Liberale fordern Aufpasser für die Geheimdienste
Weil das Verfassungsgericht Reformen beim Umgang mit dem BND einfordert, muss der Bundestag bei der Kontrolle nachbessern
GBERLIN - Der Auftrag des Bundesverfassungsgerichts ist klar: Die Geheimdienstkontrolle muss verbessert werden, entschieden Deutschlands oberste Richter vor anderthalb Wochen. Spätestens Ende 2021 braucht es eine neue Rechtsgrundlage, damit der Bundesnachrichtendienst (BND) weiter seine Arbeit machen kann. Die bisherigen Regeln reichen nicht aus, urteilten die Richter. Es brauche eine „unabhängige Rechtskontrolle administrativen Charakters“, die „eigeninitiativ stichprobenartig“die Arbeit der Geheimen unter die Lupe nehme.
Die FDP nimmt das Urteil zum Anlass für einen Vorstoß, der die aus ihrer Sicht unzureichende Kontrolle der Geheimdienste durchs Parlament verbessern soll. Denn zwar gibt es mit dem Parlamentarischen Kontrollgremium (PKGr) und der G-10Kommission parlamentarische Aufpasser. Doch diese Gremien sind übersichtlich besetzt – auf Bundesebene kümmern sich 13 Parlamentarier nebenher um die Kontrolle der Schlapphüte. Dabei ist die Arbeit der
Geheimen hochkomplex und international vernetzt: Allein der BND tauscht sich mit 451 anderen Diensten weltweit aus. Wie umfassend die Überwachung ist – und wie wenig sich viele Nachrichtendienste dabei um nationale Verbote und Befindlichkeiten scheren, hatte 2013 der Whistleblower Edward Snowden am Beispiel NSA aufgedeckt.
Für den FDP-Innenpolitiker Benjamin Strasser ist mehr Kontrolle unabdingbar. Strasser hat sich in Untersuchungsausschüssen
mit den Morden des rechtsterroristischen NSU und dem Berliner WeihnachtsmarktAttentäter Anis Amri beschäftigt. Er kann viel erzählen von Behördenfehlern und Abgeordneten, die bei der Aufklärung kaum weiterkommen. „Skandale und Behördenversagen dürfen nicht immer erst im Nachhinein durch Untersuchungsausschüsse aufgearbeitet werden“, sagt Strasser. Stattdessen brauche es ein „Frühwarnsystem“. Die Kontrolle könne nicht erst einsetzen, „wenn die Hütte brennt“.
Die FDP hat am Mittwoch deshalb im Bundestag einen Nachrichtendienstbeauftragten des Parlaments gefordert. Der solle nach dem Vorbild des Wehrbeauftragten angelegt sein. Der Beauftragte soll unangemeldet alle Dienste besuchen, bei Kanzleramtsrunden dabei sein und regelmäßig die Abgeordneten informieren. Zudem soll er auch Ombudsperson für die Geheimdienstmitarbeiter sein. Beim Wehrbeauftragten klappte das bisher gut, auch wenn die Position zuletzt vor allem durch den SPD-internen Machtkampf um die am Donnerstag vereidigte Eva Högl Schlagzeilen machte.
Die Union weist Strassers Vorstoß zurück: „Von der Einrichtung eines Nachrichtendienstbeauftragten halte ich nichts“, sagt CDU-Innenexperte Thorsten Frei. Bei der letzten Novelle des BND-Gesetzes im Jahr 2016 habe sich die Große Koalition „ganz bewusst entschieden, einen anderen Weg zu gehen und stattdessen das PKGr gestärkt“, erklärt er. Eine sinnvolle Arbeitsteilung
zwischen Beauftragtem und Parlamentsgremium „scheint mir unmöglich“, erklärt Frei. Auch das Karlsruher Urteil werfe kein neues Licht auf die Sache. Nicht mangelnde Kontrolle sei das Problem, die sei „vorbildlich“. „Die Defizite liegen an anderer Stelle“, sagt Frei.
Das sehen die Grünen anders: Fraktionsvize Konstantin von Notz wirft der Großen Koalition „Wurschtigkeit“infolge der Snowden-Enthüllungen vor. Das jetzige Urteil des Bundesverfassungsgerichts sei ein „Meilenstein für den Grundrechtsschutz von Millionen Menschen weltweit“und ein klarer Handlungsauftrag für die Bundesregierung. Die Grünen hätten schon sehr frühzeitig Reformvorschläge vorgelegt. Die FDP-Idee eines Beauftragten sieht von Notz „skeptisch“. Ein „Outsourcen“der parlamentarischen Kontrollverantwortung sei indiskutabel.
Der FDP-Vorschlag dürfte scheitern, da neben CDU und Grünen auch die SPD und die Linke dagegen sind. Dass die BND-Überwachung reformiert werden muss, ist hingegen Konsens im Bundestag.