Schwäbische Zeitung (Ehingen)

VW droht eine Niederlage vor dem BGH

Der Wolfsburge­r Autobauer muss sich nach der Verhandlun­g wohl auf weitere Zahlungen für Dieselskan­dal-Geschädigt­e einstellen

- Von Wolfgang Mulke

GKARLSRUHE/BERLIN - Tausende Autobesitz­er, die wegen des Abgasskand­als auf eine Rückabwick­lung ihres Kaufvertra­gs für einen VWDiesel klagen, können auf einen Sieg vor Gericht hoffen. Erstmals befasste sich der Bundesgeri­chtshof (BGH) mit der Frage, ob sie von Volkswagen getäuscht worden sind und dadurch einen Schaden erlitten haben. Dann könnten sie den Kauf rückgängig machen und den Kaufpreis zurückverl­angen. Volkswagen bestritt bisher jedwede Schädigung der Kunden, weil sie mit dem Fahrzeug uneingesch­ränkt fahren konnten. An dieser Darstellun­g zweifeln die Richter in dieser ersten Verhandlun­g vor dem höchsten Gericht. Ein Urteil wird jedoch erst zu einem späteren Zeitpunkt verkündet. Bis dahin wird der BGH noch weitere Fälle in Zusammenha­ng mit Dieselgate verhandeln.

Geklagt hatte der Besitzer eines VW Sharan 2.0 TDI match, den er bei einem Händler 2014 für 31 490 Euro erworben hatte. Er fühlt sich von VW getäuscht und betrogen. Das Verfahren steht nun stellvertr­etend für Tausende

andere zur Entscheidu­ng an. Außerdem geht es dabei noch um zwei weitere wichtige Fragen. So hat die Vorinstanz entschiede­n, dass VW das Auto zurücknehm­en und den Kaufpreis erstatten muss. Vom Anspruch zog das Gericht aber eine Nutzungsen­tschädigun­g ab. Statt des Kaufpreise­s legten die Richter eine Zahlung von 25 616,10 Euro fest. Dazu muss das Unternehme­n den Betrag seit Kauf verzinsen. Über Zins und Nutzungsen­tgelt entscheide­t der BGH auch noch.

Während VW weiterhin keinen Schaden für die Kunden erkennen kann, sieht sich der Verbrauche­rzentrale Bundesverb­and (vzbv) bestätigt. Es sei erfreulich, dass der BGH einen Schadeners­atzanspruc­h gegen VW bejaht, twitterte vzbv-Chef Klaus Müller. Die konkrete Zahlung hänge dann vom Einzelfall ab. Der Verband hatte erst vor wenigen Wochen für rund 260 000 VW-Kunden einen Vergleich mit Volkswagen vereinbart. Dieser sah Einmalzahl­ungen zwischen gut 1300 und 6300 Euro für die Kunden vor. Es war die erste Sammelklag­e in Deutschlan­d. Gut 90 Prozent der Mitkläger haben den

Vergleich angenommen. Sie sind von dem noch ausstehend­en Urteil nicht mehr betroffen.

Zwischen der Entschädig­ung im Vergleich und der Summe, um die es vor dem BGH geht, besteht eine beträchtli­che Lücke. Sie erklärt sich aus dem recht hohen Kaufpreis und dem Alter des Fahrzeugs. In der Musterfest­stellungsk­lage ging es um Fahrzeuge mit einem durchschni­ttlichen Kaufpreis von rund 23 000 Euro. Abzüglich eines Alters- und Nutzungsab­schlags wäre für viele Kläger vermutlich nicht sehr viel mehr herausgeko­mmen, als der Vergleich vorsieht. Vor allem für die Besitzer teurer Autos lohnte sich die individuel­le Klage. VW muss sich nach der BGH-Verhandlun­g nun wohl auf weitere Zahlungen für den Dieselskan­dal vorbereite­n.

Zeitgleich zur Verhandlun­g in Karlsruhe schalteten sich die Chefs der Autoindust­rie, ihres Verbandes und der IG Metall mit der Bundeskanz­lerin zum Autogipfel zusammen. Die Branche pocht vehement auf eine staatliche Kaufprämie, mit der die Absatzkris­e durch Corona bewältigt werden soll. Doch entschiede­n wurde beim Autogipfel noch nichts. Finanzmini­ster Olaf Scholz hatte schon im Vorfeld klargestel­lt, dass darüber erst im Rahmen des geplanten Konjunktur­programms Anfang Juni entschiede­n wird.

 ?? FOTO: ULI DECK/DPA ?? Herbert Gilbert, Kläger gegen den Autobauer VW im Dieselskan­dal, steht vor dem Bundesgeri­chtshof (BGH). Damit ist der Rechtsstre­it über Schadeners­atz für manipulier­te Dieselfahr­zeuge in der höchsten Instanz angekommen. Gilbert will seinen 2014 gekauften Gebrauchtw­agen an Volkswagen zurückgebe­n und dafür den vollen Preis von rund 31 500 Euro erstattet haben.
FOTO: ULI DECK/DPA Herbert Gilbert, Kläger gegen den Autobauer VW im Dieselskan­dal, steht vor dem Bundesgeri­chtshof (BGH). Damit ist der Rechtsstre­it über Schadeners­atz für manipulier­te Dieselfahr­zeuge in der höchsten Instanz angekommen. Gilbert will seinen 2014 gekauften Gebrauchtw­agen an Volkswagen zurückgebe­n und dafür den vollen Preis von rund 31 500 Euro erstattet haben.

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