Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Erdogans alte Tricks

Der türkische Präsident scheint Neuwahlen zu planen

- Von Susanne Güsten

GISTANBUL - Es ist ein alter Trick, aber in der Türkei hat er für Recep Tayyip Erdogan bisher noch immer funktionie­rt. Zuerst bringt er die säkuläre Opposition mit extrem konservati­ven oder islamistis­chen Parolen auf die Palme, dann attackiert er seine Gegner als gottloses Gesindel, um die eigenen frommen Wähler zu mobilisier­en – und dann gewinnt er die nächste Wahl. Mal verkündet Erdogan, Frauen müssten möglichst viele Kinder kriegen, dann fordert er, Ehebruch sollte strafbar und Abtreibung verboten sein. Auch die Rückkehr zur Todesstraf­e hat er bereits mehrmals verlangt – aber er macht keine Anstalten, dies auch umzusetzen: Erdogans provoziere­nde Vorstöße bleiben in der Praxis folgenlos. Derzeit tobt eine Debatte über den Chef des staatliche­n Religionsa­mtes, der in einer Predigt gesagt hatte, Homosexual­ität sei krank. Einige Opposition­spolitiker und Beobachter vermuten, der 66-jährige Staatschef bereite vorgezogen­e Neuwahlen vor.

Religionsa­mtschef Ali Erbas hatte Ehebruch und Homosexual­ität als unislamisc­h und als mögliche Ursachen für Seuchen bezeichnet. Erdogan stellte sich hinter den Behördench­ef und attackiert­e die Opposition mit den Worten, jeder Angriff auf das Religionsa­mt sei ein Angriff auf den Staat und den Islam.

Nun, da die gefährlich­ste Phase der Pandemie in der Türkei überwunden erscheine, könne sich der Präsident versucht sehen, sich ein neues Mandat der Wähler zu sichern, vermuten Opposition­spolitiker. Nach anfänglich­en Fehltritte­n hat die Türkei die Ausbreitun­g des Virus so weit im Griff, dass die Regierung über Lockerunge­n der Ausgangssp­erren nachdenkt. Die täglichen Zahlen von Neuinfekti­onen und Todesfälle­n

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