Autorin Nora Bossong erhält Thomas-Mann-Preis
Beispiel beschrieb der damals 14-jährige Michael Ginns seine Zeit im Schloss als eine „Erfahrung, die ich nicht missen möchte“. Seine Mutter war Krankenschwester, er konnte mit ihr in der Krankenstation leben. Zusammen mit einer anderen Gruppe von Jugendlichen besorgte er das Brot beim Bäcker in der Stadt und nutzte den Ausgang zu Kontakten. Kaum Schulunterricht, dafür Theateraufführungen, Sportveranstaltungen, Tanzabende, Kino und sonstiger Zeitvertreib, mit dem die Internierten ein Stück Normalität wahren wollten – für die Jugendlichen war das Leben im Schloss oft weniger restriktiv als der übliche Schulalltag.
Vor allem die Spaziergänge in die Umgebung waren beliebt, Ausflüge in den „Hasen“nach Albers boten die Gelegenheit zur Einkehr – und als Nebeneffekt einen florierenden Tauschhandel: Schokolade aus den Rot-Kreuz-Paketen der Jerseyer gegen Lebensmittel und Kleidung.
„Der Kontakt der Internierten zur Bevölkerung war in Wurzach enger als wahrscheinlich in Biberach, denn das Schloss liegt mitten im Ort“, vermutet Rothenhäusler. Und doch dauerte es Jahrzehnte, bis später die privaten Kontakte und Freundschaften durch eine offizielle Städtepartnerschaft zwischen Bad Wurzach und St. Helier auf Jersey besiegelt wurden. Der Widerstand in der Bevölkerung auf Jersey war lange zu groß. Erst 2002 unterzeichneten Bürgermeister Roland Bürkle und sein Amtskollege aus Jersey, Simon Crowcroft, Bailiff genannt, die Partnerschaftsurkunde.
Es sei „extrem traurig“, so Lola Garvin, dass die von ihr mitorganisierten Veranstaltungen zur Befreiung des Lagers ausfallen müssen. Vor allem, da es für die ehemaligen Internierten wohl die letzte Reise nach Bad Wurzach gewesen wäre. Noch etwa 15 bis 20 leben heute auf Jersey, die meisten sind allerdings zu gebrechlich, um die Reise im kommenden Jahr nachzuholen. „Aber es gibt einen Austausch der Jugend, und das macht mich glücklich“, sagt die Dame. Ihren Eltern hat die Internierung nichts Gutes gebracht. Und doch hat sie den Bad Wurzachern die Hand zur Wiedergutmachung gereicht.
Die Schriftstellerin Nora Bossong (Foto: dpa) wird mit dem diesjährigen ThomasMann-Preis in Höhe von 25 000 Euro ausgezeichnet. Das teilte die Stadt Lübeck am Montag mit, die den Preis gemeinsam mit der Bayerischen Akademie der schönen Künste vergibt. Die 38-Jährige, die in Berlin lebt, gehöre zu den vielseitigsten deutschsprachigen Autorinnen der Gegenwart, heißt es in der Begründung der Jury. Insbesondere in ihren Romanen führe Bossong ihre Leser „in schmerzhaft relevante Problemfelder unserer Gegenwart“und beweise zugleich große sprachliche Virtuosität. Bossongs jüngstes Werk „Schutzzone“(2019) erzählt die Geschichte einer deutschen UNDiplomatin in Afrika. (epd)