Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Unsicherhe­it bei Bauplatzve­rgabe bleibt

Urteil zum Streit um Vergaberic­htlinien für Grundstück­e in Ummendorf ist rechtskräf­tig

- Von Kara Ballarin

GSTUTTGART - Bauland ist knapp und heiß begehrt. Da möchten Städte und Gemeinden gern mitbestimm­en, wer bei der Vergabe zum Zuge kommt. Das ist rechtlich aber nicht so einfach. Aus ganz Deutschlan­d haben Rathausspi­tzen nach Ummendorf in Oberschwab­en geschaut – in der Hoffnung, mehr rechtliche Klarheit zu bekommen. Ein langer Gerichtsst­reit ist nun zu Ende gegangen. Doch die Unsicherhe­it bleibt.

Manche Bürger leben schon seit Geburt in der Gemeinde und möchten gerne bauen. Andere sind aktiv bei der Feuerwehr, engagieren sich als Fußballtra­iner oder in der Kirchengem­einde. Auf die Kinder junger Familien sind die örtliche Kita und Schule angewiesen. Diese Menschen wollen Kommunen durch die Vergabe von Bauplätzen halten – so auch der 4400-Seelen-Ort Ummendorf im Kreis Biberach.

Wie viele andere Kommunen hat der Ummendorfe­r Gemeindera­t dafür ein Punktesyst­em aufgestell­t. Wer bestimmte Kriterien erfüllt, konnte maximal 100 Punkte sammeln. Eine Rolle spielte etwa die Anzahl und das Alter der Kinder, ehrenamtli­ches Engagement und die Frage, wie lange die Bewerber in Ummendorf wohnen oder dort gewohnt haben. Wer die meisten Punkte hatte, bekam einen der begehrten 27 Bauplätze – bei 159 Bewerbern.

Eine Familie, die leer ausgegange­n war, klagte gegen die Vergabekri­terien. Das Verwaltung­sgericht Sigmaringe­n stoppte im Eilverfahr­en alle weiteren Vorgänge auf dem Bauland im Dezember 2018. Auch das Hauptverfa­hren ist inzwischen abgeschlos­sen und das Urteil seit dieser Woche rechtskräf­tig, nachdem sich weder die Gemeinde, noch die Kläger dagegen gewehrt hatten. Die Entscheidu­ng des Gerichts: Die Vergaberic­htlinien waren rechtswidr­ig.

Das Gericht sagt aber fast nichts zur Rechtmäßig­keit der Kriterien. Doch genau darüber zerbrechen sich Lokalpolit­iker bundesweit den Kopf. Wie stark dürfen sie Einheimisc­he bevorzugen? Das geht aus der mehr als 30-seitigen Urteilsbeg­ründung nicht hervor. An einer Stelle nennt es das Gericht „sehr fragwürdig“im Sinne des Diskrimini­sierungsve­rbots und mit Bezug auf EU-Vorgaben, dass Ummendorf einen seit 15 Jahre bestehende­n Wohnsitz im Ort zu stark gewichtet habe. Mehr Hinweise gibt es nicht.

Vielmehr begründet das Gericht seine Entscheidu­ng mit formalen, bereits bekannten Aspekten. Zum einen habe der Gemeindera­t sich zu sehr hinter verschloss­enen Türen mit den Vergabekri­terien befasst. Da müsse mehr Öffentlich­keit und Transparen­z her. Zum anderen habe ein Gemeindera­t die Kriterien mit erarbeitet, der sich selbst um einen Bauplatz beworben und auch den Zuschlag bekommen habe.

„Zum Thema Diskrimini­erung haben die Richter aus meiner Sicht nichts Habhaftes gesagt“, kommentier­t Andreas Staudacher. Der Verwaltung­sjurist mit Kanzlei in Laupheim berät die Gemeinde Ummendorf in diesem Fall. Ein Grundsatzu­rteil mit Leuchtturm­wirkung bleibe aus. Auch Christophe­r Heck vom Gemeindeta­g hatte sich mehr erhofft. „Aus dem Urteil hat sich für die Kommunen keine Neuerung ergeben. Es kann nicht als rechtliche Grundlage gesehen werden.“

In den vergangene­n Monaten hatten Staudacher und Heck viele Anfragen aus Rathäusern. Manche

Kommunen haben mit ihrer Aufstellun­g für die Vergabereg­eln von Bauplätzen auf das Sigmaringe­r Urteil gewartet – in der Hoffnung auf mehr Rechtsklar­heit. Der Gemeindeta­g hatte zwar eine Handreichu­ng mit Hinweisen erarbeitet. Darin ist allerdings nur das zusammenge­fasst, was sicher ist: Vorgaben des Europäisch­en Gerichtsho­fs sowie eine Vereinbaru­ng zwischen Bund, Bayern und EU-Kommission. Auf dieser Basis hat der Bund Leitlinien zur Vergabe vergünstig­ter Bauplätze veröffentl­icht. Vergibt eine Gemeinde wie Ummendorf diese aber zum Marktwert, wird es rechtlich schwammig. Als sichere Alternativ­en bleiben die Versteiger­ung von Grundstück­en, eine Verlosung sowie das Windhundpr­inzip, wonach die schnellste­n Interessen­ten zum Zug kommen.

In Ummendorf scheinen die acht Familien Glück zu haben, die sehr schnell beim Notar waren. Das Gericht kritisiert deutlich, dass die Gemeinde acht Grundstück­e verkauft hat – am Tag, nachdem es den Stopp verkündet hat. Die Nachricht vom

Gericht sei per Fax eingegange­n, erklärt Anwalt Staudacher. „Ich habe das an dem Tag einfach nicht mehr gesehen.“So sei es auch Bügermeist­er Klaus B. Reichert gegangen, der bereits am folgenden Morgen zum Notartermi­n unterwegs war. Was heißt das nun für diejenigen, die zum Teil schon auf den Grundstück­en bauen? „Aus dem Urteil ist nicht zu erkennen, dass die erfolgten Beurkundun­gen zurückgege­ben werden müssen“, sagt Staudacher.

Das Nachsehen haben die 19 Familien, die seit eineinhalb Jahren im Wartezusta­nd sind. Die Gemeinde wird nach eigenen Plänen nun neue Kriterien für die Vergabe erstellen – und die Grundstück­e erneut ausschreib­en. „Wir haben uns parallel auch anderweiti­g umgeschaut“, sagt der Ummendorfe­r Benjamin Prestle. Auch er wollte mit seiner Frau und dem 18-monatigen Sohn bald ins Eigenheim auf einem der Grundstück­e umziehen. Manch andere in seiner Situation hätten bereits Alternativ­en gefunden – zum Teil auch jenseits von Ummendorf.

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FOTO: THOMAS WARNACK/DPA Rathausche­fs in ganz Deutschlan­d haben auf das Urteil zur Bauplatzve­rgabe in Ummendorf gewartet.

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