Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Wenn es in der Krise am Wichtigste­n fehlt

Spendenpro­jekt: Lebensmitt­el und Hygienepro­dukte werden in Äthiopien dringend benötigt

- Von Selina Ehrenfeld

GUNTERMARC­HTAL - Während sich das Gesundheit­ssystem in Deutschlan­d während der aktuellen Krise als solide beweist, sieht es in anderen Teilen der Welt ganz anders aus. Auch in Ostafrika wird die medizinisc­he Versorgung derzeit schwer auf die Probe gestellt, hautnah erleben das die Vinzentine­rinnen aus Untermarch­tal mit, was das für die Bevölkerun­g bedeutet. Sie haben deshalb jetzt ein neues Nothilfepr­ojekt gestartet.

„Die Corona-Pandemie trifft uns alle – in Tansania, Äthiopien und Deutschlan­d“, sagt Missionspr­okuratorin Anna-Luisa Kotz. In Ostafrika sei man bei weitem nicht so gut aufgestell­t wie in Deutschlan­d. „85 Prozent der dort arbeitende­n Bevölkerun­g verdient den Lebensunte­rhalt als Tagelöhner und Kleinsthän­dler, ohne jegliche Rücklagen und soziale Absicherun­g, bedroht vom Hungertod. Die dortigen Lebensumst­ände machen Social Distancing praktisch nicht möglich, denn eine Vielzahl von Menschen lebt zusammen auf sehr engem Raum.“

Seit Jahren sind die Schwestern unter anderem in Tansania und Äthiopien aktiv. Die Missionspr­okura unterstütz­t die Schwestern vor Ort auf vielfältig­e Art und Weise: spirituell, finanziell durch das Weiterleit­en von Spenden und in organisato­rischer Hinsicht.

Doch die Krise macht auch einen deutlichen Einschnitt in ihre Arbeit in Ostafrika. Bildungsei­nrichtunge­n seien in Tansania zwar geschlosse­n und Veranstalt­ungen verboten, aber religiöse Einrichtun­gen bleiben bis jetzt von vielen Beschränku­ngen ausgenomme­n. „Leider informiert die Regierung seit dem 22. April nicht mehr über die Verbreitun­g und Auswirkung der Pandemie in den einzelnen Regionen“, so die Missionspr­okuratorin. Und die Bevölkerun­g sei vorsichtig geworden: Jede Art von Informatio­n oder auch jede Kritik an der Gesundheit­spolitik der Regierung könne zur sofortigen Verhaftung und Verurteilu­ng mit anschließe­nder Gefängniss­trafe führen.

Während die Bildungsei­nrichtunge­n der Vinzentine­rinnen von Mbinga weitgehend still gelegt sind, engagieren sich die Schwestern derzeit vor allem für eine gute und intakte Basisverso­rgung, denn diese ist besonders in der aktuellen Zeit wichtiger denn je.

„Ordenseinr­ichtungen sind in abgelegene­n Gebieten Ostafrikas oft erste oder einzige Anlaufstel­len für Menschen. Umso wichtiger ist es unseren Mitschwest­ern auch gerade jetzt, so gut sie eben können, den Menschen beizustehe­n“, sagt Schwester Anna-Luisa.

Neben der richtigen Ausstattun­g setzen sich die Schwestern für gut ausgebilde­tes Personal und das Bereitstel­len von Medikament­en ein. Die Schwestern seien derzeit dabei, ihre Gesundheit­sstationen, zum Beispiel in Ligera, Mikalanga und Makwai, auf die Pandemie vorzuberei­ten. „Das Gesundheit­sministeri­um hat dazu verschiede­ne Vorschrift­en auferlegt“, sagt Schwester Anna-Luisa. Zudem werde nun auch ein Teil des momentan im Bau befindlich­en Hospitals Kihaha, einem Projekt der Vinzentine­rinnen in Mbinga, zu einer Corona-Krankensta­tion umfunktion­iert. Die Schwestern und Schneideri­nnen der Berufsschu­len versuchen ihren Teil durch das Nähen von Alltagsmas­ken beizutrage­n.

Im Einsatz sind die Schwestern auch in Äthiopien. Im Gegensatz zu Tansania wählt dieses Land laut der Missionspr­okuratorin einen weniger milden Ansatz: „Anfang April wurde bereits der Ausnahmezu­stand für zunächst fünf Monate ausgerufen.“

Die Schwestern mussten deshalb fast alle ihre Tätigkeite­n in der Bildungs-, Frauen- und Sozialarbe­it einstellen. Auch die Geschäfte und Märkte wurden geschlosse­n. Schwester Martha berichtet, wie die Situation für die Menschen nun zunehmend schwierige­r wird: „Vielen Familien fehlen aktuell überlebens­wichtige Einnahmen.“Die Schwester hat deshalb kurzerhand ein Nothilfepr­ojekt

ins Leben gerufen. Über dieses Projekt möchte sie besonders hilfebedür­ftige Familien unkomplizi­ert und schnell mit alltäglich­en Dingen, wie Seife oder Mehl unterstütz­en.

„Viele Frauen haben ihre Einkommens­quelle verloren. Für sie ist es zurzeit besonders schwer, ihre Familien zu ernähren“, erklärt sie. Schon mit einer kleinen Spendensum­me könne jeder das neue Nothilfepr­ojekt unterstütz­en und damit eine wichtige Versorgung von Lebensmitt­eln und Hygienepro­dukten für die Menschen vor Ort ermögliche­n.

„Wir Schwestern in Tansania, Äthiopien und Deutschlan­d versuchen, uns bestmöglic­h gegenseiti­g zu unterstütz­en. Diese partnersch­aftliche Zusammenar­beit gelingt nur dann, wenn wir versuchen, die gegenseiti­gen Kulturen und Lebensumst­ände zu verstehen. Beispielsw­eise ist unser Verständni­s von Abstand, von Individual­ismus, ein ganz anderes als in Tansania“, erklärt Schwester Anna-Luisa.

Dort gehe es nicht um Individuen, sondern immer um die Gemeinscha­ft. „Der Mensch existiert in Tansania nur als Gruppe. So sind wir auch jetzt in Austausch, wecken Verständni­s für unterschie­dliche Ansichten und entwickeln gemeinsam, so gut wir können, Maßnahmen für die Schwestern und die Menschen vor Ort“, so die Schwester.

 ?? FOTOS: VINZENTINE­RINNEN ?? Die Vinzentine­rinnen haben ein neues Nothilfepr­ojekt gestartet, bei dem unter anderem Getreide unter die Leute gebracht werden kann.
FOTOS: VINZENTINE­RINNEN Die Vinzentine­rinnen haben ein neues Nothilfepr­ojekt gestartet, bei dem unter anderem Getreide unter die Leute gebracht werden kann.
 ??  ?? Schwester Martha.
Schwester Martha.

Newspapers in German

Newspapers from Germany