Fackelwurfprozess: Erste Zeugen sprechen
Angeklagte sorgten schon öfter für Ärger – Auch Vermieter des Wohnwagenplatzes sagt aus
GDELLMENSINGEN/ULM – Nur knapp entging eine Roma-Familie dem Brandanschlag durch einen Fackelwurf, der eine Mutter und ihr nur neun Monate altes Kind das Leben hätte kosten können. Bereits am ersten Prozesstag am Montag haben die fünf angeklagten Männer zwischen 18 und 20 Jahren die Tat gestanden. Eine Mordabsicht bestreiten die Angeklagten aus dem Raum Erbach jedoch. Nun wurden die ersten in einer langen Reihe von Zeugen gehört, die klären sollen, wie sich der Abend genau abspielte, wie es zu dem Fackelwurf kam und vor allem, welche Intention die jungen Männer wirklich hatten.
Auch am zweiten Tag des Dellmensinger Fackelwurf-Prozesses ist das Interesse am Prozess groß, viele Menschen sitzen in dem Saal des Kornhauses, der wegen der Abstandregel als Ausweich-Gerichtsort dient. Die Befragung der Zeugen beginnt mit einem Dellmensinger Fußgänger, der am Abend des Anschlags auf dem Feldweg nahe des Feldes unterwegs war, auf dem die Roma-Familie sich eingemietet hatte. Er war auf dem Weg zu Freunden in eine Bude an den Schrebergärten, als er das Auto der Angeklagten sah, das er zunächst für ein Taxi hielt, weil er das orangene Licht der entzündeten Fackel zunächst für ein Leuchtschild hielt. Dann aber erkannte er, dass es sich um etwas Brennendes handeln musste. Der Zeuge schildert, wie das Auto abbog in Richtung der Wohnwagen der Familiengemeinschaft und davor anhielt. Dann habe es Geschrei gegeben, dessen Inhalt er nicht genau verstehen konnte.
Die Wohnwagen seien zu diesem Zeitpunkt schon dunkel gewesen, Leute habe er draußen auch nicht gesehen. Dafür aber das orangene Licht bei dem Auto aufflackern. Danach sei das Auto weggefahren. Für ihn sei das Ganze schon etwas seltsam gewesen, aber er habe sich anfangs nichts dabei gedacht. Dennoch habe er es seinen Freunden berichtet, nachdem er bei ihnen ankam. Über die Wohnwagenbesucher könne er nichts Negatives sagen, da sei es immer ganz ruhig gewesen abends. Einer dieser Freunde wird im Anschluss auch als Zeuge gehört. Der kann jedoch nur berichten, dass der Spaziergänger ihm beim Eintreffen von dem komischen Vorfall berichtet hatte. Sie hätten kurz darüber gesprochen und dann ein Bier getrunken, dann sei auch schon Blaulicht zu sehen gewesen. Auf Nachfrage des Richters meint der Dellmensinger noch, dass für ihn die Wohnwagen kein Thema gewesen seien. Sie wären ganz ruhig gewesen gewesen, Probleme habe es nie gegeben.
Wie die fünf Männer an die Fackel kamen, die zu dem Anschlag missbraucht wurde, soll der nächste Zeuge klären. Der Dellmensinger veranstaltete für seine Söhne und einen ihrer Freunde an diesem Abend eine Fackelwanderung – ein Hobby, dem er öfter nachgeht. Bevor die Gruppe aufbrechen konnte, begegnete sie jedoch den fünf jungen Erwachsenen, die einen Fisch gefangen hätten. Kurioserweise tauschten sie mit dem Zeugen dann den Fisch gegen mindestens eine von den Fackeln, die für die Wanderungen gekauft wurden. Ob es nicht auch zwei Fackeln waren, wie er ursprünglich bei der Polizei ausgesagt hätte, das wisse er nicht mehr, sagt der Zeuge. Auch die Aussage eines der Angeklagten, der Zeuge sei betrunken gewesen, als Fisch gegen Fackel getauscht wurden, verneint er. In der Folge hält der Nebenklagevertreter noch fest, dass die Angeklagten behaupteten, der Zeuge habe ihnen die Fackel aufgedrängt, während dieser sagt, der junge Mann habe sie haben wollen. Einer der Verteidiger versucht noch, den Zeugen zu Spekulationen hinzureißen, was der Nebenkläger prompt beanstandet. Dennoch hält die Verteidigung fest, dass der Zeuge weder eindeutig wisse, ob er an dem Abend getrunken habe, noch ob er die Fackel selbst anbot oder sie von den Jugendlichen verlangt worden sei. Eine Nachbarin des Zeugen bestätigt anschließend, dass der Zeuge an diesem Abend mit Fackeln und Kindern unterwegs gewesen sei.
