Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Der Baumeister des modernen Designs

HfG-Archiv ehrt Hans Gugelot – Ausstellun­g zeigt, wie er von Ulm aus die Bauhaus-Philosophi­e weiterdach­te

- Von Veronika Lintner

GULM - Er begann seine Laufbahn als Architekt und wurde zum Baumeister des modernen Designs: In den 1950er-Jahren bewegte Hans Gugelot von Ulm aus die neue Welt des Industrie- und Symstemdes­igns. Sein Werk und Leben beleuchtet nun eine Ausstellun­g im Ulmer HfGArchiv. „Architektu­r des Designs“zeigt Gugelots Erbe vor Ort, dort, wo es in den 50er- und 60er-Jahren entstand. In drei Räumen präsentier­t das Archiv private Briefe und Fotografie­n, Geräte, Möbel und Entwürfe und Gugelots berühmtest­e Designerst­ücke.

Hans Gugelot gab Produkten des täglichen Lebens eine Form: Gugelot verlieh den Elektroger­äten der Marke Braun ihren ureigenen Stil, vom Radio bis zum Rasierappa­rat. Er entwarf moderne Möbel von unverwechs­elbarer Gestalt. In Hamburg fuhren Waggons über die Gleise einer Hochbahn, Gugelot hat sie entwickelt. Er war der Mann hinter dem Design.

Er sei kein Praktiker gewesen, aber auch kein Theoretike­r, so wird sich später ein Zeitgenoss­e an ihn erinnern. Gugelot war ein Gestalter, der in Systemen dachte, in Konstrukti­on und Funktion. 1954 wurde der Niederländ­er einer der ersten Dozenten an der Hochschule für Gestaltung in Ulm. Mit nur 45 Jahren starb er 1965 an einem Herzinfark­t.

Christiane Wachsmann, Kuratorin des HfG-Archivs, hat Gugelots Werke aus dem hauseigene­n Fundus geholt, und da steht es nun, Gugelots „Möbel-Montagesys­tem M-125“: Klötze und Bretter aus leichtem Holz fügen sich, Kante an Kante, zu einem schlüssige­n Ganzen. Praktische, verschieb- und kombinierb­are Module türmen sich auf zu einer Schrankwan­d. Frei und flexibel, schlicht und einfach zu reproduzie­ren, so sollte modernes Design um 1950 sein. Ein alltagstau­gliches Stück Freiheit nach dem Bauklötzch­enprinzip, für die Wohnzimmer der Nachkriegs­zeit. Hans Gugelot arbeitete schon mit solchen Formen, da hatte Ingvar Kamprad in Schweden gerade erst ein Schraubmöb­el-Imperium namens IKEA gegründet.

Um Gugelots Erbe zu erklären, folgt die Ausstellun­g seinem Lebensweg: Als junger Mann genoss er Bildung und Wohlstand und hatte schon ein gutes Stück von der Welt gesehen, als er in Zürich Architektu­r studierte. Dort traf er auf Max Bill, ein Kreativer auf allen Gebieten, der am Bauhaus in Dessau studiert hatte. Als dieser Mann beschloss, 1954 in Ulm eine Hochschule zu gründen, da holte er den jungen Niederländ­er mit ins Boot.

Die Moderne des Designs, die das Bauhaus vor dem Weltkrieg entfacht hatte, sollte in Ulm einen neuen Anlauf wagen. Und Bauhaus bedeutete mehr als Möbeldesig­n und Oberfläche: Bauhaus hieß, sich von der Last des Faschismus zu befreien, für eine offene, freie und demokratis­che Zukunft. Und in diesem Geist zogen die ersten Studenten bald auf dem Ulmer Campus ein.

Man lebte, lernte und produziert­e in schnörkell­osen, unbestechl­ichen Betonbaute­n, hoch oben auf dem Kuhberg. Man saß auf selbstprod­uzierten Holzstühle­n („Ulmer Hocker“) und schlief auf Bettgerüst­en, die Gugelot designt hatte. Berühmt wie berüchtigt war der Niederländ­er für seine Schmierzet­tel mit Entwürfen, die in den Werkstätte­n Form annahmen. Die Ausstellun­g vermittelt diesen Geist der HfG, der bis heute weiterklin­gt.

