Im Herzen vereint, durch Grenzen getrennt
Wie die Krise Fernbeziehungen Hindernisse in den Weg legt – Ein Ehinger berichtet
GEHINGEN/WIEN – Eine Fernbeziehung ist generell nicht so einfach. Vor allem dann nicht, wenn eine Ländergrenze die beiden Liebenden trennt. Innerhalb Europas ist das schon lange kein Problem mehr – aber die Corona-Krise hat bewirkt, dass alte Grenzlinien wieder hochgezogen werden. So auch für Vertriebsinnendienstleiter Ralph Glaser aus Ehingen, dessen Beziehung nach Österreich gerade keine leichte Zeit durchlebt.
„Sonst sehen wir uns alle zwei Wochen“, berichtet Glaser über seine Beziehung. Seit drei Jahren sind er und Simone ein Paar, die Liebe zu den Bergen brachte sie zusammen. Aber er arbeitet in Ehingen, sie in Wien. Sechs Stunden Autofahrt trennen die beiden, weshalb sie sich sonst oft bei Freunden in Salzburg treffen. „Auf halber Strecke“, wie Glaser meint.
Nun aber hatten sie sich seit zehn Wochen nicht gesehen. Im März seien sie noch zusammen Skifahren gewesen. „Da habe ich noch im Spaß gesagt, dass da in zwei Wochen niemand mehr drüber redet. Doch sie sagte schon damals: Wart mal ab, das geht noch bis in den Sommer“, erinnert sich Ralph Glaser. Simone sollte recht behalten, denn zwei Wochen später redeten die Menschen noch immer über das Virus – und die Grenzen waren dicht.
Wie für viele Fernbeziehungspaare, wird die Corona-Krise eine herausfordernde Belastung für die beiden. Natürlich telefonieren sie jeden Tag per Video, nutzen Skype und WhatsApp, aber die Nähe fehlt, wie Glaser betont. Außerdem sei er auch nicht so der Typ für das Telefonieren, eigentlich hasse er es sogar. Nach einer Stunde am Gerät wird er oft unruhig und seine Partnerin entlässt ihn meist mit einem Lächeln zurück an andere Beschäftigungen. „Es ist einfach nicht dasselbe“, berichtet er.
Klar sei es schön, sich wenigstens auf dem Bildschirm anlächeln zu können, aber dass sie sich nicht anfassen können, das nage an ihm. „Wir sehen, was beim anderen passiert. Sie sieht, was ich unternehme und ich bei ihr“, erzählt er weiter. Simone habe zur Ablenkung angefangen, sich neue Hobbys zu suchen, macht beispielsweise einen Imkerkurs, dann einen Kräuterkurs. Als Kindergartenleiterin darf und muss sie auch weiter arbeiten.
Glaser geht Wandern, macht Ausflüge in die Berge. Oft schreibt Simone ihm dann, dass sie auch gern dabei wäre und ist ein bisschen neidisch. „Wir halten es irgendwie aus, lenken uns halt ab, aber lange sollte das nicht mehr gehen“, sagt Glaser. Selbst nach drei Jahren kommen einem da manchmal eifersüchtige Gedanken. Kontakt halten und auf das Wiedersehen hoffen, so laute das Prinzip. Aber nur Hoffen reicht Ralph Glaser nicht. Schon bevor die ersten Lockerungen kommen, fängt er an, sich schlau zu machen. Doch viele Informationen sind widersprüchlich und die unterschiedlichen Regelungen zwischen den Bundesländern machen es auch nicht einfacher. In Bayern, das er immerhin durchqueren muss, um zu seiner Partnerin zu kommen, sind sich nicht einmal die Behörden einig.
Das bayerische Gesundheitsministerium hatte im April grünes Licht gegeben, dass Lebenspartner einander auch über die Grenze für 48 Stunden besuchen dürften, die Bayerische Bundespolizei dem kurz darauf widersprochen. Die Situation bleibt unübersichtlich. Glaser telefoniert herum, ruft die Bundespolizei an. Dort wird ihm gesagt, er brauche ein Gesundheitszeugnis und könne dann fahren, das bayerische Innenministerium, das er auch anruft, sagt wieder etwas anderes.
Letztlich läuft es darauf hinaus, dass er an der Grenze zu Österreich wohl von der Meinung des Grenzbeamten abhängig ist, dem er seinen „triftigen Grund“für den Grenzübertritt vermitteln muss. Also bewaffnet Ralph Glaser sich mit allen möglichen Dokumenten und startet am 20. Mai seinen Versuch, nach Österreich zu kommen.
Und an der Grenze ist plötzlich alles ganz einfach. Er wird einfach durchgewunken, kommt völlig problemlos nach Österreich – auch wenn viele andere Fahrzeuge an der Grenze kontrolliert werden. Ohne Probleme kommt Glaser nach Wien, allen Befürchtungen zum Trotz. „Beinahe schade, jetzt wo ich so gut vorbereitet war“, meint Glaser amüsiert,