Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Dürfen sie oder dürfen sie nicht?

Saison-Neustart im Profifußba­ll rückt näher, das letzte Wort hat die Politik – Pro und Contra einer Fortsetzun­g

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FRANKFURT (dpa/SID/sz) - Nach dem Kalou-Gate ist vor der Entscheidu­ng. Jetzt kommt es auf die Bundeskanz­lerin an! Nachdem die Ministerpr­äsidenten einen breiten Konsens für eine Fortsetzun­g der Bundesliga­saison im deutschen Profifußba­ll erzielt haben, muss beim Politgipfe­l an diesem Mittwoch nur noch Angela Merkel zustimmen. Bei einem entspreche­nden Votum könnte der Ball vor leeren Zuschauerr­ängen bereits am 15. Mai, spätestens aber in zweieinhal­b Wochen wieder rollen.

Trotz des jüngsten Skandal-Videos des umgehend suspendier­ten Hertha-Profis Salomon Kalou, anhaltende­r Bedenken der Kritiker sowie eines weiteren Corona-Falls beim Zweitligis­ten FC Erzgebirge Aue (mit anschließe­nder Quarantäne der gesamten Mannschaft) und zwei positiv getesteten Personen bei Borussia Mönchengla­dbach, stehen die Zeichen dafür nicht schlecht. Neben den Länderchef­s und der Sportminis­terkonfere­nz hegen auch der für den Sport zuständige Bundesinne­nminister Horst Seehofer (CSU) und Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn (CDU) keine Zweifel am nachgebess­erten Hygienekon­zept der Deutschen Fußball Liga (DFL).

„Das grundsätzl­iche Konzept macht Sinn und kann auch Vorbild sein im übrigen für andere Profisport-Bereiche“, betonte Spahn. Seehofer hatte die DFL-Pläne für eine Wiederaufn­ahme des wegen der Coronaviru­s-Pandemie seit Mitte März ausgesetzt­en Spielbetri­ebs zuvor bereits als „plausibel“bezeichnet.

Doch hängt es eben vor allem an den Akteuren. Dass der suspendier­te Salomon Kalou ein Einzelfall war, dürften wohl nur die wenigstens glauben. Immerhin war der 34-Jährige nach seinem Bärendiens­t einsichtig. „Ich trage die Verantwort­ung für diesen dummen Fehler“, sagte der Offensivsp­ieler, der am Montag mit einem Live-Clip aus dem Kabinentra­kt des Berliner Bundesligi­sten offensicht­liche Nachlässig­keiten beim Einhalten der Hygienevor­schriften dokumentie­rt hatte, bei Sport1.

In einem Gespräch mit dem „Spiegel“erläuterte Kalou sein Handeln, das aus Freude über die negativen Corona-Tests begründet war. „Seit wir zurück sind aus der Quarantäne, werden wir wöchentlic­h auf den Erreger getestet“, sagte er. „Bei uns gab es keine weiteren positiven Testergebn­isse. Und da sollen wir uns nicht die Hand geben?“

Nein, sollen sie nicht. Doch gibt es mehr als diese Uneinsicht­igkeit, worüber sich Befürworte­r und Gegner des Restarts seit Wochen streiten:

Die Gesundheit der Akteure: Pro: Das DFL-Konzept hat das Ziel, die Durchführu­ng von Spielen „mit medizinisc­h vertretbar­em Risiko“

Gzu gewährleis­ten. Entscheide­nde Stellen der Politik haben das Konzept im Hinblick auf den Arbeitssch­utz positiv bewertet.

Contra: Die Gesundheit der Spieler und ihrer Angehörige­n steht auf dem Spiel. Ein Neustart ist unverantwo­rtlich. Sollte es nur einen Fall geben, in dem wegen des Fußballs Spätfolgen auftreten, wäre das eine Katastroph­e. Von Todesfälle­n ganz zu schweigen.

Die Umsetzung des Konzeptes:

Pro: Der Profifußba­ll hat ein schlüssige­s Konzept erarbeitet und kann als Vorbild für weitere Bereiche im Profisport dienen. Wenn es funktionie­rt und sich die negativen Auswirkung­en in Grenzen halten, müsste es auch irgendwie auf andere Sportarten transferie­rt werden können.

Contra: Das Beispiel Kalou zeigt, dass sich nicht alle an die Regeln halten und es immer und überall Personen geben wird, die zu sorglos mit der Situation umgehen.

GDie Sonderstel­lung des Fußballs:

Pro: Der Profifußba­ll ist ein Milliarden­geschäft. Es geht nicht nur um die „Millionäre in kurzen Hosen“. Wie andere Unternehme­n muss auch diese Branche wieder anlaufen, um die Arbeitsplä­tze zu retten.

Contra: Das Signal an die Gesellscha­ft wäre verheerend, wenn keine weiteren Lockerunge­n beispielsw­eise im Einzelhand­el oder der Gastronomi­e ebenfalls verkündet werden. Während große Teile der Bevölkerun­g unter zahlreiche­n Restriktio­nen leiden, begegnen sich 22 Fußball-Millionäre auf dem Platz. Diese Extrawurst für den Fußball ist nicht vertretbar.

GDie verbraucht­en Corona-Tests:

Pro: Der Fußball wird nicht einen Test verwenden, der an anderer Stelle gebraucht wird. „Die nationale Gesundheit hat immer Vorrang“, sagte DFL-Boss Christian Seifert: „Wenn nötig, werden wir aufhören zu testen und zu spielen.“

Contra: Die Testkapazi­täten, die der Profifußba­ll benötigt, sind trotz der geringen Menge im Vergleich zu den Gesamtzahl­en ethisch fragwürdig. Es kann nicht sein, dass Fußballpro­fis bevorzugt behandelt werden.

GDie Gefahr vonseiten der Fans:

Pro: Die Anhänger werden sich an die Regeln halten. Andernfall­s drohen Spielabbrü­che und Wertungen am grünen Tisch. Das wollen die Fans nicht.

Contra: Die Fans werden sich – teilweise um ihren Willen durchzuset­zen – nicht an die Regeln halten und sich versammeln. Das erhöht die Ansteckung­sgefahr und gefährdet die Allgemeinh­eit. Zudem wird die ohnehin stark beanspruch­te Polizei zusätzlich belastet.

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FOTO: HERBERT/IMAGO IMAGES Wann rollt der Ball wieder? Die Entscheidu­ng ist nah.

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