Was Corona Ulm bereits gekostet hat
Mehr Ausgaben, weniger Einnahmen: Finanzbürgermeister Bendel nennt erste Zahlen
GULM - Schon jetzt, nach rund sechs Wochen, hat die Corona-Krise die Stadt Ulm rund 1,5 Millionen Euro gekostet. Finanzbürgermeister Martin Bendel listete in der Sitzung des Hauptausschusses am Donnerstag eine Reihe von Beispielen auf, für die die Verwaltung Geld ausgegeben hat. Der Rettungsschirm, mit dem das Land Baden-Württemberg Kommunen entlasten will, werde bei Weitem nicht ausreichen. Bendel rechnet mit weiteren finanziellen Belastungen. Und die Stadtspitze hat auch Aufgaben im Blick, die Ulm dringend bewältigen muss.
Die Steuererträge werden sinken, prognostizierte Bendel. Gleichzeitig habe man Gebühren erlassen: Eltern mussten die ausgefallene Kita-Betreuung im April nicht bezahlen. Oberbürgermeister Gunter Czisch kündigte an, man werde auch im Mai nichts abbuchen: „Das ist jetzt unangemessen.“Den wenigen Gastronomiebetrieben, die ihre Gäste in städtischen Immobilien bewirten, habe man die Pacht erlassen. „Das ist nur fair, da braucht man nicht zu diskutieren“, sagte Czisch. Ein Verpächter sei in diesen Zeiten gut beraten, den Wirten die Pacht zu stunden oder ganz zu erlassen: „Nur so hat man Chancen auf spätere Einnahmen.“Viele, aber nicht alle Eigentümer in Ulm handelten so. Die Stadt wolle ein Vorbild sein.
Während die Einnahmen sinken, steigen die Ausgaben: für neue Laptops für die Heimarbeit der städtischen Mitarbeiter, persönliche Schutzausrüstung oder die Anmietung von Quarantäne-Ausweichquartieren für Menschen, die sich anderweitig nicht isolieren könnten. In den Gemeinschaftsunterkünften für Flüchtlinge sind beispielsweise solche Räume vorbereitet worden. Finanzbürgermeister Bendel rechnet damit, dass auch die Aufwendungen für Sozialleistungen mittelfristig steigen werden. Die städtischen Mitarbeiter seien angewiesen, bei neu anstehenden Projekten genau zu prüfen: Ist das jetzt wirklich nötig oder kann es ein halbes Jahr warten? „Das ist keine Haushaltssperre“, sagte Bendel auf eine entsprechende Frage von GrünenStadträtin Lena Schwelling.
Der Finanzbürgermeister tritt regelmäßig als Mahner auf. Bei den Haushaltsberatungen bittet er die Stadträte stets, sich mit Wünschen zurückzuhalten – es könnten schlechtere Zeiten kommen. Jetzt, wo das eingetreten ist, gibt sich Bendel nüchtern. Man werde die Corona-Krise im Haushalt spüren. Und für 2021 könne es nur einen Konsolidierungshaushalt geben. Im Lauf des zweiten Halbjahrs könne er Genaueres sagen. Schon bald will Bendel den Stadträten eine Liste mit Projekten vorlegen, die erst einmal warten sollen.
Die Maskenpflicht im öffentlichen Nahverkehr, die von Montag an gilt, soll auch helfen, die Verkehrsunternehmen zu retten. Die Einnahmeausfälle in diesem Sektor seien mit teils 90 Prozent Rückgang so massiv, dass sie nicht einmal von den Stadtwerken aufgefangen werden könnten, sagte Czisch. Für die Busunternehmen, die Linien im Nahverkehrsverbund Ding bedienen, sei die Situation existenzbedrohend. Er hoffe auf Unterstützung vom Land, betonte der Oberbürgermeister. Immerhin seien die Busse nun wieder im Einsatz: Sie verstärken die Linien im Berufsverkehr, damit auch Pendler mehr Abstand zueinander einhalten können.
Öffentlicher Raum: Eine allgemeine Maskenpflicht in Ulm lehnt Czisch ab. Diese müsste, um sinnvoll zu sein, über die Stadtgrenzen hinaus gelten, sagte er. Zudem solle man den Bürgern Eigenverantwortung zutrauen, auch wenn es Verstöße gebe: „Ich will nicht wegen 500 Dumpfbacken 125 000 Menschen in Geiselhaft nehmen.“Die Stadt wolle nicht als Sheriff auftreten, sondern den Dialog suchen. Die Spielplätze sollen so bald wie möglich geöffnet werden, allerdings entscheidet hier das Land.
Öffentliche Einrichtungen: Das Stadthaus und die Donauhalle hat die Stadt für wichtige Sitzungen reserviert. Kultureinrichtungen wie das Roxy bleiben auf absehbare Zeit geschlossen. Für die Museen und andere Einrichtungen, die wieder öffnen dürfen, arbeitet die Stadtverwaltung Pläne aus.
Veranstaltungen: Alle größeren Veranstaltungen sind abgesagt. Jetzt sollen städtische Mitarbeiter ausarbeiten, welche Teile des Schwörwochenendes stattfinden können. Die Schwörfeier selbst soll in jedem Fall begangen werden. Womöglich dürfen die Wirte dann zumindest ein Teilangebot machen. Entsprechende Andeutungen gab es beim Treffen der Ministerpräsidenten
Markus Söder (Bayern) und Winfried Kretschmann (Baden-Württemberg) am Donnerstag in Ulm.
Kinderbetreuung: Zuerst sollen Kinder eine Notbetreuung bekommen, deren Eltern beide in besonders wichtigen Berufen arbeiten. Es folgen Jugendamtsfälle, dann Kinder von Alleinerziehenden und schließlich alle anderen, deren Eltern am Arbeitsplatz unverzichtbar sind. Das werde Unmut geben, davon ist Sozialbürgermeisterin Iris Mann überzeugt. Sie kritisierte, das Land lasse die Kommunen bei der Umsetzung der Vorgaben allein. Doch sie versprach: „Wir sind zuversichtlich, dass wir den Eltern ein gutes Angebot machen können.“
Eine andere Entwicklung bereitet Sorgen: Eva-Maria Glathe-Braun (Linke) berichtete, der Kinderschutzbund erhalte vermehrt Anrufe, auch von verängstigten Kindern selbst. Der Stadt lägen keine Informationen zu einer gestiegenen Zahl von Kindeswohlgefährdungen vor, sagte Iris Mann. Das Dunkelfeld könne wegen der wegfallenden Kontrolle in den Einrichtungen aber größer geworden sein.
Risikogruppen: Die Versorgungslage mit Schutzausrüstung hat sich gebessert, ist aber noch immer nicht komfortabel. Nun wird in drei Seniorenheimen ein System für Coronavirus-Testungen ausprobiert.