Grüne am Bodensee drängen auf Grenzöffnung
Politiker aus drei Ländern legen Stufenplan vor – Seehofer kündigt längere Kontrollen an und erntet Gegenwind
GRAVENSBURG - Grünen-Politiker aus Deutschland, Österreich und der Schweiz fordern in einer gemeinsamen Erklärung, die Grenzen am Bodensee wieder zu öffnen. Dazu legten sie am Dienstag einen Stufenplan vor. In einem ersten Schritt soll demnach der gegenseitige Besuch von Lebenspartnern und Familienangehörigen erleichtert und der grenzüberschreitende Rettungsdienst wieder aufgenommen werden. Der Forderung entgegen steht allerdings eine Aussage von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU), der am Montagabend die Verlängerung der Grenzkontrollen bis 15. Mai angekündigt hatte.
In ihrer Erklärung nannten die Grünen die Grenzschließungen am 17. März eine „schmerzliche Zäsur“und eine „klaffende Wunde“, die es nun (durch die Öffnung) zu schließen gelte. Neben Politikern aus der Schweiz und Österreich waren federführend auch der bayerische Landtagsabgeordnete Thomas Gehring aus Kempten und der badenwürttembergische Landtagsabgeordnete Martin Hahn aus Überlingen beteiligt. In einer Videokonferenz machte Hahn deutlich: „Wir brauchen offene Grenzen, das sehen wir an der Wirtschaft.“Die Bedürfnisse der Menschen verglich er mit einer „Wirtschaftsgemeinschaft“, die nur durch Durchlässigkeit und Kontakt funktioniere – natürlich mit dem in der Corona-Krise gebotenen Abstand.
Gehring nannte den ersten Reflex Mitte März, angesichts des sich ausbreitenden Virus die Grenzen zu schließen, zwar nachvollziehbar. Gleichwohl kritisierte er den „Rückfall in alte Muster“. Er betonte, dass es in vielerlei Hinsicht „grenzüberschreitende Lösungen“brauche.
Die vierstufige Lösung, die die Grünen aus der sogenannten Euregion Bodensee vorstellten, sehen wie folgt aus: 1. Öffnung der Grenzen für Menschen, die im Nachbarland Familienangehörige oder Lebenspartner haben, 2. grenzüberschreitender Einsatz von Rettungsdiensten, 3. Öffnung der Grenzen für Menschen, die in der Grenzregion wohnen, 4. Rückkehr zu den Regeln des Schengener Abkommens. Vorgestellt wurde der Stufenplan von Daniel Zadra, dem Klubobmann der Grünen im Vorarlberg Landtag. Nach dem Zeitplan gefragt, drängte der Österreicher im Namen aller Unterzeichner des Stufenplans darauf, dass die betreffenden Regierungen spätestens am Folgetag in die Diskussion zur Grenzöffnung einsteigen sollten. Die ersten beiden Schritte hin zur Grenznormalität könnten laut Zadra gleichzeitig erfolgen, die weiteren zwei Schritte mit zwei beziehungsweise vier Wochen Abstand. „Wir müssen immer auf die Zahlen schauen“, sagte Zadra, der damit die Zahl der Corona-Inifizierten meinte.
Auf die Frage, wie realistisch die Forderungen seien, etwa im Hinblick auf Bayern, antwortete Gehring, dass er Hoffnungen in die wenige Stunden später stattfindende Regierungspressekonferenz setze. Danach musste der bayerische Landtagsabgeordnete allerdings enttäuscht sein. Denn von möglichen Grenzöffnungen war im Statement des bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU) keine Rede.
Das lag wohl nicht zuletzt daran, dass Söders Parteikollege, Bundesinnenminister Seehofer, am Abend zuvor angekündigt hatte, die Kontrollen bis 15. Mai zu verlängern. Gemeint waren die Grenzen zu den fünf Nachbarstaaten Österreich, Schweiz, Frankreich, Luxemburg und Dänemark. Begründet wurde diese Verlängerung mit der „weiterhin bestehenden fragilen Lage“. Das wollen zumindest die Bürgermeister und Oberbürgermeister im Grenzgebiet zwischen Schweiz und Deutschland nicht hinnehmen. In einem Brief an Seehofer forderten sie die sofortige Grenzöffnung. Rückenwind gab es von Andreas Jung und Felix Schreiner. Die beiden CDU-Bundestagsabgeordneten sagten am Dienstag: „Nach über sieben Wochen muss jetzt Schluss sein mit Gitterzäunen und Schlagbäumen im Herzen Europas!“Etwas besänftigen mag sie, dass Seehofer wohl über eine Öffnung nach dem 15. Mai nachdenkt.
Wie groß die Sehnsucht nach grenzübergreifendem Kontakt ist, zeigte in der Videokonferenz der Grünen am Bodensee eine kleine Szene zu Beginn. Da sollte eigentlich Franziska Ryser, Nationalrätin aus St. Gallen, sprechen und die Schweizer Note in die Diskussion einbringen. Nach wenigen Sekunden war der Bildschirm schwarz. Zadras Kommentar daraufhin: „Wir haben die Verbindung nach St. Gallen verloren. Das trifft uns sehr.“Wenig später tauchte Ryser immerhin wieder auf.