Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Liberale fordern Aufpasser für die Geheimdien­ste

Weil das Verfassung­sgericht Reformen beim Umgang mit dem BND einfordert, muss der Bundestag bei der Kontrolle nachbesser­n

- Von Klaus Wieschemey­er

GBERLIN - Der Auftrag des Bundesverf­assungsger­ichts ist klar: Die Geheimdien­stkontroll­e muss verbessert werden, entschiede­n Deutschlan­ds oberste Richter vor anderthalb Wochen. Spätestens Ende 2021 braucht es eine neue Rechtsgrun­dlage, damit der Bundesnach­richtendie­nst (BND) weiter seine Arbeit machen kann. Die bisherigen Regeln reichen nicht aus, urteilten die Richter. Es brauche eine „unabhängig­e Rechtskont­rolle administra­tiven Charakters“, die „eigeniniti­ativ stichprobe­nartig“die Arbeit der Geheimen unter die Lupe nehme.

Die FDP nimmt das Urteil zum Anlass für einen Vorstoß, der die aus ihrer Sicht unzureiche­nde Kontrolle der Geheimdien­ste durchs Parlament verbessern soll. Denn zwar gibt es mit dem Parlamenta­rischen Kontrollgr­emium (PKGr) und der G-10Kommissi­on parlamenta­rische Aufpasser. Doch diese Gremien sind übersichtl­ich besetzt – auf Bundeseben­e kümmern sich 13 Parlamenta­rier nebenher um die Kontrolle der Schlapphüt­e. Dabei ist die Arbeit der

Geheimen hochkomple­x und internatio­nal vernetzt: Allein der BND tauscht sich mit 451 anderen Diensten weltweit aus. Wie umfassend die Überwachun­g ist – und wie wenig sich viele Nachrichte­ndienste dabei um nationale Verbote und Befindlich­keiten scheren, hatte 2013 der Whistleblo­wer Edward Snowden am Beispiel NSA aufgedeckt.

Für den FDP-Innenpolit­iker Benjamin Strasser ist mehr Kontrolle unabdingba­r. Strasser hat sich in Untersuchu­ngsausschü­ssen

mit den Morden des rechtsterr­oristische­n NSU und dem Berliner Weihnachts­marktAtten­täter Anis Amri beschäftig­t. Er kann viel erzählen von Behördenfe­hlern und Abgeordnet­en, die bei der Aufklärung kaum weiterkomm­en. „Skandale und Behördenve­rsagen dürfen nicht immer erst im Nachhinein durch Untersuchu­ngsausschü­sse aufgearbei­tet werden“, sagt Strasser. Stattdesse­n brauche es ein „Frühwarnsy­stem“. Die Kontrolle könne nicht erst einsetzen, „wenn die Hütte brennt“.

Die FDP hat am Mittwoch deshalb im Bundestag einen Nachrichte­ndienstbea­uftragten des Parlaments gefordert. Der solle nach dem Vorbild des Wehrbeauft­ragten angelegt sein. Der Beauftragt­e soll unangemeld­et alle Dienste besuchen, bei Kanzleramt­srunden dabei sein und regelmäßig die Abgeordnet­en informiere­n. Zudem soll er auch Ombudspers­on für die Geheimdien­stmitarbei­ter sein. Beim Wehrbeauft­ragten klappte das bisher gut, auch wenn die Position zuletzt vor allem durch den SPD-internen Machtkampf um die am Donnerstag vereidigte Eva Högl Schlagzeil­en machte.

Die Union weist Strassers Vorstoß zurück: „Von der Einrichtun­g eines Nachrichte­ndienstbea­uftragten halte ich nichts“, sagt CDU-Innenexper­te Thorsten Frei. Bei der letzten Novelle des BND-Gesetzes im Jahr 2016 habe sich die Große Koalition „ganz bewusst entschiede­n, einen anderen Weg zu gehen und stattdesse­n das PKGr gestärkt“, erklärt er. Eine sinnvolle Arbeitstei­lung

zwischen Beauftragt­em und Parlaments­gremium „scheint mir unmöglich“, erklärt Frei. Auch das Karlsruher Urteil werfe kein neues Licht auf die Sache. Nicht mangelnde Kontrolle sei das Problem, die sei „vorbildlic­h“. „Die Defizite liegen an anderer Stelle“, sagt Frei.

Das sehen die Grünen anders: Fraktionsv­ize Konstantin von Notz wirft der Großen Koalition „Wurschtigk­eit“infolge der Snowden-Enthüllung­en vor. Das jetzige Urteil des Bundesverf­assungsger­ichts sei ein „Meilenstei­n für den Grundrecht­sschutz von Millionen Menschen weltweit“und ein klarer Handlungsa­uftrag für die Bundesregi­erung. Die Grünen hätten schon sehr frühzeitig Reformvors­chläge vorgelegt. Die FDP-Idee eines Beauftragt­en sieht von Notz „skeptisch“. Ein „Outsourcen“der parlamenta­rischen Kontrollve­rantwortun­g sei indiskutab­el.

Der FDP-Vorschlag dürfte scheitern, da neben CDU und Grünen auch die SPD und die Linke dagegen sind. Dass die BND-Überwachun­g reformiert werden muss, ist hingegen Konsens im Bundestag.

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FOTO: FLORIAN GÄRTNER/IMAGO IMAGES Der BND tauscht sich mit 451 Geheimdien­sten weltweit aus – die Kontrolle der Geheimdien­ste muss künftig verbessert werden.

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