Die Sorgen des Breitensports
Landessportbünde fürchten gravierende Auswirkungen – Hoffen auf positive Signale der Politik
EHINGEN (dpa/aw/tk) - Der Ball ruht, die Sportstätten sind gesperrt. Die Coronavirus-Pandemie hat den deutschen Profi- und vor allem auch den Breitensport Mitte März flächendeckend gestoppt. Vielen Sportarten drohen auch nach den ersten sechs Wochen noch immer monatelange Pausen. Alle blicken gespannt auf Mittwoch, wenn Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bei einem Treffen mit den Ministerpräsidenten auch über den Sport reden will. Die Deutsche Presse-Agentur hat die Präsidenten der Landessportbünde zum aktuellen Stand befragt. Im Folgenden wichtige Fragen zu den Sorgen des Amateursports.
Welche finanziellen Schäden drohen den Clubs?
Die Zahlen differieren, weil das Krisenende noch nicht absehbar ist und jeder Landessportbund anders rechnet. Mancher mit Profivereinen, mancher ohne. Hessen geht schon jetzt von „einem hohen zweistelligen Millionenbetrag“aus, in Berlin ergeben allein die bisherigen Rückmeldungen von Vereinen aus dem Breiten-, Gesundheits- und Rehasport eine Summe von sechs Millionen Euro. In digitalen Meldesystemen haben bereits Tausende Vereine ihre erwarteten Einbußen beziffert. Die Vereine im Zuständigkeitsbereich des Württembergischen Landessportbunds (WLSB) können derzeit online ihre finanziellen Schäden melden. Wegen der laut WLSB „enormen Beteiligung“wurde die Frist für das Online-Meldesystem „mindestens bis 17. Mai“verlängert. „Die übermittelten finanziellen Ausfälle wegen der Corona-Pandemie allein für den Zeitraum seit Mitte März sind besorgniserregend“, sagt WLSB-Präsident Andreas Felchle. Gemeldet wurden Schäden in Höhe von mehr als zehn Millionen Euro. Bereits Mitte März hatte der WLSB einen Notfallfonds für den Sport im Land gefordert. „Für mich ist klar, dass der Sport Geld aus den milliardenschweren Rettungstöpfen des Landes braucht“, sagt Elisabeth Strobel, Präsidentin des Sportkreises Biberach und Vizepräsidentin des WLSB. Aus Sicht von Georg Steinle, Präsident des Sportkreises Alb-Donau/Ulm, sei es für den Württembergischen Landessportbund wichtig, bei möglichen Verhandlungen mit der Landesregierung über Staatshilfen für den Sport Zahlen vorlegen zu können. Der WLSB wolle unter einen Rettungsschirm außerhalb des Solidarpakts, den das Land mit dem organisierten Sport ja unabhängig von Corona hat. Doch Steinle gibt angesichts der ohnehin schon aufgerufenen oder angekündigten Milliarden Euro an Hilfsgeldern in der Coronakrise und weiterer, ständig neuer Forderungen in Wirtschaft und Gesellschaft auch zu bedenken, dass die Möglichkeiten des Staats nicht unerschöpflich sind.
Welche Sportarten sind besonders betroffen?
Es gibt große Unterschiede zwischen den Sportarten. Manche haben laut Rückmeldung der Landessportbünde noch nichts angemeldet, bei anderen geht es schon jetzt um die Existenz. Der LSB Bremen wies vor allem bei Reitvereinen auf große Probleme hin: seit Wochen keine Einnahmen, aber weiter laufende Kosten. Besonders betroffen sind mittelgroße und große Vereine, Vereine mit eigenen Sportanlagen, mit Kursangeboten und festangestellten Mitarbeitern – wie im Gebiet des Sportkreises Alb-Donau/Ulm etwa der SSV Ulm 1846. Darüber hinaus sind diejenigen Klubs mit erheblichen Risiken konfrontiert, die professionellen und semiprofessionellen Sport anbieten und auf Zuschauer angewiesen sind. Solche Vereine, zu denen auch die Zweitliga-Basketballer des Teams Ehingen Urspring zählen, hätten nichts von möglichen Geisterspielen, denn im Profibasketball machen Zuschauereinnahmen einen großen Teil des Etats aus – anders als im Profifußball, der sehr stark von TV-Geldern lebt.
Welche Maßnahmen ergreift die Politik zur Hilfe?
Einige Länder haben schon Hilfen angekündigt. So wurde in Hamburg mit den Behörden ein „Nothilfefonds Sport“in Höhe von fünf Millionen Euro verhandelt, der den Vereinen nicht rückzahlbare Zuschüsse bis zu 25 000 Euro zur Verfügung stellt. Mecklenburg-Vorpommern stellt existenzbedrohten Vereinen bis zu 3,5 Millionen Euro in Aussicht. Die sächsischen Vereine haben Unterstützung in Form einer einmaligen Soforthilfezahlung von bis zu 10 000 Euro und Liquiditätsdarlehen von bis zu 350 000 Euro angeboten bekommen. Viele Funktionäre hoffen auf die Einrichtung eines Solidarfonds für den Sport, insbesondere für den Vereinssport.
Welche Spätfolgen könnte die derzeitige Lage haben?
Bei noch längerem Stillstand drohen Mitgliederaustritte und womöglich Insolvenzen. Wobei Sportkreispräsident Steinle bei den mittelgroßen und kleineren Breitensportvereine, wie sie im Sportkreis Alb-Donau/ Ulm vorherrschend sind, nicht von einer Existenzgefährdung ausgeht. Bei großen Vereinen wie dem SSV Ulm 1846 ist zudem fraglich, ob und wie hauptamtliche Mitarbeiter und Trainer gehalten werden können – auch mit Blick auf die olympischen Spitzensportler. Die Sportvereine sind nicht nur ein wirtschaftlicher, sondern vor allem auch sozialer Pfeiler der Gesellschaft. Nicht absehbar sind die physischen und psychischen Schäden, die durch Nichtbewegung und Wegfall der Sozialkontakte entstehen – da geht es um Integration, Inklusion, Gesundheitsförderung oder Rehabilitation. Auch viele Kinder und Jugendlichen sind vom Sportstopp massiv betroffen.
Was sind aktuell die größten Herausforderungen für die Vereine? Die Sicherung der Vereinsstruktur und der Mitgliedsbestände steht im Mittelpunkt, wie auch die Sicherung von Arbeitsplätzen für Angestellte und Trainer sowie die Milderung der finanziellen Risiken. Vereinsmanager wie Fabian Hummel vom Fußball-Oberligisten FV Ravensburg müssen sich derzeit mit allen möglichen rechtlichen Dingen auseinandersetzen. Dazu hoffen viele Vereine, dass ihnen die Sponsoren treu bleiben. Sollte Sport ab Mittwoch nach und nach wieder erlaubt sein, gilt es auch, die notwendigen Hygieneregeln umzusetzen.