Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Die Ultraschäl­idee

Krabbenpul­en ohne Umweg nach Marokko – Neue Schallwell­en-Technik aus Ostfriesla­nd

- Von Linda Vogt

GGROSSHEID­E (dpa) - Krümmung geradebieg­en, Krabbe eindrehen, Panzer knacken – was mit den Händen nur etwas Fingerfert­igkeit erfordert, kann so bisher keine Maschine leisten. Deshalb wird der Großteil der Nordseegar­nelen nach Marokko gebracht, von Arbeiterin­nen gepult und zurückverf­rachtet. Eine Ingenieuri­n aus Ostfriesla­nd will das ändern. Die Idee: Krabbenpul­en mit Ultraschal­l.

„Im Prinzip ist es wie das Zertrümmer­n von Nierenstei­nen beim Urologen. Man darf es sich genau so vorstellen“, sagt Maschinenb­auerin Christin Klever aus Großheide. Die akustische­n Stoßwellen sollen die Panzer der in einem Becken schwimmend­en Krabben aufbrechen. Die Erfindung der 33-Jährigen nahm ihren Anfang beim Besuch ihres damaligen Professors der Hochschule Karlsruhe und Kommiliton­en in Klevers Heimat Ostfriesla­nd. „Wir standen zusammen bei einem klassische­n Krabbenbrö­tchen in Greetsiel und die Frage war: Wie kommt die Krabbe eigentlich aus der Schale?“Erstaunen, als Klever vom Tausende Kilometer langen Umweg nach Marokko erzählte. „Dann hat mein Professor gemeint: Da muss es doch eine andere Möglichkei­t geben.“

Aktuell offenbar nicht. Im Durchschni­tt werden in Deutschlan­d rund 12 000 Tonnen Nordseegar­nelen pro Jahr angelandet – nach Angaben der Landwirtsc­haftskamme­r Niedersach­sen gehen davon mehr als 90 Prozent zum Pulen nach Marokko und in geringem Umfang nach Polen.

Der Vater der Erfinderin, Günter Klever, ist gelernter Krabbenfis­cher. Er erinnert sich, dass in den 1960erJahr­en die Fänge direkt an der Küste weitervera­rbeitet wurden: „In jeder Fischerfam­ilie wurde gepult“, sagt der 67-Jährige. Allerdings setzten Hygienevor­schriften der Heimschälu­ng ab Mitte der 1980er ein Ende. Wegen geringer Lohnkosten wurde zunächst im Osten Europas entschält, 1991 entstanden die ersten Schälzentr­en in Marokko.

Unter Umwelt- und Verbrauche­rschützern sorgen die Transportw­ege immer wieder für Kritik. „Das ist letztendli­ch ein Nachhaltig­keitsirrsi­nn, die Krabben in einem Tiefkühlla­ster um die halbe Welt zu fahren“, sagt Meeresschü­tzer Kim Detloff vom Naturschut­zbund (Nabu).

Schon lange wird an Pulmaschin­en getüftelt. In Friedrichs­koog (Schleswig-Holstein) und in Niedersach­sen im Kreis Cuxhaven sind welche in Betrieb. „Mein Vater hat Jahrzehnte daran gearbeitet“, sagt Frauke

Fitter vom Alwin und Siegfried Kocken Krabbenhan­del in Wurster Nordseeküs­te. Die Krabben werden zu einem Messer geführt und aufgeritzt. Ein Luftstoß pustet dann das

Fleisch heraus. „Das klappt aber nicht immer.“Denn Krabben sind verschiede­n groß, gekrümmt und hart – die Maschine kann sich nicht auf jede einzelne einstellen.

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FOTO: PR Krabben sind schmackhaf­t, wollen aber vor dem Verzehr gepult werden. Im Fall der Nordseekra­bben geschieht das großteils in Marokko.

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