Schwäbische Zeitung (Ehingen)

„Ein Sinnbild fürs Wagnis“: Der Berblinger-Turm steht

In einer aufwendige­n Aktion wird das neue Ulmer Wahrzeiche­n mithilfe eines Krans aufgebaut – Hörspiele erinnern an den Schneider von Ulm

- Von Stefan Kümmritz

GULM - Es ist vollbracht. Da steht er nun oder besser gesagt: Da schwebt er nun, der Berblinger-Turm an der Ulmer Adlerbaste­i. Er reckt sich luftig, schwungvol­l und ein wenig keck Richtung Donau und Neu-Ulm. Der Turm sieht aus, als ob das Fluggerät von Albrecht Ludwig Berblinger, der einst genau von dieser Stelle aus den Versuch wagte, über den Fluss zu fliegen, aber in die Fluten der Donau stürzte, wie ein Akkordeon auseinande­rgezogen ist.

Am Mittwoch wurde der Turm in stundenlan­ger Arbeit fertigmont­iert und Ulms Kulturbürg­ermeisteri­n Iris Mann kam nicht umhin, anerkennen­d zu sagen: „Der Berblinger-Turm hat das Potenzial, ein neues Ulmer Wahrzeiche­n zu werden. Er ist ein Kulturverm­ittlungsob­jekt und ein Sinnbild fürs Wagnis.“

Derweil jubelten die an der Entstehung des Denkmals Beteiligte­n, als die letzte Schraube festgezoge­n war. Ulms Baubürgerm­eister Tim von Winning und der Projektlei­ter der Stadt Ulm, Boris Spegel, klatschten ausgelasse­n Beifall und die beiden Münchner Künstler Johannes Brunner (ursprüngli­ch aus Pfullendor­f stammend) sowie Raimund Ritz (ein Ex-Friedrichs­hafener), die das moderne Denkmal geschaffen haben, wurden von den Umstehende­n mit einer kurzen Ovation bedacht: „Glückwunsc­h!“

Die Basis des aus drei Teilen bestehende­n, insgesamt 16 Tonnen schweren Berblinger-Turms wurde bereits vor einer Woche installier­t, am Mittwoch ging es um die anderen beiden Teile. Zunächst galt es morgens, die eine Hälfte des Sockels in

Position zu bringen, was sich nicht als Kinderspie­l entpuppte. Der zweite Teil, das Gegenstück mit einer integriert­en Tafel zu Albrecht Ludwig Berblinger, konnte erst später eingefügt werden, weil in dem darunter liegenden Kasten noch die Kabel – zum Beispiel für die Beleuchtun­g der Stufen – verlegt werden mussten.

Etwas schneller als gedacht wurde dann das Mittelstüc­k des Turms mit der Besucherte­rrasse von einem 50 Meter hohen Kran hochgehiev­t und aufgesetzt. Gleiches passierte schließlic­h unter recht großem Aufwand

am Mittag mit der Spitze und kurz vor 14 Uhr war der Berblinger­Turm fertiggest­ellt. Und alle, die den Akt mit großer Spannung verfolgt hatten, befanden, dass er ein Prachtstüc­k geworden ist.

Für Johannes Brunner und Raimund Ritz war der Aufbau ihres Kunstwerks sehr aufregend und so tigerten sie ständig über das Gelände, schauten hier, halfen dort und filmten immer wieder die Szenen. Abgesehen von einer Reihe Medienvert­reter hatte sich nur eine kleine Gruppe von Schaulusti­gen eingefunde­n, sodass die Arbeiter nicht behindert wurden. „Schon für uns Künstler war das eine Herausford­erung, hier auf der alten Stadtmauer ein solches Projekt zu planen. Vor allem, was die Statik anbetrifft, verlassen wir uns auf die Spezialist­en.“Umkippen könne der „schiefe Turm von Ulm“nicht, auch wenn er sich ziemlich gefährlich nach vorne neigt. Und wenn doch, dann landet er wie weiland Berblinger, der Schneider von Ulm, in der Donau.

Aber die Besucher, die bis auf die kleine Aussichtst­errasse am oberen

Ende des Mittelteil­s klettern können, müssen sich keinerlei Gedanken machen. Auch die beiden Künstler kennen sich in solchen Dingen recht gut aus. Brunner: „Wir machen auch kleinere Arbeiten, aber dies hier ist auch nicht unser erstes großes Projekt im öffentlich­en Raum.“

Brunner und Ritz wollten nicht nur ein Kunstwerk schaffen, sondern die Geschichte von Berblinger erlebbar machen, wie Ersterer betont. „Es ist ein benutzbare­s Kunstwerk. Die Farben sind ein Erkennungs­merkmal und die Besteigung soll ein Erlebnis sein.“Sein Kollege Raimund Ritz fügt an: „Tagsüber wird für die Besucher eine Art Berblinger-Hörspiel im Loop abgespielt, wobei ein Computer die Playlist erstellt.“So werde es zu einer begehbaren Klangskulp­tur.

Erstaunlic­h ist, wie schnell der Turm gebaut wurde – während der Corona-Pandemie. „Im Juli vergangene­n Jahres wurde der Wettbewerb ausgeschri­eben und im November haben wir den Vertrag unterzeich­net“, so Ritz. Und jetzt im Mai ist im Prinzip alles fertig.

Zuvor hatten die beiden Künstler intensive Studien zu Berblinger betrieben und einige Interviews geführt, denn sie wollten bei ihrer Arbeit eine „Beziehung zum Schneider von Ulm“aufbauen, wie Brunner ausführt. „Der Turm ist 20 Meter hoch“, so Projektlei­ter der Stadt Ulm, Boris Spegel. „Er ist ein echter Hingucker. Es dürfen aber nur maximal 30 Leute gleichzeit­ig auf ihm sein.“Baubürgerm­eister Tim von Winning gestand am Mittwoch, dass es ihm fast die Sprache verschlage: „Ich kann immer wieder nur sagen: Ich bin total begeistert.“Der Turm soll am 25. Juni offiziell eingeweiht werden.

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FOTO: KÜMMRITZ Hier klatschen Ulms Baubürgerm­eister Tim von Winning (rechts) und der Projektlei­ter der Stadt, Boris Spegel spontan Beifall.
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Gehalten von starken Seilen eines großen Krans schwebt die Spitze des Berblinger-Turms schon recht dicht über den anderen beiden Teilen.

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