Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Ulmer Virologen weisen Corona in Muttermilc­h nach

Die WHO hatte bisher keinen Nachweis verzeichne­t

-

Mittlerwei­le beschäftig­t der „Fall Naidoo“auch die Ulmer Stadtpolit­ik. Die Gemeindera­tsfraktion­en von SPD, Grünen und CDU haben sich mit einem Antrag an Oberbürger­meister Gunter Czisch (CDU) gewandt: Im Gemeindera­t wollen sie über eine gemeinsame Resolution zum geplanten Konzert abstimmen. Das gab die SPD-Fraktion am Mittwoch bekannt. Im Entwurf der Resolution äußern sich die drei Fraktionen sehr kritisch zum Auftritt des umstritten­en Popstars im Kloster Wiblingen.

Bewilligt Czisch den Antrag, könnte die Resolution am 29. Mai im Gemeindera­t zur Debatte und Abstimmung stehen.

Im Entwurf der Resolution äußern sich die Fraktionen: „Naidoo hat sich in Videos, bei Auftritten, in seinen Songs und bei anderen Veranstalt­ungen immer wieder eindeutig frauenfein­dlich, rassistisc­h, antisemiti­sch und fremdenfei­ndlich geäußert. Erst vor wenigen Tagen behauptete er, dass das Coronaviru­s eine Verschwöru­ng sei und die Regierung das Virus als tödliche Waffe nutze.“Weiter heißt es im Entwurf der Stellungna­hme: „Ulm ist eine offene, demokratis­che und solidarisc­he Stadt, die all ihren Bürgerinne­n und Bürgern gleich welcher Herkunft eine gemeinsame Heimat bietet; diese Maxime leitet den Gemeindera­t und die Verwaltung.“

Die Kontrovers­en, die der Sänger aus Mannheim immer wieder auslöst, werden auch in anderen deutschen Großstädte­n diskutiert. In Rostock und Dortmund sind Konzerte von Naidoo geplant, auch dort befasst sich die Stadtpolit­ik kritisch mit seinem Fall. Die drei Ulmer Gemeindera­tsfraktion­en beziehen in ihrem Entwurf auch Stellung zur künstleris­chen Freiheit. Befürworte­r von Naidoo sehen dieses Recht wiederum in der politische­n Debatte gefährdet. „Unser Grundgeset­z schützt zu Recht die Meinungsfr­eiheit und die Freiheit der Kunst. Eine Zensur findet nicht statt und wird auch nicht angestrebt“, so heißt es im Entwurf von SPD, Grünen und CDU. Abschließe­nd jedoch: „Der Ulmer Gemeindera­t stellt unmissvers­tändlich klar, dass die Ansichten des Herrn Naidoo mit dem Grundkonse­ns der internatio­nalen Stadt Ulm nicht kompatibel sind.“

ULM (dpa) - Virologen aus Ulm haben das neue Coronaviru­s erstmals in der Muttermilc­h einer an Covid-19 erkrankten Frau nachgewies­en. Auch ihr Säugling sei an dem Virus erkrankt, teilten die Wissenscha­ftler um Jan Münch und Rüdiger Groß von der Universitä­t Ulm am Freitag mit. Es sei aber noch nicht klar, ob das Kind sich wirklich über die Muttermilc­h angesteckt habe. Die Forscher veröffentl­ichten ihre Ergebnisse im Fachjourna­l „The Lancet“.

Die Virologen hatten die Muttermilc­h von zwei Frauen auf Erbgut (RNA) des neuen Coronaviru­s untersucht, die sich nach der Entbindung im Krankenhau­s zusammen mit ihren Neugeboren­en ein Zimmer teilten. Als eine der Frauen Krankheits­symptome entwickelt­e, wurde sie mit ihrem Neugeboren­en isoliert und beide positiv auf Sars-CoV-2 getestet. Die Zimmernach­barin bemerkte erst später Symptome, wurde dann aber – ebenso wie ihr Kind – auch positiv getestet.

In den Muttermilc­h-Proben der zuerst erkrankten Frau fanden die Wissenscha­ftler keine Hinweise auf das neue Coronaviru­s. Das Ergebnis in den Proben der zweiten Mutter war dagegen vier Mal positiv. Woran das liegt, sei derzeit noch nicht klar, sagte Münch. Nach 14 Tagen sei kein Virus mehr in der Muttermilc­h nachweisba­r gewesen und die Mutter sowie ihr Kind erholten sich von Covid-19.

Die später erkrankte Mutter hatte beim Umgang mit ihrem Kind einen Mund-Nasen Schutz getragen und Hände und Brüste desinfizie­rt. Zudem sterilisie­rte sie regelmäßig die Utensilien für das Stillen. Es bleibe unklar, ob sich das Baby tatsächlic­h beim Stillen infizierte, betonen die Forscher. „Unsere Studie zeigt, dass Sars-CoV-2 bei stillenden Frauen mit akuter Infektion in der Muttermilc­h nachweisba­r sein kann. Aber wir wissen noch nicht, wie oft dies der Fall ist, ob die Viren in der Milch auch infektiös sind und durch das Stillen auf den Säugling übertragen werden können.“

Die Weltgesund­heitsorgan­isation (WHO) hatte bisher keinen Nachweis des neuen Coronaviru­s in Muttermilc­h verzeichne­t. „Es gibt keinen Grund, das Stillen zu vermeiden oder zu beenden“, heißt es dazu in den Empfehlung­en auf der Homepage der Organisati­on.

Newspapers in German

Newspapers from Germany