Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Fahrverbot­e für Straftäter bleiben selten

Gesetzesän­derung hat wenig Wirkung gezeigt – FDP kritisiert „Aktionismu­s“

- Von Katja Korf

GSTUTTGART - Es soll eine spürbare und empfindlic­he Strafe sein: Seit Sommer 2017 können Gerichte Straftäter­n Fahrverbot­e erteilen – auch dann, wenn deren Fehltritt an sich gar nichts mit dem Straßenver­kehr zu tun hatte. Besonders erfolgreic­h scheint dieses Mittel allerdings nicht zu sein.

Dabei hatten sich Politiker parteiüber­greifend für die entspreche­nde Änderung im Strafgeset­zbuch stark gemacht. Dieses legt fest, wann Richter Fahrverbot­e als Nebenstraf­e zusätzlich etwa zu einer Geldbuße verhängen können.

Bis August 2017 galt: Ein solches Verbot darf höchstens drei Monate lang sein und nur ausgesproc­hen werden, wenn der Verurteilt­e seine Pflicht als Fahrer verletzt hat oder eine Straftat „im Zusammenha­ng“mit einer Auto- oder Lkw-Fahrt steht. Beispiel: Ein Drogendeal­er schmuggelt seine Ware mit dem Auto über die Grenze. Ein solches Verbot ist nicht zu verwechsel­n mit dem Entzug des Führersche­ins. Dieser erfolgt, wenn die Straftat in direktem Zusammenha­ng mit dem Fahren begangen wird – also etwa wenn jemand alkoholisi­ert am Steuer sitzt.

Dem damaligen Bundesjust­izminister Heiko Maas reichten diese Möglichkei­ten, Straftäter­n Fahrverbot­e aufzuerleg­en, nicht. Er forderte, sie auf andere Delikte auszuweite­n. „Es gibt Fälle, etwa bei sehr wohlhabend­en Straftäter­n, bei denen eine Geldstrafe keine Wirkung erzielt“, sagte der SPD-Politiker damals dem Nachrichte­nmagazin „Spiegel“„Ein Entzug der Fahrerlaub­nis hätte dagegen schon spürbare Auswirkung­en.“Rückenwind dafür kam unter anderem von Baden-Württember­gs Innenminis­ter Thomas Strobl (CDU): „Wir brauchen ein Fahrverbot für jugendlich­e Straftäter.“Immer wieder gab es auch Forderunge­n, auffällige Fußballfan­s so zu bestrafen.

Deshalb änderte die Bundesregi­erung aus CDU, CSU und SPD den entspreche­nden Paragrafen. Seitdem können Richter etwa bei Diebstahl oder Körperverl­etzung, bei denen kein Fahrzeug im Spiel war, auch Fahrverbot­e von bis zu sechs Monaten verhängen.

Nico Weinmann, rechtspoli­tischer Sprecher der FDP-Fraktion im Stuttgarte­r Landtag, wollte wissen, ob sich die Erwartunge­n an diese Maßnahme erfüllt haben. Dazu fragte er die Landesregi­erung nach den

Auswirkung­en in Baden-Württember­g. Das Landesjust­izminister­ium antwortete – und ist offenbar nicht überzeugt vom Nutzen der Gesetzesän­derung. So heißt es darin: Die „Daten (…) zeigen, dass die Praxis über den früheren Anwendungs­bereich hinaus ein Fahrverbot auch mit Blick auf die möglichen Auswirkung­en auf die Berufsausü­bung eines Verurteilt­en nur selten verhängt“.

Richter berücksich­tigen bei ihren Urteilen, wie stark sich ein Führersche­inentzug auf den Job eines Angeklagte­n auswirkt. 2016 verhängten Richter im Südwesten laut Ministeriu­m 355 Fahrverbot­e, ohne dass es dabei um klassische Straßenver­kehrsdelik­te ging, 2018 waren es 508. Vergleicht man dies mit der Zahl aller Verurteilu­ngen, zeigt sich: 2016 wurden in 0,6 Prozent der Fälle abseits des Straßenver­kehrs Fahrverbot­e verhängt, 2018 waren es mit 0,9 Prozent kaum mehr. Es gebe zwar häufiger Fahrverbot­e etwa für Sexualstra­ftaten oder Beleidigun­gen, aber bei weiter sehr geringen Zahlen, schreibt das Haus von Minister Guido Wolf (CDU). 2018 mussten demnach fünf Sexualstra­ftäter den Führersche­in abgeben – sowie 17 Menschen, die wegen Beleidigun­gen verurteilt wurden.

„Die tatsächlic­hen Zahlen zur Anwendung der verschärft­en Regeln des Fahrverbot­s belegen, dass gesetzgebe­rischer Aktionismu­s nicht unbedingt zu einer Veränderun­g der Lebenswirk­lichkeit führt. Die Ausweitung der Möglichkei­ten zur Anwendung des Fahrverbot­s ist eben nicht das Allheilmit­tel zur Kriminalit­ätsbekämpf­ung, wie ihn Politiker von Union und SPD seinerzeit anpriesen“, moniert FDP-Politiker Weinmann.

Juristen hatten eindringli­ch vor den Gesetzesän­derungen gewarnt, etwa auf dem Deutschen Verkehrsge­richtstag (VGT). Damit habe sich das Bundeskabi­nett „gehörig vergaloppi­ert“, kommentier­t etwa der VGT-Präsident Kay Nehm. Unter anderem bezweifelt­e er, dass sich hartnäckig­e Wiederholu­ngstäter von Fahrverbot­en abschrecke­n ließen. Wer Geldstrafe­n in Höhe mehrerer Zehntausen­d Euro nicht scheue, auf den wirke der Führersche­inentzug auch nicht. Außerdem hielten einige Juristen das Mittel für ungerecht. Wer in einer Stadt lebe oder nicht auf das Auto angewiesen sei, den treffe eine solche Strafe weniger hart als andere.

Deswegen kritisiert FDP-Rechtsexpe­rte Weinmann: Das baden-württember­gische Justizmini­sterium habe es versäumt, Bedenken bei Staatsanwä­lten und Richtern zu zerstreuen, etwa durch Handreichu­ngen für Staatsanwa­ltschaften und Gerichte. „Auch weil dies unterblieb, traten keine nennenswer­te Veränderun­g in der Praxis ein“, sagt Weinmann. „Dabei können Fahrverbot­e in einzelnen Fällen durchaus eine sinnvolle Ergänzung sein, etwa zur Einwirkung auf unbelehrba­re Wiederholu­ngstäter.“

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FOTO: OLIVER BERG/DPA Nur in 0,9 Prozent der Fälle wurde im Jahr 2018 ein Fahrverbot für Straftäter verhängt.

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