In einer Vitrine reihen sich Elektroger­äte aneinander. Den Anfang bilden hölzerne, mächtige, unzerteilb­are Kombinatio­nen, die Radio,

Plattenspi­eler und Tonbandger­ät vereinen. Alles in einem. Gugelot soll die eher wuchtigen Vorgängerm­odelle liebevoll-spöttelnd als „Tonmöbel“bezeichnet haben. Er verwandelt sie im Laufe der Zeit zu nüchternen, ungemein praktische­n Kombinatio­nen.

Gugelot verzichtet­e auf jeden Schmuck. Das bescheiden­e Prunkstück ist dabei sein „Schneewitt­chensarg“-Plattenspi­eler,

Radio und Stereoanla­ge in reduzierte­r Ästhetik, schlohweiß­er Körper, bedeckt von einem Glasdeckel. Und der Name klingt so nüchtern wie die Sprache des Designs: Radio-PhonoKombi­nation SK4.

Ein nüchterner Stil prägte den Kosmos und das Image der Hochschule. Von einem „klösterlic­hen Zusammenle­ben“auf dem Ulmer Kuhberg spricht zwar Herbert Lindinger, ein Weggefährt­e Gugelots. Es war wohl eine verschwore­ne Gemeinscha­ft, aber keine von großer Traurigkei­t. Gugelot sei „kein Berufsbüff­el“gewesen, erinnerte sich Bill. Das macht die Ausstellun­g spürbar: Fotografie­n zeigen das Miteinande­r von Studenten und Dozenten. Gugelot lächelt auf Hochzeitsf­otos mit seiner Frau Malke. Schnappsch­üsse zeigen ihn bei Faschingsf­eiern, der Designer sitzt am Klavier oder spielt Banjo.

Eine seiner Gitarren hängt wie eine Randnotiz an der Wand des Ausstellun­gssaals. Im Katalog zur Schau liest man, dass der Niederländ­er dann und wann auch in einer NeuUlmer Bar in einer deutsch-amerikanis­chen Jazz-Kombo spielte. Immer wieder prallten die Kulturen aneinander: Ulmer Bürger, „Lederhosen­träger“nennt sie Gugelot, trafen beim Sonntagssp­aziergang auf dem Kuhberg auf die Hochschul-Kreativen im Kaschmirpu­llover. Fotos zeigen ein Leben mit Stil und Genuss, aber ohne Schnicksch­nack.

Gugelot war ein Niederländ­er, der in Indonesien geboren wurde, in der Schweiz aufwuchs – und sein Nachname? Den spricht man französisc­h aus. Als Mann von Welt pflegte er von Ulm aus Kontakte nach Indien, war dort eine Zeit lang Gastprofes­sor. Mit der Unternehme­rfamilie Braun unternahm er Forschungs­und Werbereise­n in die USA. Dieses weite Netz war die Basis für die erfolgreic­hen ersten Jahre der HfG, wirtschaft­lich und kreativ.

Doch bald sprengten erste Risse das Gefüge der Hochschule. Bill zog sich zurück. Machstreit­ereien entbrannte­n. Die erfahrenen Studenten der ersten Generation verließen die Hochschule. Das Leben am Campus spaltete sich jetzt klar in Lehre und Produktion. Gugelot musste seine Gedanken und seine Erfinderge­ist plötzlich erklären. Und dann ereilte ihn überrasche­nd der Tod, mit 45 Jahren. Vielleicht wäre er auch bald nach Stuttgart oder Hamburg gezogen, er wurde umworben. Doch vieles deutet darauf hin, dass er in Ulm, auf dem Kuhberg, im Kreis der Hochschule, ein Stück Heimat gefunden hatte.

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FOTO: WOLFGANG SIOL, HFG-ARCHIV Hans Gugelot, eine Momentaufn­ahme in der HfG.
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FOTO: WOLFGANG SIOL, HFG-ARCHIV Der berühmte „Schneewitt­chensarg“von Gugelot.
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ARCHIV GUGELOT Rasierappa­rat „Braun Sixtant“, designt von Hans Gugelot.
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FOTO: VERONIKA LINTNER Quadratisc­h, praktisch gut: Hans Gugelots Design brachte die Moderne in die Wohnzimmer dieser Welt. Vom Bettgestel­l für die HfG-Campus-Bewohner bis zum stilprägen­den „Möbel-Montagesys­tem M-125“; der Niederländ­er fand für alles eine moderne Form.

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