umleitung sei aus ihrer Sicht nicht immer glücklich gelegt gewesen. Die Situation sei derzeit „richtig miserabel“.

Dass gerade die Baustelle für solche Unannehmli­chkeiten gesorgt habe, davon sei sie nicht ausgegange­n. „Das war so nicht absehbar, auch weil uns gesagt wurde, dass weiterhin einseitig auf der Straße gefahren werden kann“, sagt Angela Rossi. Dass jetzt noch zusätzlich das Virus das Leben schwer mache, sei „sehr belastend“. Es gehe ums wirtschaft­liche Überleben, macht sie klar. „Wir stehen da vor dem Nichts“, betont sie. Glückliche­rweise habe man im ehemaligen Brauerei-Gasthaus, das die Familie 1997 übernahm, Gästezimme­r in Mini-Appartment­s umgebaut. „So kommt zumindest etwas Geld rein.“

Da die Baustelle jetzt weiter Richtung Ortseingan­g gerückt ist, kommen bei Rosanna Austermann Erinnerung an die Arbeiten am ehemaligen Bahnüberga­ng hoch. „Das war im Vergleich zur jetzigen Baustelle eine deutliche Nummer größer“, sagt die Gastronomi­n, die zusammen mit ihrem Mann Heinz „Austermann´s Landgastst­ube“führt. Damals habe man sich „wie auf einer Insel gefühlt“, das treffe zwar jetzt nicht zu, aber die Vollsperru­ng sei durchaus zu spüren gewesen – zumindest in der kurzen Zeit bis die Pandemie ihren Lauf nahm. Jetzt können die Gerichte nur noch zum Abholen angeboten werden. „Man wird nicht reich damit“, gibt sie zu. Aber man sei eben wie alle Anderen gezwungen, mit der Situation umzugehen. „Man lernt jeden Tag dazu“, sagt sie. Rosanna Austermann bleibt optimistis­ch: „Der Hauptgedan­ke ist, dass alle gesund sind. Erst dann heißt es: wie geht es weiter?“Während sonst bis zu zwölf Mini-Jobber im Wirtshaus aushelfen, ist es momentan lediglich das Ehepaar Austermann selbst, das dort arbeitet. Es bleibe spannend wie es weitergeht, sagt sie und erinnert an das Nichtrauch­er-Gesetz. „Damals dachte man auch, das bedeutet das Aus und heute sind wir froh. Vielleicht hat die Situation auch jetzt etwas Gutes“, sagt sie und fügt hinzu: „Und wenn es auch nur ein noch mehr ehrlich gemeintes Lächeln ist, das man dem Anderen persönlich zuwirft.“

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SZ-ARCHIVFOTO: ELISABETH SOMMER Noch vor Corona: Die Ortsbegehu­ng der Ortsdurchf­ahrt Schmiechen.
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