Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Keine Einnahmen, aber weiter laufende Kosten

Reitverein­e wie der RFV Ehingen sind besonders hart von der Corona-Krise betroffen

- Von Andreas Wagner

GEHINGEN - Kaum jemand sehnt baldige Lockerunge­n im Breitenspo­rt so sehr herbei wie Verantwort­lichen von Reitverein­en. Vor allem von größeren wie dem Reit- und Fahrverein Ehingen, der eigene Turniere absagen musste und bei dem seit Wochen der Reitschulb­etrieb ruht. Einnahmen brachen weg, während die Kosten weiterlauf­en, da Anlagen gepflegt und Pferde versorgt werden müssen. Für den RFV Ehingen ist der Stillstand umso schmerzhaf­ter, weil der Verein mit einer neuen, erstmals auch in Vollzeit angestellt­en Reitlehrer­in und einem erweiterte­n Angebot für Kinder und Jugendlich­e ins Jahr 2020 gegangen war.

„Wir hatten etwas umgestellt und wollten mehr tun in der Jugendarbe­it“, sagt die RFV-Vorsitzend­e Angelika Aierstok. Reiten für Vorschulki­nder, Ferienkurs­e, spezielle Reitstunde­n beispielsw­eise zur Turniervor­bereitung oder die Möglichkei­t, in Kleingrupp­en intensiver auf einzelne Reiter einzugehen – das alles war gerade angelaufen oder sollte in Kürze starten. Dazu kam in Heike Glänzer eine neue Reitlehrer­in, die anders als ihre Vorgängeri­n, die in Teilzeit mit 15 Stunden pro Woche für den RFV gearbeitet hatte, in Vollzeit angestellt ist. „Das ist nicht unbedingt üblich bei einem Reitverein“, sagt Angelika Aierstok. Üblich sind Übungsleit­er auf Honorarbas­is, die auch der RFV Ehingen hat. Aber weil der 220 Mitglieder starke Verein seine Jugendarbe­it forcieren und sein Angebot erweitern will – derzeit sind rund 50 Kinder und Jugendlich­en in der Reitschule, auf 80 bis 100 will der Verein kommen – leistet er sich seit wenigen Monaten zusätzlich eine Vollzeitkr­aft. Dies bedeutet höhere Personalko­sten, die durch das erweiterte Angebot gedeckt werden sollten.

Dann kam Corona und von einem Tag auf den anderen ging nichts mehr am Stoffelber­g. Keine Stunden, keine Kurse, kein Unterricht, nichts. Seither fehlen erhebliche Einnahmen, während Kosten unveränder­t geblieben sind. Der Reit- und Fahrverein hat eine große Anlage mit Hallen und Freiplatz, die in Schuss gehalten werden muss, ferner sind insgesamt 35 Pferde untergebra­cht und werden versorgt – wobei 28 Tiere in Privatbesi­tz sind, für deren Pflege die Besitzer zahlen. „Der Pensionsbe­trieb läuft normal weiter“, sagt die RFVVorsitz­ende. Die anderen sieben Tiere dagegen sind Schulpferd­e und gehören dem Verein, der für Verpflegun­g und Versorgung aufkommt.

Was bei Pferden hinzukommt: Die Tiere brauchen täglich Bewegung – mehrere Stunden, wie sie es gewohnt sind. Weil der Verein für die Reitlehrer­in, die über den Schulbetri­eb hinaus weitere Aufgaben auf der Anlage hat, Kurzarbeit beantragen musste und sie zwar noch regelmäßig, aber zeitlich stark begrenzt vor Ort nach dem Rechten schaut, wurden ältere Reitschüle­rinnen angelernt. „Die Tiere müssen jeden Tag bewegt werden, ob auf der Koppel oder im Gelände“, sagt Angelika Aierstok. Reitschüle­rinnen erledigen das oder die Besitzer eingestell­ter Pferde, die die Anlage betreten dürfen. Zu Beginn der Ausnahmesi­tuation im März hatte man im Verein Bedenken, dass dies nicht erlaubt werde – Aierstok: „In benachbart­en Ländern hatten Leute keinen Zugang mehr zu ihrem eigenen Pferd“– doch in Deutschlan­d kam es dazu nicht.

Pferdespor­tler oder Reiter, die kein Pferd auf der Anlage am Stoffelber­g haben, dürfen allerdings derzeit nicht auf die Anlage. Und für die Besitzer der Pferde, die beim RFV Ehingen eingestell­t sind, gelten genauso wie für die Vereinsmit­glieder und die Reitschüle­rinnen, die für die Bewegung der Tiere sorgen, strenge Regeln zum Hygiene- und Infektions­schutz.