Der nächste wichtige Zeuge ist der Besitzer des Feldes, auf dem die Roma-Familie sich eingemietet hatte. Der Mann über 70 ist ein ziemliches schwäbisches Urgestein, was mitunter in Übersetzungsversuchen des Richters gegenüber dem Anwalt der Nebenklage mündet. In klaren, recht resoluten Worten legt dieser Zeuge dar, dass die Familie auf ihn damals zukam und fragte, ob sie dort parken dürften, was er erlaubte. Die Familie bezahlte dafür zwischen 200 und 300 Euro, da sei er sich nicht mehr so sicher. Energisch betont er, dass die Roma-Familie weitaus sauberer gewesen sei, als viele Dellmensinger. Denn als die Gäste sein Feld verließen, waren lediglich eine Holzpalette und ein paar Hausschuhe vergessen worden, alles war picobello aufgeräumt. „Gehen sie mal auf’s Dellmensinger Dorffest, was da am nächsten Morgen alles an Müll herumliegt“, gibt er zu bedenken. Mit seinen Gästen habe er überhaupt keinen Ärger gehabt. Allerdings kommt noch raus, dass wohl nur 15 Minuten, nachdem die Familie dort geparkt habe, der Ortsvorsteher bei ihm angerufen habe, weil andere Leute aus dem Ort sich beschwert hätten. So steht es im Polizeibericht, wird der Zeuge konfrontiert. Wie die Dellmensinger auf die Roma reagiert hätten? Manche hätten es so gesehen, andere so, weicht er aus. Aber der Zeuge schätzt, dass 60 Prozent wohl dagegen waren. Aber es sei schließlich sein Feld. Und wenn die Leute wissen wollen würden, was da los sei, dann habe er ihnen geraten, einfach selbst hinzugehen und zu klopfen. Der Nebenkläger fasst die Befragung schließlich in einer Erklärung zusammen: Der Zeuge hatte das Grundstück an eine Familie vermietet, die sich „picobello“verhalten habe.
Die Anwohner jedoch hätten sich sofort beschwert, sogar den Ortsvorsteher eingeschaltet, waren der Familie gegenüber oft ablehnend. Dann folgten die Anfeindungen und Taten der Jugendlichen. Er wolle festhalten, dass das Verhalten der Erwachsenen eine Schande sei, so der Nebenkläger. Wenn Erwachsene so über andere Menschen redeten und sich beschwerten, führe das zu solchen Taten von Jugendlichen. Die Worte Rassismus oder Antiziganismus benutzt er nicht direkt, aber sie liegen in der Luft.
Letzter Zeuge des Tages ist ein junger Mann aus dem Ort. Ihm seien die Angeklagten gröhlend im Auto entgegengekommen. Den Wortlaut habe er nicht verstehen können, aber wenigstens der Beifahrer habe sich bei der Fahrt weit aus dem Fenster gelehnt. Er berichtet aber auch, dass es wenigstens mit vier der fünf Angeklagten schon öfter Ärger gab. Scheinbar bestehe eine Rivalität zwischen den Bauwägen, den „Buden“. „Man konnte auf kein einziges Fest in der Gegend gehen, ohne, dass man Ärger mit denen hatte“, berichtet der Zeuge. Auf einem Maifest hätten sie auch einen Freund, der gerade an einer Spielbude stand, weggerissen. Der Vorfall sei auch zur Anzeige gebracht worden.
Im Laufe der Vernehmung folgen Manöver der Verteidiger, den Zeugen auf dessen politische Gesinnung zu reduzieren, es folgt sogar die Frage, ob er die Tat „blöd fand“. Doch der gibt lediglich an, er sei nicht „rechts“. Auch folgen Versuche der Verteidigung, die politische Position der Angeklagten, die sich teilweise mit Hitler-Gruß ablichten ließen, zu relativieren. Es gelingt zumindest insoweit, als dass der Zeuge zugibt, dass er selbst bei solchen Aktionen nicht dabei war, aber dass der Ruf der Angeklagten allgemein bekannt sei. Der junge Zeuge bestätigt auch die Zugehörigkeit der Angeklagten zur Hooligan-Szene Ulms als hinlänglich im Ort bekannt. Lediglich bei einem der Angeklagten weist der Zeuge auch darauf hin, dass es mit diesem nie Stress gab und er nie dabei war, wenn es zu Ärger kam.
Damit endet die erste Zeugenbefragung. Am folgenden Tag wird der Ehemann des Opfers aussagen. Die Nebenklägerin selbst kann nicht zur Verhandlung erscheinen, sie ist hochschwanger.