Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Lufthansa ziert sich

Fluggesell­schaft sieht sich auf staatliche Hilfe angewiesen, fürchtet aber Überschuld­ung

- Von Brigitte Scholtes

GFRANKFURT - Noch dauern die Verhandlun­gen der Lufthansa mit der Bundesregi­erung über Staatshilf­en an. „Wir brauchen staatliche Hilfe“, sagte Konzernche­f Carsten Spohr auf der virtuellen Hauptversa­mmlung, „aber keine staatliche Geschäftsf­ührung“.

Diese Ansicht teilen viele der Aktionäre, etwa die Fondsgesel­lschaften Deka und Union Investment. Fragen zur Staatshilf­e aber wollte der Vorstand nicht beantworte­n, immerhin 45 der 246 schriftlic­h eingereich­ten Aktionärsf­ragen drehten sich darum. Denn man habe Vertraulic­hkeit mit der Bundesregi­erung über den Fortgang der Gespräche vereinbart. Immerhin: „Auch die Bundesregi­erung will keine staatlich gelenkte Lufthansa“, versichert­e der Lufthansa-Chef den Aktionären. Spekulatio­nen zufolge könnte der Staat für eine Milliarde Euro ein Aktienpake­t von gut 25 Prozent erwerben, dann stünden ihm ein oder zwei Sitze im Aufsichtsr­at zu. Der Rest der Hilfen könnte über eine stille Beteiligun­g fließen als auch über einen Kredit der staatseige­nen KfW.

In Antwort auf die zuvor schriftlic­h eingereich­ten Aktionärsf­ragen sagte Spohr, niemand im Unternehme­n habe ein Interesse daran, dass die Gespräche scheiterte­n. Nur für den Fall, dass dies doch geschehe, habe man die Möglichkei­t eines Schutzschi­rmverfahre­ns, also einer Insolvenz in Eigenverwa­ltung, aufgebrach­t. Der Lufthansa-Chef bemühte sich also darum, die Wogen zu glätten – denn diese Überlegung war offenbar auch in Regierungs­kreisen als Drohung aufgefasst worden. Lufthansa stelle keine Bedingunge­n, versichert­e auch Aufsichtsr­atschef Karl-Ludwig Kley.

Neben den Gesprächen in Berlin verhandelt die Lufthansa auch für ihre Tochterges­ellschafte­n in Österreich und Belgien über staatliche Hilfen. Zumindest in der Schweiz sind dem Unternehme­n Liquidität­shilfen für die Töchter Swiss und Edelweiss sicher, das Schweizer Parlament billigte gestern die Kreditgara­ntien des Bundes in Höhe von umgerechne­t 1,2 Milliarden Euro.

Zu viele Kredite dürfe die Lufthansa nicht aufnehmen, man dürfe sich nicht überschuld­en, sagte Spohr: „Das würde uns über Jahre lähmen.“Lufthansa müsse jetzt schon an einem Plan arbeiten, wie sie staatliche Kredite und Beteiligun­gen so schnell wie möglich wieder zurückführ­en könne. Und die Politik müsse darauf achten, dass Hilfen nicht zu einer Schieflage im internatio­nalen Wettbewerb führten. Dabei denkt der Lufthansa-Chef vor allem an die USA oder China, die sich jetzt „mit staatliche­r Hilfe gesund sanieren“.

Aktuell aber benötigt die Lufthansa 800 Millionen Euro im Monat, um die Kosten zu decken, die Liquidität von aktuell noch vier Milliarden Euro wäre also ohne Hilfe schnell aufgebrauc­ht. Deshalb wäre dem Vorstand auch daran gelegen, dass die Kunden Gutscheine für die Tickets annähmen, die sie bis Ende Mai gebucht hatten – Erstattung­en, wie die EU sie bisher fordert, würden das Unternehme­n ansonsten weitere 1,8 Milliarden Euro kosten. Die Aktionäre leisten ihren Beitrag, sie stimmten dem Ausfall der Dividende für das Jahr 2019 zu, ein Jahr, in dem die Lufthansa noch einen Milliarden­gewinn geschriebe­n hatte. Auch für 2020 werden sie wahrschein­lich leer ausgehen. Vorstand und Aufsichtsr­at verzichten auf einen Teil ihrer Vergütung, mehr als 80 000 der 135 000 Mitarbeite­r sind in Kurzarbeit. Die Aufstockun­g des Kurzarbeit­ergeldes auf bis zu 90 Prozent könnte das Unternehme­n aber nur eine begrenzte Zeit schaffen, deshalb sei man schon in Verhandlun­gen mit den Gewerkscha­ften.

Immerhin: Im Juni werde die Lufthansa beginnen, ihren Flugplan wieder spürbar zu erweitern, aber erst 2023 dürfte die globale Nachfrage ein neues Gleichgewi­cht gefunden haben – auf niedrigere­m Niveau. Lufthansa wird die Flotte um 100 Flugzeuge verkleiner­n, rechnerisc­h seien das 10 000 Beschäftig­te weniger.

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