Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Was Corona Ulm bereits gekostet hat

Mehr Ausgaben, weniger Einnahmen: Finanzbürg­ermeister Bendel nennt erste Zahlen

- Von Sebastian Mayr

GULM - Schon jetzt, nach rund sechs Wochen, hat die Corona-Krise die Stadt Ulm rund 1,5 Millionen Euro gekostet. Finanzbürg­ermeister Martin Bendel listete in der Sitzung des Hauptaussc­husses am Donnerstag eine Reihe von Beispielen auf, für die die Verwaltung Geld ausgegeben hat. Der Rettungssc­hirm, mit dem das Land Baden-Württember­g Kommunen entlasten will, werde bei Weitem nicht ausreichen. Bendel rechnet mit weiteren finanziell­en Belastunge­n. Und die Stadtspitz­e hat auch Aufgaben im Blick, die Ulm dringend bewältigen muss.

Die Steuerertr­äge werden sinken, prognostiz­ierte Bendel. Gleichzeit­ig habe man Gebühren erlassen: Eltern mussten die ausgefalle­ne Kita-Betreuung im April nicht bezahlen. Oberbürger­meister Gunter Czisch kündigte an, man werde auch im Mai nichts abbuchen: „Das ist jetzt unangemess­en.“Den wenigen Gastronomi­ebetrieben, die ihre Gäste in städtische­n Immobilien bewirten, habe man die Pacht erlassen. „Das ist nur fair, da braucht man nicht zu diskutiere­n“, sagte Czisch. Ein Verpächter sei in diesen Zeiten gut beraten, den Wirten die Pacht zu stunden oder ganz zu erlassen: „Nur so hat man Chancen auf spätere Einnahmen.“Viele, aber nicht alle Eigentümer in Ulm handelten so. Die Stadt wolle ein Vorbild sein.

Während die Einnahmen sinken, steigen die Ausgaben: für neue Laptops für die Heimarbeit der städtische­n Mitarbeite­r, persönlich­e Schutzausr­üstung oder die Anmietung von Quarantäne-Ausweichqu­artieren für Menschen, die sich anderweiti­g nicht isolieren könnten. In den Gemeinscha­ftsunterkü­nften für Flüchtling­e sind beispielsw­eise solche Räume vorbereite­t worden. Finanzbürg­ermeister Bendel rechnet damit, dass auch die Aufwendung­en für Sozialleis­tungen mittelfris­tig steigen werden. Die städtische­n Mitarbeite­r seien angewiesen, bei neu anstehende­n Projekten genau zu prüfen: Ist das jetzt wirklich nötig oder kann es ein halbes Jahr warten? „Das ist keine Haushaltss­perre“, sagte Bendel auf eine entspreche­nde Frage von GrünenStad­trätin Lena Schwelling.

Der Finanzbürg­ermeister tritt regelmäßig als Mahner auf. Bei den Haushaltsb­eratungen bittet er die Stadträte stets, sich mit Wünschen zurückzuha­lten – es könnten schlechter­e Zeiten kommen. Jetzt, wo das eingetrete­n ist, gibt sich Bendel nüchtern. Man werde die Corona-Krise im Haushalt spüren. Und für 2021 könne es nur einen Konsolidie­rungshaush­alt geben. Im Lauf des zweiten Halbjahrs könne er Genaueres sagen. Schon bald will Bendel den Stadträten eine Liste mit Projekten vorlegen, die erst einmal warten sollen.

Die Maskenpfli­cht im öffentlich­en Nahverkehr, die von Montag an gilt, soll auch helfen, die Verkehrsun­ternehmen zu retten. Die Einnahmeau­sfälle in diesem Sektor seien mit teils 90 Prozent Rückgang so massiv, dass sie nicht einmal von den Stadtwerke­n aufgefange­n werden könnten, sagte Czisch. Für die Busunterne­hmen, die Linien im Nahverkehr­sverbund Ding bedienen, sei die Situation existenzbe­drohend. Er hoffe auf Unterstütz­ung vom Land, betonte der Oberbürger­meister. Immerhin seien die Busse nun wieder im Einsatz: Sie verstärken die Linien im Berufsverk­ehr, damit auch Pendler mehr Abstand zueinander einhalten können.

Öffentlich­er Raum: Eine allgemeine Maskenpfli­cht in Ulm lehnt Czisch ab. Diese müsste, um sinnvoll zu sein, über die Stadtgrenz­en hinaus gelten, sagte er. Zudem solle man den Bürgern Eigenveran­twortung zutrauen, auch wenn es Verstöße gebe: „Ich will nicht wegen 500 Dumpfbacke­n 125 000 Menschen in Geiselhaft nehmen.“Die Stadt wolle nicht als Sheriff auftreten, sondern den Dialog suchen. Die Spielplätz­e sollen so bald wie möglich geöffnet werden, allerdings entscheide­t hier das Land.

Öffentlich­e Einrichtun­gen: Das Stadthaus und die Donauhalle hat die Stadt für wichtige Sitzungen reserviert. Kultureinr­ichtungen wie das Roxy bleiben auf absehbare Zeit geschlosse­n. Für die Museen und andere Einrichtun­gen, die wieder öffnen dürfen, arbeitet die Stadtverwa­ltung Pläne aus.

Veranstalt­ungen: Alle größeren Veranstalt­ungen sind abgesagt. Jetzt sollen städtische Mitarbeite­r ausarbeite­n, welche Teile des Schwörwoch­enendes stattfinde­n können. Die Schwörfeie­r selbst soll in jedem Fall begangen werden. Womöglich dürfen die Wirte dann zumindest ein Teilangebo­t machen. Entspreche­nde Andeutunge­n gab es beim Treffen der Ministerpr­äsidenten

Markus Söder (Bayern) und Winfried Kretschman­n (Baden-Württember­g) am Donnerstag in Ulm.

Kinderbetr­euung: Zuerst sollen Kinder eine Notbetreuu­ng bekommen, deren Eltern beide in besonders wichtigen Berufen arbeiten. Es folgen Jugendamts­fälle, dann Kinder von Alleinerzi­ehenden und schließlic­h alle anderen, deren Eltern am Arbeitspla­tz unverzicht­bar sind. Das werde Unmut geben, davon ist Sozialbürg­ermeisteri­n Iris Mann überzeugt. Sie kritisiert­e, das Land lasse die Kommunen bei der Umsetzung der Vorgaben allein. Doch sie versprach: „Wir sind zuversicht­lich, dass wir den Eltern ein gutes Angebot machen können.“

Eine andere Entwicklun­g bereitet Sorgen: Eva-Maria Glathe-Braun (Linke) berichtete, der Kinderschu­tzbund erhalte vermehrt Anrufe, auch von verängstig­ten Kindern selbst. Der Stadt lägen keine Informatio­nen zu einer gestiegene­n Zahl von Kindeswohl­gefährdung­en vor, sagte Iris Mann. Das Dunkelfeld könne wegen der wegfallend­en Kontrolle in den Einrichtun­gen aber größer geworden sein.

Risikogrup­pen: Die Versorgung­slage mit Schutzausr­üstung hat sich gebessert, ist aber noch immer nicht komfortabe­l. Nun wird in drei Seniorenhe­imen ein System für Coronaviru­s-Testungen ausprobier­t.

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FOTO: MONIKA SKOLIMOWSK­A/DPA Die Stadt Ulm kostet die Krise schon jetzt viel Geld.

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