Der Primus klotzt weiter
Mit Thiago bindet der FC Bayern München wohl den nächsten Leistungsträger langfristig
GMÜNCHEN - Der Nächste, bitte. Der FC Bayern München setzt die Serie der vereinsinternen Deals fort – einer nach dem anderen. Erst Cheftrainer Hansi Flick, dann Vizekapitän Thomas Müller und nun Thiago, der Spielmacher. Nach Informationen der „Schwäbischen Zeitung“steht der Spanier kurz vor einer Vertragsverlängerung über 2021 hinaus, nur noch letzte, kleine Details sind zu klären. Mit einer Bekanntmachung des neuen Vertrages (wohl bis 2023) ist in den nächsten Tagen zu rechnen.
„Bayern wäre ein wunderbarer Verein, um eine Karriere zu beenden“, hatte der 29-Jährige kürzlich in einem Interview mit der spanischen Zeitung „La Vanguardia“gesagt. Zu einem möglichen Karriereende in München befragt, antwortete Thiago: „Ich bin seit fast acht Jahren in München und hätte nie gedacht, dass ich überhaupt im deutschen Fußball spielen würde. Das ist eine schwierige Frage. Es muss vieles stimmen. Dass man auf seinem Niveau bleibt, zum Beispiel. Vielleicht sucht der Verein plötzlich einen Mann auf deiner Position, der 1,90 m groß ist.“Was nicht der Fall ist. Man geht den Weg mit dem Supertechniker weiter.
Doch der 2013 vom FC Barcelona auf Anraten des damaligen Coaches Pep Guardiola (die Formulierung „Thiago oder nix!“war eher ein Befehl) für 25 Millionen Euro Ablöse an die Säbener Straße gewechselte Mittelfeldspieler war trotz seiner spielerischen Klasse immer umstritten. Unterschreibt Thiago nun den neuen Kontrakt, könnte er eine ganze Dekade in München bleiben. Aber hat er diese mit seinem lässigen, oft (zu) verspielten Stil – manche sagen mit seiner Kunst, manche nennen es brotlose Kunst – auch wirklich geprägt? Der Vorwurf, dass der Spielmacher in den ganz großen Partien, in den europäischen Nächten, meist nahezu unsichtbar agierte, trennt die Verehrer von den scharfen Kritikern. Thiago spaltet.
Im „Kicker“hieß es zuletzt: „Der Edeltechniker bestätigte sein Ausnahmekönnen nie konstant. 37 Länderspiele und nur zwei Tore sind für seine Klasse und sein Alter eine zu dünne Bilanz.“Und weiter: „Auch das Münchner Spiel prägte er nie so nachhaltig und konsequent, wie es bei seinen Qualitäten zu erwarten wäre.“
Genau daran entzündet sich seit Jahren ein Streit der Gelehrten, sprich der Experten, Journalisten und Fans: Taugt Thiago oder (taugt er) nix?
Der Faktencheck: Für Bayern bestritt er bis dato 227 Pflichtspiele, erzielte 31 Tore, lieferte 37 Vorlagen. Das ist, rein statistisch, ein besserer Wert im Vergleich zu seinen Daten im Nationaldress. In seinen sechs Jahren in München wurde Thiago sechs Mal Meister (also immer!), gewann drei Mal den DFB-Pokal. Eine Top-Quote. Der Henkelpott jedoch ist sein großes Ziel. Nach dem Triumph im Jahr 2011 mit Barça (damals als 20-jähriger Ergänzungsspieler mit nur einem Einsatz) will er ihn endlich auch als Führungsspieler im Bayern-Trikot gewinnen. Mit den Bayern erreichte er vier Mal (drei Mal in Serie unter Pep Guardiola von 2014 bis 2016) sowie 2018 (unter Jupp Heynckes) das Halbfinale – jedoch kein Endspiel. In der Champions League kommt er auf 47 Spiele, acht Treffer, 12 Assists. Sogar besser als im Gesamtvergleich, dennoch ausbaufähig.
Insbesondere Trainer Flick setzt auf seinen Spielmacher. Thiago soll mit dem Sechser Joshua Kimmich einerseits das zentrale Bollwerk vor der Abwehrkette bilden, andererseits als Denker & Lenker für den Spielaufbau zuständig sein. Vor ihnen Freigeist Thomas Müller und/ oder demnächst Supertalent Kai Havertz (20). Doch das Signal pro Thiago bedeutet auch, dass man den Leverkusener nicht zwingend in diesem Sommer verpflichtet, eher 2021 oder gar 2022. Unter Flick hat Künstler Thiago auch den Arbeiter in sich entdeckt, grätscht und verteidigt leidenschaftlich. Dies und die Bilanz der sehr guten Rückrunde (bisher drei Liga-Tore, drei Assists) beseitigten interne Zweifel an einer Weiterbeschäftigung. Thiago überzeugte mit einem Mix aus hoher spielerischer Kunst gepaart mit harter Arbeit.
Fehlen also nur noch die Vertragsverlängerungen mit Kapitän und Torwart Manuel Neuer sowie Abwehrchef David Alaba, die beide bis 2021 gebunden sind. Bayern-Präsident Herbert Hainer zeigte sich im „Kicker“optimistisch: „Wir wollen natürlich so früh wie möglich Klarheit für den Club und die Spieler.“
„Bayern wäre ein wunderbarer Verein, um eine Karriere zu beenden.“