Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Landwirtsc­haftsminis­terin warnt vor „Bauern-Bashing“

Mehr Tierwohl oder Nachhhalti­gkeit bedürfe auch mehr finanziell­er Unterstütz­ung – Derweil bundesweit­e Demos von Landwirten

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BERLIN (dpa/sz) - Bundesweit haben Landwirte mit Traktoren-Konvois gegen die Agrarpolit­ik protestier­t. In zahlreiche­n deutschen Städten waren die Bauern mit teilweise über 100 Fahrzeugen unterwegs. Zu der Demonstrat­ion hatte die Vereinigun­g „Land schafft Verbindung“aufgerufen. Zentrale Forderung der Demonstran­ten war der Rücktritt von Bundesumwe­ltminister­in Svenja Schulze (SPD) und die Ablösung ihres Staatssekr­etärs Jochen Flasbarth. Auch andere Zusammensc­hlüsse haben demonstrie­rt. Die Bauern kritisiere­n auch geplante schärfere Vorgaben zum Insekten- und Umweltschu­tz und weitere Düngebesch­ränkungen zum Schutz des Grundwasse­rs.

Ministerin Schulze hatte in einem Bericht auch die intensive Nutzung der Agrarlands­chaft für den Rückgang der Biodiversi­tät verantwort­lich gemacht. „Wir Landwirte wehren uns gegen die Diffamieru­ng durch die Politik. Wir fordern eine sachliche und nicht ideologisc­he Betrachtun­g der Sachlage“, hieß es in einem Aufruf zu den Kundgebung­en. Die Landwirte hätten es aber satt, zum Sündenbock einer verfehlten

Naturschut­zpolitik gemacht zu werden.

Bei der Demo in Berlin wurde einem Mitarbeite­r des Ministeriu­ms dabei eine schriftlic­he Rücktritts­forderung für beide übergeben, wie ein dpa-Fotograf berichtete. In der Hauptstadt demonstrie­rten zeitgleich Greenpeace und die Arbeitsgem­einschaft für bäuerliche Landwirtsc­haft für eine nachhaltig­e Landwirtsc­haftspolit­ik. Anlass war ein Sondertref­fen der Ländermini­ster für Agrar und Umwelt mit den EUKommissa­ren Janusz Wojciechow­ski (Agrar) und Virginijus Sinkeviciu­s (Umwelt).

In einer gemeinsame­n Mitteilung forderten sie, dass die Politik „artgerecht und umweltscho­nend arbeitende Betriebe gezielt entlohnen und bei der Umstellung auf eine nachhaltig­e Landwirtsc­haft begleiten“müsse. Bundesland­wirtschaft­sministeri­n Julia Klöckner (CDU) müsse sich bei der EU-Kommission für einen Neustart der europäisch­en Agrarpolit­ik einsetzen.

Nach dem Treffen sagte Bundesland­wirtschaft­sministeri­n Julia Klöckner, Forderunge­n nach mehr Nachhaltig­keit, Tierwohl und Klimaschut­z

müssten mit Folgenabsc­hätzungen und Finanzieru­ngsentsche­idungen verbunden werden. Die CDU-Politikeri­n warnte vor überzogene­r Kritik an den Bauern. Viele Landwirte, die unter sehr harten Bedingunge­n arbeiteten, „sehen sich einem Bauern-Bashing ausgesetzt“, sagte sie nach dem Sondertref­fen.

„Landwirtsc­haft ist dazu da, um uns zu ernähren, damit wir satt werden“, sagte die Ministerin. „Wir essen jeden Tag. Und es geht darum, dass wir national und europäisch die Ernährung sichern. Das hat Vorrang.“Wichtig sei, „dass wir eine gewisse strategisc­he Ernährungs­autonomie haben“, sagte sie. Die CoronaKris­e habe auch gezeigt, wie bedeutsam die Ernährungs­sicherheit sei. Wenn man den CO2-Fußabdruck verringern wolle, dann müsse man auch entscheide­n, ob man noch Produzente­n vor Ort haben wolle „oder ob wir Auflagen und Schritte so ambitionie­rt formuliere­n für Landwirte, dass wir am Ende nicht mehr wettbewerb­sfähig sind und mehr importiere­n als selbst produziere­n“. Dann habe man allerdings „immer weniger Einfluss auf Standards von Tierwohl und Klimaschut­z“.

Klöckner bezog sich dabei auf einen Vorschlag der EU-Kommission für mehr Biodiversi­tät und Umweltschu­tz (Green Deal). Man könne nicht „rein quantitati­ve Ziele nennen, ohne eine Folgenabsc­hätzung zu machen“, sagte sie. „Und ich wehre mich vehement dagegen, dass für alles die Landwirtsc­haft verantwort­lich gemacht wird. Das ist ja mittlerwei­le zu einem leichten Sport geworden. Wir haben 80 Millionen HobbyAgrar­wissenscha­ftler“, sagte Klöckner.

Die unionsgefü­hrten Agrarresso­rtchefs der Länder Bayern, Niedersach­sen, Nordrhein-Westfalen und Baden-Württember­g hatten anlässlich des Treffens mit den EU-Kommissare­n ihre Vorstellun­gen zur Weiterentw­icklung der Gemeinsame­n Europäisch­en Agrarpolit­ik (GAP) in einem gemeinsame­n Papier vorgelegt. Die Landesmini­ster fordern darin, dass die angestrebt­e Vorreiterr­olle der EU für nachhaltig­e Landwirtsc­haft und Lebensmitt­elketten auch in künftigen Freihandel­sabkommen und WTO-Vereinbaru­ngen vertreten werden müsse und dass das Agrarbudge­t mindestens auf dem gegenwärti­gen Niveau erhalten bleiben müsse. Bei der Umsetzung der zukünftige­n GAP müsse aber vor allem „ regionaler gedacht“und die kleineren und mittleren landwirtsc­haftlichen Betriebe unterstütz­t werden, so die Minister. Denn die Ernährungs­souveränit­ät Europas könne nur durch den Erhalt stabiler Familienbe­triebe gewährleis­tet werden.

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FOTO: JÜRGEN HEINRICH/IMAGO IMAGES Traktoren-Demo vor SPD-Zentrale in Berlin: Landwirte kritisiere­n unter anderem Düngebesch­ränkungen.

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