Quarantäne-Pflicht auf der Kippe
Niedersächsische Landesregierung hat laut Urteil ihre Kompetenzen überschritten – Druck aus anderen Ländern
GBERLIN - Nach dem Urteil des niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts zur Quarantäne-Pflicht für Rückkehrer nach Deutschland steht die Regelung bundesweit auf der Kippe. „Im Hinblick auf die weltweiten Fallzahlen kann ein aus dem Ausland Einreisender nicht pauschal als Krankheits- oder Ansteckungsverdächtiger angesehen werden“, heißt es in dem am Dienstag veröffentlichten Urteil des Lüneburger Gerichts.
Zwar gilt das Urteil nur für das Land Niedersachsen. Aber inzwischen gibt es auch erste Forderungen, die Quarantäne-Pflicht im ganzen Bundesgebiet für Rückkehrer aus EU-Ländern zu lockern. Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) verwies in diesem Zusammenhang auf das Ende der Ausgangssperren in Frankreich. In den kommenden Tagen will sich auch das Bundeskabinett mit dem Thema befassen.
Anfang April hatten die Regierungen von Bund und Ländern beschlossen, dass sich während der CoronaPandemie
Deutsche, die von einem Auslandsaufenthalt zurückkehren, anschließend vierzehn Tage lang in Quarantäne begeben müssen.
Begründet wurde diese Verpflichtung damals mit der hohen Ansteckungsgefahr in vielen Ländern. Ausgenommen sind von dieser Regelung
Berufspendler und Lastwagenfahrer.
In dem Eilverfahren vor dem Lüneburger Oberverwaltungsgericht hatte der Besitzer eines Ferienhauses in Schweden nicht hinnehmen wollen, dass er nach der Rückkehr von einer Reise seine Wohnung nicht mehr verlassen durfte. Das Gericht gab ihm nun Recht. Eine Quarantäne-Pflicht komme „lediglich für Erkrankte, Krankheits- und Ansteckungsverdächtige sowie Virusträger infrage“, hieß es.
Weitergehende Regelungen, die weite Kreise der Bevölkerung pauschal einer Isolierung aussetzten, müssten „zwingend durch ein eigenes Gesetz geregelt werden“. Dies sei aber Aufgabe des niedersächsischen Landtags als Gesetzgeber. Die Festlegung einer allgemeinen Quarantäne-Pflicht per bloßer Rechtsverordnung sei dagegen unzulässig und gehe über den durch den Infektionsschutz eröffneten Spielraum der Exekutive hinaus.
Der Landesregierung stehe es frei, durch Rechtsverordnungen Risikogebiete auszuweisen, die die Verhängung einer Quarantäne rechtfertigen, betonten die Richter. Alternativ könne der Staat Menschen, die aus dem Ausland einreisen, durch die Gesundheitsbehörden befragen oder testen lassen. Das Lüneburger Urteil kann nicht gerichtlich angefochten werden.