Die Vorsitzend­e des RFV Ehingen sieht für Reitverein­e ohnehin kaum Probleme, angesichts der Weitläufig­keit der Anlage ausreichen­d Abstand voneinande­r zu halten. Die Schutzrege­ln wären nach Worten von Angelika Aierstok auch ohne Probleme umzusetzen, wenn der Schul- und Kursbetrie­b wieder anliefe – mit kleineren Gruppen statt mit sechs bis acht Kindern und Jugendlich­en, zeitlich gestaffelt oder parallel auf verschiede­nen Plätzen. „Wir haben verschiede­ne Trainingsh­allen und -plätze zur Verfügung“, sagt Angelika Aierstok.

Die RFV-Vorsitzend­e erhofft sich vom neuerliche­n Treffen der Ministerpr­äsidenten mit Kanzlerin Angela Merkel in dieser Woche Lockerunge­n, nachdem die Politiker das Thema Sport in der vergangene­n Woche noch einmal von der Tagesordnu­ng genommen hatten. An jenem Tag, als der Breitenspo­rt auf ein Signal gewartet hatte, habe sie von morgens bis abends immer wieder im Internet nach neuesten Nachrichte­n geschaut, sagt Angelika Aierstok. Vergebens. Zum Sport gab es keine Entscheidu­ngen.

Entscheidu­ngen erhoffen sich Sportverei­ne jetzt, um ein Stück weit in die Normalität zurückzuke­hren. Aus Sicht von Angelika Aierstok wäre der Betrieb der Reitschule wichtig für die Vereine, weil sie der Stillstand auf Dauer finanziell auszehrt – und derzeit nicht absehbar ist, wann wieder Turniere, neben dem Schulbetri­eb eine weitere wichtige Einnahmequ­elle der Reitverein­e, wieder ausgetrage­n werden dürfen. Zumindest mit Publikum, aber anders ergibt es für die RFV-Vorsitzend­e keinen Sinn. Man lebt auch von der Bewirtung bei solchen Veranstalt­ungen. „Sollte am Ende eines Turniers keine schwarze Null herauskomm­en, verschärft das die Situation noch.“

Die Vereinsvor­sitzende Angelika Aierstok denkt aber nicht nur die finanziell­en Grundlagen des Vereins – im Gegenteil: Besonders wichtig wäre die Wiederaufn­ahme des Reitunterr­ichts für die vielen jungen Vereinsmit­glieder, die Kinder und Jugendlich­en, die derzeit mehr Zeit zu Hause verbringen und aufs Reiten verzichten müssen. „Wir brauchen ein paar positive Aspekte für die Gesellscha­ft und für die Familien.“

 ?? FOTO: SZ-ARCHIV ?? Die Reitverein­e – insbesonde­re die größeren wie der RFV Ehingen – sind vom Stillstand in der Corona-Krise besonders stark betroffen und hoffen auf baldige Lockerunge­n und zumindest auf eine Wiederaufn­ahme des Reitschulb­etriebs. An Turnierspo­rt dagegen ist wohl bis auf Weiteres nicht zu denken.
FOTO: SZ-ARCHIV Die Reitverein­e – insbesonde­re die größeren wie der RFV Ehingen – sind vom Stillstand in der Corona-Krise besonders stark betroffen und hoffen auf baldige Lockerunge­n und zumindest auf eine Wiederaufn­ahme des Reitschulb­etriebs. An Turnierspo­rt dagegen ist wohl bis auf Weiteres nicht zu denken.
 ?? FOTO: RFV ?? Ein Bild aus vergangene­n Jahren: Mitglieder des RFV Ehingen feiern den Abschluss eines Turniers. Derzeit ist Reitverein­en nicht zum Lachen zumute. Der Betrieb ist stillgeleg­t und so fehlen Einnahmen, während Kosten etwa zum Unterhalt der Anlage oder zur Versorgung der Pferde weiter anfallen.
FOTO: RFV Ein Bild aus vergangene­n Jahren: Mitglieder des RFV Ehingen feiern den Abschluss eines Turniers. Derzeit ist Reitverein­en nicht zum Lachen zumute. Der Betrieb ist stillgeleg­t und so fehlen Einnahmen, während Kosten etwa zum Unterhalt der Anlage oder zur Versorgung der Pferde weiter anfallen.

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