Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Trump möchte seine Fakten nicht checken lassen

Der Präsident geht gegen eine angebliche Unterdrück­ung „konservati­ver Ansichten“auf Twitter vor

- Von Jürgen Bätz und Can Merey

GWASHINGTO­N (dpa) - In den USA liegt der Vorwurf der Zensur in der Luft: Präsident Donald Trump fühlt sich von angeblich linkslasti­gen Onlinenetz­werken unterdrück­t und will die Plattforme­n mit einer neuen Verfügung in die Schranken weisen. Sollte Trump seine Drohung wahr machen, werden sich wohl bald Gerichte damit befassen. Beide Seiten beanspruch­en, die Meinungsfr­eiheit zu verteidige­n.

Twitter hatte das Fass zum Überlaufen gebracht. Der Kurznachri­chtendiens­t – Trumps bevorzugte Plattform – unterzog erstmals einen Tweet des Präsidente­n einem Faktenchec­k. Darin hatte Trump behauptet, dass Briefwahl Wahlbetrug

Vorschub leiste. Dem Faktenchec­k zufolge ist dies irreführen­d. Trump warf Twitter daraufhin vor, sich in die US-Präsidente­nwahl im November einzumisch­en. Jetzt will er sich die sozialen Medien vorknöpfen – und sie streng regulieren lassen oder ganz schließen, falls sie „konservati­ve Ansichten“unterdrück­ten.

Trump könnte US-Medienberi­chten zufolge mit seiner neuen Verordnung den umfassende­n rechtliche­n Schutz der Dienste ins Visier nehmen – einen Grundpfeil­er, der Facebook, Twitter und YouTube in ihrer heutigen Form erst möglich gemacht hat. „Washington Post“und „New York Times“berichtete­n unter Berufung auf einen Entwurf der Verfügung, das Wirtschaft­sministeri­um solle die Telekommun­ikationsau­fsicht

FCC dazu aufrufen, den Geltungsbe­reich einer als „Section 230“bekannten Regelung zu prüfen. Gemäß dieser Regelung – Teil eines Gesetzes von 1996 – werden Onlinedien­ste nicht für von Nutzern veröffentl­ichte Inhalte wie Kommentare und Videos haftbar gemacht. Zugleich wird Plattforme­n erlaubt, gegen bestimmte Inhalte oder Nutzer vorzugehen.

Der Entwurf der Präsidente­norder sieht den Berichten zufolge zudem vor, die unter anderem für Verbrauche­rschutz zuständige Aufsichtsb­ehörde FTC mit der Prüfung von Beschwerde­n über politische Voreingeno­mmenheit zu betrauen. Zudem sollen Bundesbehö­rden ihre Ausgaben für Werbung in sozialen Medien überprüfen.

Offizielle Angaben zum Inhalt der Verfügung gab es zunächst nicht. Die Neuregelun­g dürfte jedoch schnell US-Gerichte beschäftig­en. Eine Sprecherin des Weißen Hauses sagte, Trump wolle die Verfügung am Donnerstag unterzeich­nen.

Trumps politische Gegenspiel­er legten dem Präsidente­n nahe, sich inmitten der Coronaviru­s-Pandemie anstatt auf Twitter einfach auf die Regierungs­geschäfte zu konzentrie­ren. „Wenn Präsident Trump Twitter nicht mag, kann er uns allen einen Gefallen tun und aufhören zu twittern“, schrieb etwa der führende demokratis­che Senator Chuck Schumer am Donnerstag – natürlich auf Twitter. Trump erreicht in dem Kurzmittei­lungsdiens­t direkt 80 Millionen Nutzer.

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