Politisch motivierte Kriminalität wächst
Polizei Ulm informiert über die genauen Zahlen
ULM (sz) - In einem Bereich meldet das Polizeipräsidium Ulm, dass die politisch motivierte Kriminalität zunimmt. Demnach hat die Zahl der Fälle im Jahr 2019 gegenüber dem Vorjahr um rund ein Viertel zugenommen. Zuwächse seien in erster Linie bei Straftaten von rechts feststellbar.
224 politisch motivierte Straftaten registrierte die Polizei im Jahr 2019 in den Landkreisen Alb-Donau, Biberach, Göppingen, Heidenheim und in der Stadt Ulm. Für dieses Gebiet ist das Polizeipräsidium Ulm zuständig. Das entspricht einer Zunahme von 47 Fällen (+27 Prozent). Das beruhe in erster Linie auf einer Zunahme der rechten politisch motivierten Kriminalitä, deren Fallzahlen allein um 21 Straftaten auf jetzt 142 Fälle (+17 Prozent) anstieg. 73 dieser Fälle waren sogenannte Propagandadelikte, etwa Hakenkreuzschmierereien oder dessen Abbildung im Internet. Weitere 54 Fälle sind Gewaltdarstellungen oder Volksverhetzung, oft auch im Internet begangen. In 74 Fällen sei von einem fremdenfeindlichen Hintergrund auszugehen. Deutliche Zunahmen (von 15 auf 50 Straftaten, +233 Prozent) sind auch bei den Fällen zu verzeichnen, die keiner politischen Strömung zuzuordnen waren. 44 dieser 50 Straftaten waren Sachbeschädigungen, Beleidigungen und sonstige Fälle wie Diebstähle, insbesondere zur Zeit der Europaund Kommunalwahlen. Deutlich weniger Fälle (von 23 auf sechs Straftaten, -74 Prozent) sind ausländischen Ideologien zuzuordnen. Es handelt sich hier um vier Verstöße gegen das Versammlungsgesetz und zwei Sachbeschädigungen. Die Zahl der Straftaten der linken politisch motivierten Kriminalität stieg ebenfalls an: von 16 auf 22 Straftaten, (+38 Prozent), darunter allein 18 Sachbeschädigungen.
Bei einer genaueren Analyse fällt auf, dass die Steigerung dieser Form der Kriminalität insbesondere durch deutlich mehr Fallzahlen in den Monaten April und Mai 2019 begründet ist. Im Mai 2019 fanden Europa- und Kommunalwahlen statt, die eine Plattform für politisch motivierte Straftaten boten. Allein in diesen beiden Monaten wurden 44 Straftaten mehr begangen als im Vorjahr. Dieser Zuwachs war überwiegend keiner politischen Strömung zuzuordnen. Erfreulich sei der Rückgang der politisch motivierten Gewaltdelikte. Ihre Zahl sank im Jahr 2018 gegenüber dem Vorjahr von 16 auf jetzt sechs Straftaten (- 63 Prozent). Die Zahl der antisemitischen Straftaten dagegen stieg im gleichen Zeitraum von fünf auf 16 Fälle und hat sich damit mehr als verdreifacht. Antisemitische Gewaltdelikte waren im vergangenen Jahr, wie im Jahr zuvor, nicht bekannt geworden. Es handelte sich vielmehr um Sachbeschädigungen, Volksverhetzungen und Beleidigungen.
Verteilt auf die einzelnen Regionen im Gebiet des Polizeipräsidiums Ulm wurden die meisten Straftaten der politisch motivierten Verbrechen aus dem Landkreis Göppingen gemeldet (68 Fälle, 30 Prozent Anteil), gefolgt von der Stadt Ulm (52 Fälle, 23 Prozent) und den Landkreisen Biberach (45 Fälle, 20 Prozent), Alb-Donau (32 Fälle, 14 Prozent) und Heidenheim (27 Fälle, 12 Prozent). Besondere Zuwächse gegenüber dem Vorjahr waren hier in den Landkreisen Biberach (+24 Fälle, +114 Prozent) und Alb-Donau (+13 Fälle, +68 Prozent) zu verzeichnen, während einzig im Stadtgebiet Ulm die Zahlen leicht zurückgingen (-4 Fälle, -7 Prozent).
Jede zweite Straftat der politisch motivierten Kriminalität klärte die Polizei auf. Von den politisch motivierten Gewaltdelikten wurde jede Tat aufgeklärt. Darunter war der Fackel-Angriff auf eine Familie am Ortsrand von Dellmensingen im Alb-Donau-Kreis: Eine französische Familie hatte sich mit 18 Wohnwagen auf einem Wiesengelände niedergelassen. Im Mai 2019 näherte sich dem Gelände ein Fahrzeug. Kurz darauf flog eine brennende Gartenfackel auf das Gelände und landet nahe an einem mit drei Personen bewohnten Wohnwagen. Die Fackel erlosch. Aus dem Fahrzeug ertönte offenbar die Äußerung „Zigeuner, ihr seid nicht willkommen". Ein Holzschild gegenüber dem Wiesengrundstück trug die Aufschrift „Not Welcome“.
Die Staatsanwaltschaft Stuttgart leitete ein Strafverfahren wegen des versuchten Mordes in Tateinheit mit versuchter schwerer Brandstiftung ein. Die intensiven Ermittlungen der Ermittlungsgruppe Wiese des Polizeipräsidiums Ulm führen zu acht jungen Männern im Alter von 16 bis 20 Jahren. Eine DNA-Spur und sichergestellte Beweismittel erhärteten den Tatverdacht gegen fünf der acht jungen Männer. Gegen diese fünf jungen Männer erhob die Staatsanwaltschaft Stuttgart Anklage beim Landgericht Ulm.
Zur Bekämpfung derartiger Kriminalität hat die Polizei ein Bündel an Maßnahmen geschnürt: Die Ermittlungen zu Straftaten werden in der Regel zentral von der Kriminalinspektion 6 (Staatsschutz) der Kriminalpolizei geführt. Die Dienststellen der Polizei pflegen enge Kontakte zu Gruppen und Vereinen, die von Straftaten betroffen sein könnten, etwa religiöse Vereine und Gemeinschaften, Moscheen und Synagogen. Die Polizeiliche Prävention bietet zielgerichtete Vorträge zum Thema Extremismus für bestimmte Zielgruppen an. Darüber hinaus profitiert das Polizeipräsidium Ulm von den landesweiten Initiativen und Angeboten des Landeskriminalamts und der Ministerien.