Keine Einnahmen, aber weiter laufende Kosten
Reitvereine wie der RFV Ehingen sind besonders hart von der Corona-Krise betroffen
GEHINGEN - Kaum jemand sehnt baldige Lockerungen im Breitensport so sehr herbei wie Verantwortlichen von Reitvereinen. Vor allem von größeren wie dem Reit- und Fahrverein Ehingen, der eigene Turniere absagen musste und bei dem seit Wochen der Reitschulbetrieb ruht. Einnahmen brachen weg, während die Kosten weiterlaufen, da Anlagen gepflegt und Pferde versorgt werden müssen. Für den RFV Ehingen ist der Stillstand umso schmerzhafter, weil der Verein mit einer neuen, erstmals auch in Vollzeit angestellten Reitlehrerin und einem erweiterten Angebot für Kinder und Jugendliche ins Jahr 2020 gegangen war.
„Wir hatten etwas umgestellt und wollten mehr tun in der Jugendarbeit“, sagt die RFV-Vorsitzende Angelika Aierstok. Reiten für Vorschulkinder, Ferienkurse, spezielle Reitstunden beispielsweise zur Turniervorbereitung oder die Möglichkeit, in Kleingruppen intensiver auf einzelne Reiter einzugehen – das alles war gerade angelaufen oder sollte in Kürze starten. Dazu kam in Heike Glänzer eine neue Reitlehrerin, die anders als ihre Vorgängerin, die in Teilzeit mit 15 Stunden pro Woche für den RFV gearbeitet hatte, in Vollzeit angestellt ist. „Das ist nicht unbedingt üblich bei einem Reitverein“, sagt Angelika Aierstok. Üblich sind Übungsleiter auf Honorarbasis, die auch der RFV Ehingen hat. Aber weil der 220 Mitglieder starke Verein seine Jugendarbeit forcieren und sein Angebot erweitern will – derzeit sind rund 50 Kinder und Jugendlichen in der Reitschule, auf 80 bis 100 will der Verein kommen – leistet er sich seit wenigen Monaten zusätzlich eine Vollzeitkraft. Dies bedeutet höhere Personalkosten, die durch das erweiterte Angebot gedeckt werden sollten.
Dann kam Corona und von einem Tag auf den anderen ging nichts mehr am Stoffelberg. Keine Stunden, keine Kurse, kein Unterricht, nichts. Seither fehlen erhebliche Einnahmen, während Kosten unverändert geblieben sind. Der Reit- und Fahrverein hat eine große Anlage mit Hallen und Freiplatz, die in Schuss gehalten werden muss, ferner sind insgesamt 35 Pferde untergebracht und werden versorgt – wobei 28 Tiere in Privatbesitz sind, für deren Pflege die Besitzer zahlen. „Der Pensionsbetrieb läuft normal weiter“, sagt die RFVVorsitzende. Die anderen sieben Tiere dagegen sind Schulpferde und gehören dem Verein, der für Verpflegung und Versorgung aufkommt.
Was bei Pferden hinzukommt: Die Tiere brauchen täglich Bewegung – mehrere Stunden, wie sie es gewohnt sind. Weil der Verein für die Reitlehrerin, die über den Schulbetrieb hinaus weitere Aufgaben auf der Anlage hat, Kurzarbeit beantragen musste und sie zwar noch regelmäßig, aber zeitlich stark begrenzt vor Ort nach dem Rechten schaut, wurden ältere Reitschülerinnen angelernt. „Die Tiere müssen jeden Tag bewegt werden, ob auf der Koppel oder im Gelände“, sagt Angelika Aierstok. Reitschülerinnen erledigen das oder die Besitzer eingestellter Pferde, die die Anlage betreten dürfen. Zu Beginn der Ausnahmesituation im März hatte man im Verein Bedenken, dass dies nicht erlaubt werde – Aierstok: „In benachbarten Ländern hatten Leute keinen Zugang mehr zu ihrem eigenen Pferd“– doch in Deutschland kam es dazu nicht.
Pferdesportler oder Reiter, die kein Pferd auf der Anlage am Stoffelberg haben, dürfen allerdings derzeit nicht auf die Anlage. Und für die Besitzer der Pferde, die beim RFV Ehingen eingestellt sind, gelten genauso wie für die Vereinsmitglieder und die Reitschülerinnen, die für die Bewegung der Tiere sorgen, strenge Regeln zum Hygiene- und Infektionsschutz.
Die Vorsitzende des RFV Ehingen sieht für Reitvereine ohnehin kaum Probleme, angesichts der Weitläufigkeit der Anlage ausreichend Abstand voneinander zu halten. Die Schutzregeln wären nach Worten von Angelika Aierstok auch ohne Probleme umzusetzen, wenn der Schul- und Kursbetrieb wieder anliefe – mit kleineren Gruppen statt mit sechs bis acht Kindern und Jugendlichen, zeitlich gestaffelt oder parallel auf verschiedenen Plätzen. „Wir haben verschiedene Trainingshallen und -plätze zur Verfügung“, sagt Angelika Aierstok.
Die RFV-Vorsitzende erhofft sich vom neuerlichen Treffen der Ministerpräsidenten mit Kanzlerin Angela Merkel in dieser Woche Lockerungen, nachdem die Politiker das Thema Sport in der vergangenen Woche noch einmal von der Tagesordnung genommen hatten. An jenem Tag, als der Breitensport auf ein Signal gewartet hatte, habe sie von morgens bis abends immer wieder im Internet nach neuesten Nachrichten geschaut, sagt Angelika Aierstok. Vergebens. Zum Sport gab es keine Entscheidungen.
Entscheidungen erhoffen sich Sportvereine jetzt, um ein Stück weit in die Normalität zurückzukehren. Aus Sicht von Angelika Aierstok wäre der Betrieb der Reitschule wichtig für die Vereine, weil sie der Stillstand auf Dauer finanziell auszehrt – und derzeit nicht absehbar ist, wann wieder Turniere, neben dem Schulbetrieb eine weitere wichtige Einnahmequelle der Reitvereine, wieder ausgetragen werden dürfen. Zumindest mit Publikum, aber anders ergibt es für die RFV-Vorsitzende keinen Sinn. Man lebt auch von der Bewirtung bei solchen Veranstaltungen. „Sollte am Ende eines Turniers keine schwarze Null herauskommen, verschärft das die Situation noch.“
Die Vereinsvorsitzende Angelika Aierstok denkt aber nicht nur die finanziellen Grundlagen des Vereins – im Gegenteil: Besonders wichtig wäre die Wiederaufnahme des Reitunterrichts für die vielen jungen Vereinsmitglieder, die Kinder und Jugendlichen, die derzeit mehr Zeit zu Hause verbringen und aufs Reiten verzichten müssen. „Wir brauchen ein paar positive Aspekte für die Gesellschaft und für die Familien.“