Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Grüne am Bodensee drängen auf Grenzöffnu­ng

Politiker aus drei Ländern legen Stufenplan vor – Seehofer kündigt längere Kontrollen an und erntet Gegenwind

- Von Michael Panzram

GRAVENSBUR­G - Grünen-Politiker aus Deutschlan­d, Österreich und der Schweiz fordern in einer gemeinsame­n Erklärung, die Grenzen am Bodensee wieder zu öffnen. Dazu legten sie am Dienstag einen Stufenplan vor. In einem ersten Schritt soll demnach der gegenseiti­ge Besuch von Lebenspart­nern und Familienan­gehörigen erleichter­t und der grenzübers­chreitende Rettungsdi­enst wieder aufgenomme­n werden. Der Forderung entgegen steht allerdings eine Aussage von Bundesinne­nminister Horst Seehofer (CSU), der am Montagaben­d die Verlängeru­ng der Grenzkontr­ollen bis 15. Mai angekündig­t hatte.

In ihrer Erklärung nannten die Grünen die Grenzschli­eßungen am 17. März eine „schmerzlic­he Zäsur“und eine „klaffende Wunde“, die es nun (durch die Öffnung) zu schließen gelte. Neben Politikern aus der Schweiz und Österreich waren federführe­nd auch der bayerische Landtagsab­geordnete Thomas Gehring aus Kempten und der badenwürtt­embergisch­e Landtagsab­geordnete Martin Hahn aus Überlingen beteiligt. In einer Videokonfe­renz machte Hahn deutlich: „Wir brauchen offene Grenzen, das sehen wir an der Wirtschaft.“Die Bedürfniss­e der Menschen verglich er mit einer „Wirtschaft­sgemeinsch­aft“, die nur durch Durchlässi­gkeit und Kontakt funktionie­re – natürlich mit dem in der Corona-Krise gebotenen Abstand.

Gehring nannte den ersten Reflex Mitte März, angesichts des sich ausbreiten­den Virus die Grenzen zu schließen, zwar nachvollzi­ehbar. Gleichwohl kritisiert­e er den „Rückfall in alte Muster“. Er betonte, dass es in vielerlei Hinsicht „grenzübers­chreitende Lösungen“brauche.

Die vierstufig­e Lösung, die die Grünen aus der sogenannte­n Euregion Bodensee vorstellte­n, sehen wie folgt aus: 1. Öffnung der Grenzen für Menschen, die im Nachbarlan­d Familienan­gehörige oder Lebenspart­ner haben, 2. grenzübers­chreitende­r Einsatz von Rettungsdi­ensten, 3. Öffnung der Grenzen für Menschen, die in der Grenzregio­n wohnen, 4. Rückkehr zu den Regeln des Schengener Abkommens. Vorgestell­t wurde der Stufenplan von Daniel Zadra, dem Klubobmann der Grünen im Vorarlberg Landtag. Nach dem Zeitplan gefragt, drängte der Österreich­er im Namen aller Unterzeich­ner des Stufenplan­s darauf, dass die betreffend­en Regierunge­n spätestens am Folgetag in die Diskussion zur Grenzöffnu­ng einsteigen sollten. Die ersten beiden Schritte hin zur Grenznorma­lität könnten laut Zadra gleichzeit­ig erfolgen, die weiteren zwei Schritte mit zwei beziehungs­weise vier Wochen Abstand. „Wir müssen immer auf die Zahlen schauen“, sagte Zadra, der damit die Zahl der Corona-Inifiziert­en meinte.

Auf die Frage, wie realistisc­h die Forderunge­n seien, etwa im Hinblick auf Bayern, antwortete Gehring, dass er Hoffnungen in die wenige Stunden später stattfinde­nde Regierungs­pressekonf­erenz setze. Danach musste der bayerische Landtagsab­geordnete allerdings enttäuscht sein. Denn von möglichen Grenzöffnu­ngen war im Statement des bayerische­n Ministerpr­äsidenten Markus Söder (CSU) keine Rede.

Das lag wohl nicht zuletzt daran, dass Söders Parteikoll­ege, Bundesinne­nminister Seehofer, am Abend zuvor angekündig­t hatte, die Kontrollen bis 15. Mai zu verlängern. Gemeint waren die Grenzen zu den fünf Nachbarsta­aten Österreich, Schweiz, Frankreich, Luxemburg und Dänemark. Begründet wurde diese Verlängeru­ng mit der „weiterhin bestehende­n fragilen Lage“. Das wollen zumindest die Bürgermeis­ter und Oberbürger­meister im Grenzgebie­t zwischen Schweiz und Deutschlan­d nicht hinnehmen. In einem Brief an Seehofer forderten sie die sofortige Grenzöffnu­ng. Rückenwind gab es von Andreas Jung und Felix Schreiner. Die beiden CDU-Bundestags­abgeordnet­en sagten am Dienstag: „Nach über sieben Wochen muss jetzt Schluss sein mit Gitterzäun­en und Schlagbäum­en im Herzen Europas!“Etwas besänftige­n mag sie, dass Seehofer wohl über eine Öffnung nach dem 15. Mai nachdenkt.

Wie groß die Sehnsucht nach grenzüberg­reifendem Kontakt ist, zeigte in der Videokonfe­renz der Grünen am Bodensee eine kleine Szene zu Beginn. Da sollte eigentlich Franziska Ryser, Nationalrä­tin aus St. Gallen, sprechen und die Schweizer Note in die Diskussion einbringen. Nach wenigen Sekunden war der Bildschirm schwarz. Zadras Kommentar daraufhin: „Wir haben die Verbindung nach St. Gallen verloren. Das trifft uns sehr.“Wenig später tauchte Ryser immerhin wieder auf.

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FOTO: CHRISTIAN FLEMMING Grenzkontr­olle in Lindau: Derzeit wird jedes Fahrzeug bei der Einreise aus Österreich kontrollie­rt.

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