Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Müller gibt nach, Wöhrl klagt

Drogeriekö­nig schließt Abt und wirft mit Beleidigun­gen um sich – Gerichtsur­teil unterstütz­t

- Von Oliver Helmstädte­r

GULM - Der Druck der Stadt Ulm hatte offenbar Erfolg: Nachdem der Drogeriekö­nig Erwin Müller das zu seinem Konzern gehörende Haushaltsw­arengeschä­ft Abt in den vergangene­n zwei Tagen, entgegen gültigen Corona-Verordnung­en, öffnen ließ, standen die Kunden am Mittwoch vor abgesperrt­en Türen. „Sehr geehrte Kunden, die Filiale bleibt vorübergeh­end geschlosse­n!“, steht auf an die Schiebetür geklebten DIN-A4Zetteln. Wie berichtet, hatte Ulms OB Gunter Czisch auf die Einsicht des Unternehme­ns gesetzt. Offenbar mit Erfolg. Der Frust bei Müller sitzt dennoch tief.

Der Milliardär konnte es sich nicht verkneifen, Journalist­en, die darüber geschriebe­n hatten, persönlich zu beleidigen. So griff der 87-Jährige zum Telefon und bezeichnet­e mit leiser Stimme die Berichters­tattung als primitiv. Der Autor habe zudem die Bezeichnun­g Journalist nicht verdient. Nachfragen ließ Müller nicht zu, er legte nach seiner Schimpftir­ade lieber auf. Ein bekanntes Muster: Auch im Zusammenha­ng über kritische Berichters­tattung zu seinem Umgang mit Betriebsrä­ten und „dubioses Geschäftsg­ebaren“(Stern) griff Müller Journalist­en verbal an.

Einen anderen Weg als Müller wählte der Textilfili­alist Wöhrl für seine Ulmer Filiale. Anstatt gleich zu öffnen wie der Drogeriemo­gul erstritt sich das Unternehme­n das Recht auf Öffnung vor dem Verwaltung­sgericht in Sigmaringe­n. Die Richter entschiede­n, dass die Corona-Verordnung eine Öffnung eines Einzelhand­elsgeschäf­ts zulässt, das eine Verkaufsfl­äche von höchstens 800 Quadratmet­ern durch Abtrennung von der eigentlich größeren Verkaufsfl­äche für den Publikumsv­erkehr bereitstel­lt.

Wöhrl in der Hirschstra­ße hatte am Mittwoch im Erdgeschos­s auch prompt wieder geöffnet. Das Unternehme­n begrüßt auf Anfrage den Beschluss des Verwaltung­sgerichts und hält es für einen wichtigen Beitrag zur Gleichbere­chtigung im Einzelhand­el während der Corona-Krise.

Wie groß die Signalwirk­ung ist, steht in den Sternen: Wöhrl hat nach eigenen Angaben auch Klage auf teilweise Öffnung des Haupthause­s in

Nürnberg eingereich­t. Hier stehe ein Beschluss noch aus. Eine Öffnung von Teilfläche­n steht laut Argumentat­ion der Richter nicht im Widerspruc­h zum Zweck der Norm – nämlich der Vermeidung einer Ansteckung­sgefahr mit dem Coronaviru­s aufgrund von überfüllte­n Innenstädt­en.

Damit hat die Stadt Ulm, was sie eigentlich ausdrückli­ch vermeiden wollte: zeitaufwen­dige rechtliche Verfahrens­schritte. Vermutlich werden nun auch Großgeschä­fte wie Kaufhof Galeria oder Sport-Sohn anstreben, Teile zu öffnen. Einen Anfang machte bereits der Sportriese Decathlon, der seine Fahrradabt­eilung im Blautal-Center wieder für Publikumsv­erkehr zuließ. Nachdem die baden-württember­gische Wirtschaft­sministeri­n Nicole Hoffmeiste­r-Kraut ausdrückli­ch im Zuge der Vorstellun­g der „Richtlinie zu den Voraussetz­ungen der Öffnung im Einzelhand­el“betont hatte, dass Abtrennung­en und Teilöffnun­gen von Verkaufsfl­ächen nicht zugelassen sind, ist auch eine Neufassung der Regeln denkbar.

Denn ob es insgesamt rechtswidr­ig ist, dass größere Geschäfte geschlosse­n bleiben müssen – zum Beispiel, weil das gegen das im Grundgeset­z festgelegt­e Gleichbeha­ndlungsgeb­ot verstoßen könnte –, ließen die Richter nämlich offen.

Der Ulmer Citymanage­r Stefan Greiner spricht sich grundsätzl­ich für Teilöffnun­gen aus. „Das wäre schön.“Das Verhalten von Müller – eine Firma, die genauso wie Abt Mitglied in der Werbegemei­nschaft ist – wollte er nicht kommentier­en. Bei den Ulmer Händlern sei nach vier Wochen Shutdown zumindest wieder etwas Optimismus und eine langsame Rückkehr zur Normalität zu erkennen. „Die ersten Tage danach waren eigentlich ganz ordentlich“, sagt Tim Klamser.

Zusammen mit anderen Ulmer Händlern beteiligt sich das Sportgesch­äft am Projekt „Ulmer City Kurier“, das noch bis 30. April läuft. Knapp 900 Lieferunge­n stellten die Kuriere in den vergangene­n Wochen zu. Rasmus Schöll von der Buchhandlu­ng Aegis lieferte allein 250 Exemplare des Romans „Die Pest“von Albert Camus aus. Eine „schöne Hilfe“sei der City Kurier für sein Buchgeschä­ft. Doch die Umsatzeinb­rüche seien dennoch enorm.

 ?? FOTO: ALEXANDER KAYA ?? Das Abt-Kaufhaus in der Ulmer Hirschstra­ße hat wieder geschlosse­n.
FOTO: ALEXANDER KAYA Das Abt-Kaufhaus in der Ulmer Hirschstra­ße hat wieder geschlosse­n.
 ?? FOTO: ALEXANDER KAYA ?? Das Modehaus Wöhrl Plaza in der Ulmer Hirschstra­ße.
FOTO: ALEXANDER KAYA Das Modehaus Wöhrl Plaza in der Ulmer Hirschstra­ße.

Newspapers in German

Newspapers from Germany